Rakka. Die BBC nennt es „Rakkas schmutziges Geheimnis“: Die Befreiung der IS-Hauptstadt von der Terrormiliz lief anders. Das löst Sorgen aus.

Ein mehrere Kilometer langer Konvoi des IS mit mehreren Tausend Menschen hat die IS-Hauptstadt Rakka vor der Einnahme durch die von Kurden geführte Syrian Democratic Forces (SDF) unbehelligt verlassen dürfen. Das berichtet die BBC und wirft damit ein anderes Licht auf den Fall der Hochburg der Terrormiliz.

Dem Sender zufolge konnten so auch Anführer der Terrormiliz und viele ausländische Kämpfer mit großen Waffenvorräten entkommen. Der Westen schaute aus Rücksicht auf die Verbündeten zu, wie eine neue Gefahr entstehen konnte.

Es war bekannt, dass die Anführer der aus kurdischen und arabischen Einheiten zusammengesetzten SDF vor dem Fall von Rakka einen Deal ausgehandelt hatten mit den IS-Besatzern: Wer als IS-Angehöriger keine Verbrechen begangen habe, dürfe nach einer Prüfung gehen. Die BBC berichtet nun, dass es einen Massen-Exodus gab: Sie hat Lkw-Fahrer ausfindig gemacht, die am 12. Oktober die Angehörigen der Terrormiliz aus der Stadt bringen mussten.

Konvoi mit fast 200 Fahrzeugen

Demnach fuhren fast 50 Lkw, 13 Busse und mehr als 100 eigene Fahrzeuge des IS aus Rakka in einem Konvoi einen mehr als 200 Kilometer weiten Weg ostwärts in IS-kontrolliertes Gebiet an der Grenze zum Irak. Abgeschirmt von Kameras sei der Konvoi aus der Region begleitet worden. Der Sender gelangte aber an heimlich gemachte Aufnahmen:

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Ryan Dillon, Sprecher der US-geführten Koalition hat der BBC zufolge nach den Recherchen eingeräumt, dass fast 4000 Menschen aus der Stadt reisen durften. „Etwa 250 Kämpfer“ mit 3500 Familienmitgliedern seien das gewesen.

„Wir wollten eigentlich nicht, dass jemand entkommt“, zitiert der Sender den Sprecher. Ende August hatte Brett McGurk, US-Sonderbeauftragter für die Internationale Allianz gegen den Islamischen Staat, noch vollmundig getwittert: Unbelehrbare IS-Terroristen sollten auf dem Schlachtfeld getötet werden, nicht ohne Iraks Zustimmung an die irakische Grenze gekarrt werden“.

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Koalition beugte sich Wunsch der lokalen Anführer

Hier sei es aber um ein Grundprinzip der Strategie in dem Kampf gegen den IS gegangen, erklärt Sprecher Dillon: „von, mit und durch lokale Führer“. Heißt: Die Koalition beugte sich dem Wunsch des SDF, der auch den Kämpfern des IS gegenüber stand und dessen Soldaten ihr Leben riskieren.

Der Deal verhinderte viel Blutvergießen in Rakka, rettete vermutlich auch vielen Bewohnern der Stadt das Leben. Die kurdischen Truppen hätten mit vielen weiteren Opfern das Verhältnis zu der arabischen Bevölkerung nicht belasten wollen.

Auch Chef des IS-Geheimdienstes entkam zunächst

Allerdings ermöglicht die geheime Abmachung auch Terroristen, sich unkontrolliert in von ihm kontrollierten Gebieten neu aufzustellen. Manche Fahrzeuge seien schwer mit Waffen und Munition beladen gewesen. Auch das völlig anders, als bislang erklärt.

Im Konvoi aus Rakka entkam etwa auch der Chef des IS-Geheimdienstes in Rakka. An der syrisch-türkischen Grenze wurde er gefasst, nachdem er den Konvoi verlassen und mit Schmugglern den Weg dorthin unternommen hatte.

Viele ausländische Kämpfer entkommen

Der BBC-Bericht wirft zudem große Zweifel auf am Ziel der Koalition, ausländische Kämpfer nicht entkommen zu lassen, weil die bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatländern eine besondere Gefahr darstellen. Der Sprecher der Koalition sprach von vier ausländischen Kämpfern, die aber gefangen worden seien. Die Lkw-Fahrer berichteten der BBC dagegen, auf jedem ihrer Transporter seien drei oder vier ausländische IS-Kämpfer gewesen, die sie geschlagen und bedroht hätten.

Die BBC ist aber auch auf einen anderen Randaspekt des IS-Abzugs gestoßen. Reporter haben einen Händler gesprochen, bei dem der Konvoi Halt und der an dem Tag großen Reibach machte: Die Terroristen kauften demnach groß ein – und bezahlten brav. Auch ein Lkw-Fahrer bestätigt: „Die IS-Leute mögen mörderische Psychopathen sein, aber beim Bezahlen sind sie korrekt.“

Auf der Route hinterließen sie aber nicht nur Geld, sondern laut BBC auch Drohungen: „Wir kommen zurück.“ (law)