Berlin. Die SPD bewegt sich etwas auf die Union zu. In der Partei mehren sich die Stimmen, dass man sich Gesprächen nicht verschließen dürfe.

Martin Schulz ist der letzte in der Reihe der Parteichefs, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Gespräch bittet. Erst am Donnerstag hat der SPD-Vorsitzende einen Termin im Schloss Bellevue.

Schulz selbst war zunächst von einem Treffen am Mittwoch ausgegangen. Ob das ein Versehen war oder ob der Termin verschoben wurde, ist unklar. Jedenfalls ist am Mittwoch erst einmal CSU-Chef Horst Seehofer bei Steinmeier zu Gast – und damit der letzte Vertreter der gescheiterten Jamaika-Koalition.

Mit Schulz hingegen soll es dann um eine Wiederauflage der großen Koalition gehen. Bis jetzt sperrt sich die SPD dagegen, erneut ein Regierungsbündnis mit CDU und CSU einzugehen. Schulz versucht, seine Genossen nach dem Platzen der Jamaika-Pläne darauf einzuschwören. Am liebsten wäre ihm eine Neuwahl, das macht er immer wieder deutlich.

So teuer wären Neuwahlen für die Steuerzahler

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    Einige Abweichler in der SPD

    Doch es gibt einige Genossen, die von dieser Strikten Linie abweichen. Die erste ist ausgerechnet SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles – wenn auch nur minimal.

    Im ZDF ließ am Dienstag schon sie erkennen, dass sie sich auch die Tolerierung einer unionsgeführten Minderheitsregierung vorstellen kann. „Das hängt davon ab, da müssen wir jetzt drüber reden“, sagte Nahles. Und zu einer Neuwahl sagte sie: „Da hat niemand wirklich Lust drauf.“ Sie zitierte aber sogleich aus einem Beschluss der SPD vom Montag, wonach ihre Partei vor einer Neuwahl keine Angst habe.

    „Wir müssen jetzt neu nachdenken“

    Auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte, er wünsche sich nicht wirklich eine neue große Koalition. Man müsse nun aber neu nachdenken.

    Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete Johannes Fechner. Am weitesten ging der Wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal. Er sprach sich im „Handelsblatt“ klar für Gespräche mit der Union und gegen eine Neuwahl aus.

    FDP rechtfertigt Jamaika-Aus

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      Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, rief seine Partei zu Gesprächsbereitschaft auf. Der Abgeordnete sagte, durch den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen sei eine „neue Situation“ entstanden. „Man muss mit dem Bundespräsidenten offen reden, ohne gleich auf dem eigenen Standpunkt zu beharren“, sagte er der „Bild“. „Das sehen die Spitzen der Partei und Fraktion auch so.“

      Malu Dreyer gegen Große Koalition

      Über eine große Koalition wollte er noch nicht sprechen, aber es gebe eine geschäftsführende Bundesregierung. Damit könne man eine gewisse Zeit gut regieren.

      Deutlich gegen die GroKo-Option ist Malu Dreyer. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin sieht ihre Partei nicht in der Pflicht, sich an der nächsten Bundesregierung zu beteiligen. Es sei „nicht die SPD, die Deutschland in diese schwierige Situation manövriert hat“, sagte sie unserer Redaktion. „Angela Merkel ist gescheitert, zusammen mit FDP und Grünen in Koalitionsverhandlungen zu kommen, obwohl alle Beteiligten das zunächst wollten.“ Merkel müsse sich fragen, warum sie keine Partner für eine Regierungsbildung finde und was sie anders machen müsse.

      Der Sprecher der ostdeutschen SPD-Abgeordneten im Bundestag, Stefan Zierke, nannte eine Neuwahl „die allerletzte Option“, die den Wählern nur schwer zu vermitteln sei. Vielmehr sei eine große Koalition nach wie vor möglich: „Neben einer Minderheitsregierung sind auch Gespräche über eine große Koalition denkbar, wenn wir uns über die Bedingungen einig sind“, sagte Zierke unserer Redaktion.

      Claudia Roth: „Wir brauchen jetzt eine Haltung der SPD“

      Die Grünen-Politikerin Claudia Roth forderte die SPD auf, ihre Absage an eine große Koalition zu überdenken. „Jetzt geht es darum, mit dem Wahlergebnis verantwortlich umzugehen. Wir brauchen jetzt eine Haltung der SPD“, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin Roth am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk. Es sei nun die Aufgabe von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, „zu überlegen, wie kriegt man es hin, die SPD nochmal dazu zu bewegen, ernsthaft darüber nachzudenken“.

      Merkel will keine Minderheitsregierung – darum ist das klug von der Kanzlerin

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        Wäre eine erneute Groko für die SPD wirklich so schlimm? Würden die Genossen mit dem Mal einer Umfallerpartei auf der Stirn durch die Republik laufen müssen? Mit einer geschickten und vor allem selbstbewussten Erzählung könnte es anders laufen, um einen Mitgliederentscheid pro Groko durchzusetzen. „Die FDP macht sich vom Acker, wir passen auf das Land auf“, sagt ein Genosse.

        SPD könnte Merkel unter Druck setzen

        Die SPD könnte von der Kanzlerin fast jeden Preis fordern – und Merkel nicht nur Zugeständnisse für Europa und die Ziele des französischen Präsidenten Emmanuel Macron abringen, sondern auch Herzensanliegen wie Mindestrenten, Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit und vieles mehr durchsetzen, die das Leben von Frauen, Familien und Arbeitern spürbar verbessern würden. Neben dem Außenministerium müsste die SPD auch das Finanzministerium beanspruchen, heißt es aus der Partei für den Fall der Fälle.

        Berechtigterweise antworten Sozialdemokraten auf solche Gedankenspiele mit dem Hinweis, das habe die Partei ja seit 2013 schon so gemacht. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag hatte eine klare SPD-Handschrift – am Ende landete die älteste deutsche Partei bei 20,5 Prozent. Aus dem linken Flügel heißt es, die Partei werde im Quadrat springen, wenn man vom Groko-Nein abrücke und die Jamaika-gerupfte Merkel wieder zur Kanzlerin mache.

        Sind Neuwahlen eine gute Option?

        Aber sind Neuwahlen klüger? Das Verhältnis zur Linken ist ungeklärt, zu den Grünen abgekühlt. Eigene Mehrheiten jenseits der Union sind nicht in Sicht. Und die SPD müsste den ganzen Wahlkampf bei der Frage herumeiern, wie sie denn zu einer Groko steht. In der Fraktionssitzung am Montagabend meldeten sich mehr als 30 Abgeordnete zu Wort.

        Für und gegen die Groko, aber auch sehr viele Stimmen gegen Neuwahlen, weil das für viele Abgeordnete zur Existenzfrage werden kann, wenn sie nicht wie geplant vier Jahre, sondern nur ein paar Monate im Parlament sitzen. „Neuwahlen wären ein Armutszeugnis“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

        Die Vorsitzende der SPD-Landesgruppe Baden-Württemberg, Katja Mast, plädierte für Ruhe und Besonnenheit: „Es besteht kein Grund zu Hektik und zu überstürzten Entscheidungen.“ Man müsse zunächst das Gespräch zwischen Schulz und dem Bundespräsidenten abwarten, sagte sie unserer Redaktion. (dpa/rtr/waz/gau)