Berlin. Die Grünen sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Ihnen drohen vier weitere Jahre in der Opposition. Schuld daran sind die Liberalen.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen gibt es drei Optionen: eine große Koalition, eine Minderheitsregierung und Neuwahl. Letzteres gilt als unwahrscheinlich, weil Bundespräsident Steinmeier und die Kanzlerin sie nicht wollen. Gegen eine Minderheitsregierung spricht vieles, auch dass Angela Merkel mit einer stabilen Mehrheit regieren möchte. Bleibt also das Bündnis zwischen Union und SPD.

Für die Grünen ist die große Koalition, nach der es im Moment aussieht, das schwierigste Szenario. Bei Neuwahlen hätten sie eine neue Chance auf eine Regierungsbeteiligung. In einer Minderheitsregierung könnten sie Verabredungen mit der Union treffen – oder sich theoretisch in einer schwarz-grünen Minderheitsregierung von der SPD tolerieren lassen.

Doch große Koalition bedeutet für die Grünen: keine Ministerien, keine Durchschlagskraft, vier weitere Jahre Opposition, das macht dann 16 Jahre am Stück. Im Bundestag werden die Grünen als kleinste Fraktion nach den anderen drei Oppositionsparteien AfD, FDP und Linke sprechen. Unattraktiver ist nur noch die außerparlamentarische Opposition. Den Grünen drohen vier weitere Jahre Bedeutungslosigkeit.

Grüne sind staatstragender unterwegs als Liberale

Der Parteitag am Samstag in Berlin sollte eigentlich über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU, CSU und FDP abstimmen. Das Treffen hatte nach dem Jamaika-Aus eigentlich keinen Sinn mehr. Also feierten sich die Grünen. Die Spitzenpolitiker versicherten sich gegenseitig, wie hart sie mit Lindner und Dobrindt gerungen haben. Und sie propagierten die neue Geschlossenheit des rechten und linken Flügels.

Da ist etwas dran. Die Grünen, so pazifistisch sie auch redeten, waren in den vergangenen Jahren immer wieder eine Partei, in der sich das Spitzenpersonal bekriegte. Das war in den Sondierungen anders. Die Grünen haben so gut es ging zusammengehalten – und eine Teamerfahrung gemacht.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) auf dem Parteitag.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) auf dem Parteitag. © dpa | Kay Nietfeld

Und auch die Deutschen haben eine Erfahrung gemacht: Die Grünen als linke Spinner? Das war einmal. Mittlerweile sind sie staatstragender unterwegs als die Liberalen. In den Sondierungen haben sie gezeigt: Wir sind kompromissbereit, beweglich, mit uns kann man über vieles reden. Die Grünen waren, mit einem Wort: seriös. In den Umfragen ist die Ökopartei in den vergangenen Wochen gestiegen.

Partei sieht ungewissen Zukunft entgegen

Geschlossen und seriös reicht aber noch nicht. Die Grünen brauchen nach dem angekündigten Rückzug von Parteichef Cem Özdemir auch einen personellen Impuls. Robert Habeck könnte als Parteichef viel bewegen. Der Umweltminister Schleswig-Holsteins ist im Norden längst ein Star, der im Landtagswahlkampf groß auf Plakate gedruckt wird. Er ist eine andere Art Politiker, wirkt unabhängiger und freier als viele seiner Kollegen. Habeck könnte die Kraft und auch den Hunger haben, der Ökopartei bessere Wahlergebnisse zu verschaffen.

Doch wie auch immer die Grünen sich aufstellen: Sie gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Es sieht nicht so aus, als würde es bei zukünftigen Bundestagswahlen Ergebnisse geben, die die einst typischen rot-grünen oder schwarz-gelben Bündnisse ermöglichen würden.

Ein Blick auf die 16 Bundesländer mit aktuell 13 verschiedenen Bündniskonstellationen – darunter so seltsame wie eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt oder Rot-Rot-Grün geführt von der Linken in Thüringen – zeigt: Es ist die Zeit der Kompromisse, sonst geht man als kleine Partei unter. Diese Lektion haben die Grünen gelernt. Doch die FDP, die nicht mit ihnen auf Bundesebene regieren will, macht eine Regierungsbeteiligung für die Grünen fast unmöglich.