Berlin. Von Krise keine Spur: Beim Bundespresseball herrscht Feierlaune. Auch viele Jamaika-Sondierer lassen den Frust beim Tanzen hinter sich.

Er ist der Taktgeber der Republik: Seit Tagen bemüht sich der Bundespräsident, neuen Schwung in die Regierungsbildung zu bringen – nachdem die FDP vergangene Sonntagnacht das Jamaika-Parkett abrupt verlassen hatte.

Doch nicht nur in der Politik, auch beim Walzer übernimmt Frank-Walter Steinmeier in diesen Tagen souverän die Führung: Die mehr als 2000 Gäste beim Bundespresseball im Hotel Adlon erleben am Freitag einen gut gelaunten Bundespräsidenten, der mit First Lady Elke Büdenbender die Ballnacht eröffnet.

Gleich zu Beginn des Abends spielt die Band den 50er-Jahre- Klassiker „Que sera, sera“. Ein Lied, das entspannte Zuversicht verbreitet: Was kommt, das kommt, keine Sorge, wird schon werden. Zwei Monate nach der Bundestagswahl hat Deutschland zwar immer noch keine neue Regierung – doch von einer schweren Krise kann keine Rede sein, das zeigt auch dieser Abend: Die Hauptstadt ist in Feierlaune und der sonst so ernste Bundespräsident ist mittendrin.

Frank-Walter Steinmeier: „Keine Politik heute Abend“

Nach dem Eröffnungstanz sitzt Steinmeier am Ehrentisch, wo auch TV-Kommissar Miroslav Nemec Platz genommen hat. Doch auch der Profi entlockt dem Präsidenten keine neuen Ermittlungsergebnisse zum politischen „Tatort“ Berlin. „Keine Politik heute Abend“ ist Steinmeiers Motto und entsprechend meidet er die Mikrofone der wartenden Journalisten.

Lange bleibt Steinmeier im festlich eingedeckten Dinnersaal und nimmt die Honneurs der Gäste entgegen. Auffallend: Auch Unionspolitiker wie Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) suchen demonstrativ seine Nähe – man kennt sich ja bestens vom Kabinettstisch aus Zeiten der großen Koalition.

Nach den spannungsreichen letzten Wochen fällt besonders auf, wer an diesem Abend nicht gekommen ist: Kanzlerin Angela Merkel bleibt dem Ball wie immer fern, FDP-Chef Christian Lindner kuriert offenbar eine Erkältung aus, und bei SPD-Parteichef Martin Schulz steht an diesem Abend das Gegenteil einer launigen Party auf dem Programm.

Er muss den verärgerten Jusos in Saarbrücken erklären, warum er eine große Koalition auf einmal nicht mehr ausschließt. Beim Ball in Berlin ist SPD-Generalsekretär Hubertus Heil deswegen ein umlagerter Gesprächspartner. Er soll erklären, wie es nun weitergeht – dabei will er lieber feiern und endlich einmal nicht über Politik sprechen.

Linke-Politikerinnen fallen als ausgelassene Tänzerinnen auf

Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Bundestages, sucht dagegen geradezu das Rampenlicht und erscheint mit Ehefrau Annette Marberth-Kubicki als einer der Ersten auf dem roten Teppich. Das Smokinghemd, verrät der FDP-Mann, habe er übrigens selbst gebügelt. Offensichtlich blieb der Hilferuf nach frischen Hemden während der Jamaika-Sondierungen bei seiner Frau ungehört.

Anders als der Bundespräsident hält Kubicki mit seiner Analyse der Lage nicht hinterm Berg: „Ich gehe davon aus, dass die Sozialdemokraten nach einer Überlegungsphase von vierzehn Tagen auf ihrem Parteitag zustimmen werden, dass Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden.“ Bei der aktuellen Gemengelage sei das auch „gut so“.

Höchste Zeit für die FDP also, sich mal im Oppositionslager genauer umzuschauen . Was in Kubickis Fall heißt: sich beim regen Gespräch mit den Linke-Politikerinnen Katja Kipping und Caren Lay fotografieren zu lassen – die ihrerseits im Lauf des Abends dann als besonders ausgelassene Tänzerinnen auffallen.

Doch ist das ein Wunder? Die Politiker der Linkspartei haben schließlich weder die Jamaika-Nächte in den Knochen, noch andere Koalitionskonflikte auszufechten. Doch auch Cem Özdemir, Möchtegernaußenminister der nicht zustande gekommenen Jamaika-Koalition, hat den Frust zumindest für diesen Abend abgelegt und zieht mit Ehefrau Pia Castro durch die Ballsäle. „Tut uns nach vier Wochen im Tunnel ganz gut, mal nicht nur die Sondierungsgruppen zu sehen.“ (sdo, jule, phn, mün, jos)