Berlin/Frankfurt. Syrer sollen einen Anschlag in Deutschland geplant haben. Es gab mehrere Razzien. Den Tipp bekamen die Fahnder von einem Flüchtling.

Die lauten Schreie, die durchs Treppenhaus hallten, hatten ihn geweckt. Es war noch dunkel, zwischen vier und fünf Uhr morgens, im Wohnblock im Essener Schellingweg. Das erzählt Ayman Abduldayem (20). Er wohnt mit zwei Freunden im vierten Stock. Neben der Wohnung, in das ein Spezialkommando am Dienstagmorgen gestürmt war.

Wieder eine Razzia wegen Terrorverdachts: Die Polizei hat in mehreren deutschen Städten sechs Syrer festgenommen. Die Männer im Alter von 20 bis 28 Jahren sollen als Mitglieder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) einen Anschlag auf ein öffentliches Ziel in Deutschland geplant haben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt mit, die das Verfahren führt.

Anschlagsdrohung gegen Einkaufszentrum

Drei Verdächtige wurden während der Durchsuchung von acht Wohnungen in Kassel festgenommen, die anderen in Hannover, Leipzig und eben in Essen. Die Festgenommenen wurden im Laufe des Dienstags von Polizisten verhört. Zudem stellten die Ermittler Handys und Laptops sicher. Haftbefehle waren bis zum späten Dienstagnachmittag noch nicht beantragt worden. Nach Recherchen dieser Redaktion ist klar: Die Anschlagspläne waren nicht weit fortgeschritten.

http://Sechs_Syrer_unter_Terrorverdacht_festgenommen{esc#212607209}[agentur]

Hinweise auf ein konkretes Ziel hätten sich nach einer ersten Durchsicht der Materialien nicht ergeben, sagt auch Christian Hartwig, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, mit Blick auf Medienberichte, wonach durch die Festnahmen ein angeblich bevorstehender Terrorakt auf dem Essener Weihnachtsmarkt vereitelt worden sei. Und doch waren die Sicherheitsbehörden alarmiert. Nach Informationen der „Welt“ hatte ein Flüchtling der Polizei einen Tipp gegeben. Der Verdächtige in Essen wurde observiert.

Verdächtige als Asylbewerber eingereist

Nach Informationen dieser Redaktion beobachteten die Polizisten, wie er Fotos von Einkaufszentren in Essen machte – etwa am Limbecker Platz und an der Rathausgalerie. Spähte er Anschlagsziele aus? Als der Mann gefragt wurde, was er dort mache, soll er sich als Architekturstudent ausgegeben haben. Die Ermittler sind hellhörig geworden, da es bereits im März eine Anschlagsdrohung auf das Einkaufszentrum Limbecker Platz in der Innenstadt gegeben hatte. Es blieb anschließend mehrere Tage geschlossen.

Einen Zusammenhang der beiden Vorfälle schließen die Sicherheitsbehörden jedoch aus. Die Verdächtigen in den unterschiedlichen Städten in Deutschland standen miteinander in Kontakt. Vier der Verdächtigen waren im Dezember 2014 als Asylsuchende nach Deutschland eingereist. Die anderen kamen im August und September 2015. Unklar ist, ob sie sich schon aus Syrien kannten.

Immer wieder erhalten Polizei und Verfassungsschutz Hinweise von geflüchteten Syrern, Afghanen, Algeriern oder Irakern. Oftmals erkennen sie Personen wieder, die sie in ihrer Heimat einer Terrormiliz oder Truppen eines Regimes zuordnen. Andere wieder entdecken in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Telegram auffällige Fotos oder Chats. Die Sicherheitsbehörden erreichen „viele Hundert Hinweise“ von Asylbewerbern, sagte unlängst Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. „Ich halte weit über 80 Prozent der Hinweise für belastbar.“