Berlin/Kiel. Zwei Soldatinnen der Bundeswehr sollen auf einem Schießübungsplatz missbraucht worden sein. Hat ein Kamerad die Tat sogar gefilmt?

Die Bundeswehr hat einen 29-Jährigen Unteroffizier suspendiert, der beschuldigt wird, zwei Soldatinnen sexuell belästigt zu haben. Die mutmaßliche Vergewaltigung in der Todendorf-Kaserne im Kreis Plön in Schleswig-Holstein soll sogar von einem Kameraden gefilmt worden sein. Laut „Spiegel online“ wurde die Aufnahme allerdings gelöscht. Bislang sei es der Kieler Staatsanwaltschaft auch nicht gelungen, das Video wiederherzustellen.

Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts ist der Unteroffizier erst einmal vom Dienst befreit und darf keine Uniform tragen, wie ein Sprecher der Luftwaffe am Mittwoch bestätigte. Die mutmaßlichen Täter und die zwei Opfer gehören zur Abwehrraketengruppe 21 der Luftwaffe. Sie sind in der Nähe von Rostock stationiert und waren in Todendorf nur für einen Schießlehrgang.

Übergriffe nach Trinkgelage

Nach dem Abschluss wurde am vergangenen Donnerstag gefeiert und offenbar viel Alkohol getrunken. Danach habe der Unteroffizier die Soldatinnen im Alter von 18 und 22 Jahren auf ihrem Zimmer sexuell angegangen. Als das bekannt wurde, rückten die alarmierten Feldjäger an, nahmen den Mann noch in derselben Nacht zum 10. November fest und übergaben ihn anschließend der Polizei. Das ist die übliche Praxis, wenn der Verdacht besteht, dass schwere Delikte begangen worden sind.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). © dpa | Paul Zinken

Der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler sagte allerdings, „wir wissen derzeit nicht hundertprozentig, was der Beschuldigte getan haben soll und in welchem Umfang er alleine gegebenenfalls für die Taten verantwortlich sein kann“. Die Ermittlungen gingen weiter, so Bieler. Die beiden Frauen sind derweil wieder zurück in Rostock.

Die unklare Faktenlage ist vermutlich der Grund, warum sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Berlin bisher nicht zum Vorfall geäußert hat. Ihr war in den vergangenen Monaten bei Verstößen vorgeworfen worden, zu früh an die Öffentlichkeit gegangen und zu pauschal gewesen zu sein – nun wartet die Verteidigungsministerin lieber den Fortgang der polizeilichen Ermittlungen ab.

Bericht: Auch Vorgesetzte waren betrunken

Intern geht man gleichwohl der Frage nach, ob die Vorgesetzten Trinkgelage wie in der Todendorf-Kaserne dulden, mitmachen oder wie im konkreten Fall womöglich sogar selbst betrunken waren, wie jedenfalls die „Kieler Nachrichten“ gemeldet haben; und damit, ob die militärische Führung einen sexuellen Übergriff auf die jungen Soldatinnen mitbekommen, aber zunächst nichts unternommen hat, womöglich im Alkoholrausch den Vorfall auch völlig falsch einordnete.

Der Frauenanteil in der Truppe liegt bei 11,6 Prozent, insgesamt leisten 20.700 Soldatinnen in der Bundeswehr Dienst. Tendenz: seit Jahren steigend. Prägend sind die Frauen nur im Sanitätsdienst. Dort beträgt ihr Anteil nahezu 40 Prozent. Hingegen sind sie nach dem Bericht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels „nahezu unsichtbar“ in Führungspositionen und besonderen Verwendungen wie beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Von einem normalen Zusammenleben der Geschlechter könne im „jahrhundertelangen Männerverein“ Bundeswehr noch keine Rede sein, sagte Bartels. Jahr für Jahr wenden sich Soldatinnen an den Beauftragten, um über Mobbing in der Truppe oder – noch gravierender – sexueller Belästigungen zu klagen.

Wegen einer Party, die völlig aus dem Ruder lief, war die Bundeswehr bereits im Sommer ins Gerede gekommen, damals ausgerechnet bei den so genannten Elitesoldaten des (KSK).