Naypyidaw. Der Papst forderte bei seinem Myanmar-Besuch das Land zur Achtung der Menschenrechte auf. Dabei ging er nicht auf die Rohingyas ein.
Die Begrüßung war höflich, aber nicht herzlich. Als Papst Franziskus am Dienstag neben der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi den Konferenzsaal in Myanmars noch junger Hauptstadt Naypyidaw betritt, liegt Eiseskälte in der Luft.
Ein gequältes Lächeln ringt sich der Pontifex ab, mehr nicht. Keine der sonst üblichen kurzen Umarmungen, kein angedeuteter Kuss auf die Wange. Gesten, die der Papst Frauen entgegenbringt, mit denen er sich gut versteht. Nicht gegenüber Suu Kyi, der faktischen Regierungschefin des ostasiatischen Landes.
Franziskus lässt sich nicht den Mund verbieten. Er macht keinen Hehl daraus, dass er nicht gekommen war, um über das Flüchtlingselend der Rohingyas, einer muslimischen Minderheit, hinwegzusehen. Er will nicht verschweigen, dass das Militär in Myanmar die derzeit größte humanitäre Krise der Welt mit einer Vielzahl von Toten, Verletzten und vergewaltigen Frauen unter den Rohingyas verursacht hat.
Papst redet Klartext
Geradezu flehentlich hatten die katholischen Bischöfe Myanmars ihn gebeten, auf keinen Fall die Rohingya-Katastrophe zu erwähnen. Wohl aus Angst, sonst selbst Repressalien ausgesetzt zu sein. Doch der Papst redet Klartext. Er sagt, dass es in Myanmar darum gehe, „der Gewalt ein Ende zu setzen, Vertrauen aufzubauen und die Rechte aller zu garantieren, die dieses Land als ihr Zuhause ansehen.“
Papst Franziskus zu Besuch in Myanmar
Genau da liegt das Problem. Die Militärs in Myanmar verweigern den Rohingyas, das Land als ihre Heimat zu betrachten. Der Pontifex betont, dass Religionen „Propheten der Leidenden sein könnten“. Unumwunden erklärte er, dass der „Frieden in Myanmar auf der Achtung der Rechte und Würde eines jeden Mitglieds der Gesellschaft und der Achtung einer jeden ethnischen Gruppe und ihrer Identität beruht“.
Seit August wurden 600.000 Rohingyas vertrieben
Aung San Suu Kyi, die ein blaues Kleid trägt, unternimmt alles, um den Gast positiv zu stimmen. In ihrer Rede versichert sie, dass die Regierung Myanmars alles daran setzen werde, „Rechte zu schützen, Toleranz zu fördern und Sicherheit zu garantieren.“ Sie fügt hinzu, dass „jeder in unserem Land“ ein Recht auf „Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit“ habe. Sie geht auch auf die Situation der Rohingyas ein, ohne allerdings konkret zu werden. Die Regierung sei sich der „Schönheit der Unterschiedlichkeit“ der verschiedene Völker Myanmars bewusst, erklärt sie. Es klingt kryptisch.
Die Welt habe mit großem Interesse auf die Entwicklung in der Region Rakhine reagiert, unterstreicht sie. Dass Myanmars Militär dort seit August etwa 600.000 Rohingyas vertrieben hat, erwähnt sie nicht. Die Regierung wolle alles unternehmen, um die Konflikte dort zu einem friedlichen Ende zu führen. Auf das katastrophale Ausmaß der von den Vereinten Nationen angeprangerten „ethnischen Säuberung“ geht sie nicht ein. Zusagen für die Rohingyas, die ohne eine Anerkennung ihrer Rechte als Staatsbürger weiterhin nahezu vogelfrei sind, macht sie ebenfalls nicht.
Papst fühlt sich sichtlich unwohl
Franziskus ist nicht zufrieden. Er fühlt sich in dem Kongresszentrum offensichtlich unwohl. Das gewohnte Bad in der Menge, das der Argentinier so liebt, fällt aus. Den „Papst der Armen“ – eigentlich sein Markenzeichen – bekommen die Menschen von Myanmar nicht einmal von Weitem zu sehen.
Die politische Führung Myanmars hatte alles getan, um durch den Papst-Besuch das Land international aufzuwerten. Myanmar wird noch immer von der Macht des Militär geprägt – trotz Demokratisierung. Die Militärs hatten von Beginn an klar gestellt, wer das Sagen hat: So hatte sich General Min Aung Hlaing vorgedrängelt und sofort nach der Ankunft des Papstes am Montag ein Treffen mit ihm erzwungen.
Papst trifft Staatspräsident Htin Kyaw
Auch am zweiten Tag muss sich Franziskus fügen: Suu Kyi hatte die Bitte der katholischen Kirche ihres Landes abgelehnt, dem Papst den anstrengenden Flug in die neue Hauptstadt des Landes zu ersparen.
Der fast 81-Jährige musste die alte Hauptstadt Rangun verlassen, um in die auf dem Reißbrett geplante „Geisterstadt“ Naypyidaw zu reisen und Staatspräsident Htin Kyaw und die Regierungschefin zu treffen. Suu Kyi war zwölf Jahre unter Hausarrest gestellt worden, bevor sie die ersten demokratischen Wahlen ihres Landes für sich entscheiden konnte.
Während der Papst-Visite herrscht gähnende Leere auf der fünfspurigen Autobahn der Stadt, kein einzelnes Auto weit und breit. Auch der überdimensionierten Flughafen wirkt wie ausgestorben. Nur eine Handvoll katholischer Pilger wartet auf dem Airport. Es scheint, als hätte die ganze Menschheit fluchtartig den Planeten verlassen.
Ob die mahnenden Papst-Worte vom Dienstag Früchte tragen werden, ist fraglich. Eine Gruppe Mönche des Nationalheiligtums von Myanmar – der Shwedagon Stupa, einem beeindruckenden Bau über Rangun – sagt am Montag bei einem Besuch der Vatikan-Delegation: Der Papst sei willkommen, die Rohingyas aber nicht. „Ihr muslimischer Glaube greift den Buddhismus in Myanmar an.“
Donnerstag geht es nach Bangladesch
Am Mittwoch feiert Franziskus eine Messe mit Jugendlichen in Rangun. Danach trifft er mit dem Rat der 47 hochrangigen buddhistischen Mönche - der Sangha Maha Nayaka – zusammen. Am Donnerstag reist er nach Bangladesch weiter. Ob er dort das größte Flüchtlingslager der Welt – mit Hunderttausenden Rohingyas – besucht, ist offen.
* Andreas Englisch ist Journalist, Bestseller-Autor und seit vielen Jahren Korrespondent im Vatikan. Der Titel seines neuesten Buchs lautet: „Franziskus. Ein Lebensbild.“