Berlin. Seit zwei Wochen sondieren Union, FDP und Grüne eine mögliche Koalition. Es bleibt schwierig: Am Freitag steht eine Zwischenbilanz an.

  • Gerade bei zentralen Themen hakt es noch immer gewaltig in den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen
  • Inzwischen wurden alle zwölf Themenblöcke, auf die sie sich verständigt hatten, besprochen
  • Aber nicht in allen Bereichen konnte man sich auf Arbeitspapiere verständigen

Bei zentralen Themen hakt es gewaltig in den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen. Nun wollen die Jamaika-Sondierer eine Zwischenbilanz ziehen. Nach gut zwei Wochen kommen die Parteien dazu am Freitag (13 Uhr) in großer Runde zusammen. Schon vor der Unterredung der mehr als 50 Unterhändler treffen sich die Verhandlungsführer der vier Parteien.

Union, FDP und Grüne haben inzwischen zwar alle zwölf Themenblöcke, auf die sie sich verständigt hatten, einmal besprochen. Doch längst nicht in allen Bereichen konnten sie sich auf Arbeitspapiere verständigen. Nicht nur bei den vermeintlich größten Knackpunkten Migration und Klima hakt es. Am Donnerstag wurden auch große Differenzen beim Thema Wirtschaft und Verkehr deutlich.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner zieht dennoch ein positives Zwischenfazit. „Mein Eindruck ist schon, dass alle Beteiligten den Erfolg wollen – nicht um jeden Preis, aber eben schon mit gutem Willen“, sagte sie der „Saarbrücker Zeitung“. Wichtig sei, „dass jeder den anderen mit seinem Markenkern leben lässt.“ Die Bereitschaft dazu sei da, sagte Klöckner.

Kubicki: Scheitern weiter denkbar

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hält hingegen ein Scheitern der Jamaika-Sondierungen weiter für möglich. Er machte „intensive Beziehungen“ zwischen CDU und Grünen aus und warnte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND): „Wenn Union und Grüne sich auf eine falsche Politik verständigen wollen, werden wir die einzigen sein, die widerstehen.“ Bayerns FDP-Chef Albert Duin bezeichnete eine Jamaika-Koalition als „Totgeburt“. „Der ideologische Hypermoralismus der Grünen macht jede Form einer gemeinsamen Regierungsbildung unmöglich“, sagte er dem RND.

In der Verkehrspolitik hakt es bei der Frage eines Enddatums des Verbrennungsmotors. Die Grünen wollen grundsätzlich, dass ab 2030 in Deutschland keine neuen Diesel- und Benzinmotoren mehr zugelassen werden.

Hofreiter: Sprechverbote zur Autoindustrie

Ein gemeinsames Papier sei daran gescheitert, dass die Union der Meinung gewesen sei, über Fragen der Autoindustrie hinsichtlich des fossilen Verbrennungsmotors dürfe man nicht sprechen, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist absurd.“ Es werde nicht funktionieren, wenn eine Seite glaube, am Beginn „Sprechverbote“ erteilen zu können.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte, es gehe nicht nur ums Auto, sondern um neue Mobilitätsakzente generell. „Wer schlechte Luft, tägliche Staus und den Stress vieler Pendler wirksam bekämpfen will, muss für moderne Busse und Bahnen, verständliche Ticketsysteme und Tarife, für Barrierefreiheit und Digitalisierung sorgen.“

Die bisherigen Zwischenstände im Überblick

Innen, Sicherheit, Rechtsstaat: Schnellstmöglich sollen zusätzliche Stellen für die Polizei geschaffen werden, sowohl auf Bundesebene als auch in den Ländern. Zudem soll es eine bundesweit einheitliche Abwehr von Gefahren und Angriffen aus dem Internet geben. Der Datenschutz bei der Polizei soll verbessert, der Kampf gegen terroristische Gefahren zentraler organisiert werden.

Trotzdem sollen weiterhin Behörden-Kompetenzen auf Länder- und Bundesebene existieren, aber besser abgestimmt. Die Kontrollen an den EU-Außengrenzen sollen verbessert und an Kriminalitätsschwerpunkten Videoüberwachungen angeordnet werden dürfen.

Arbeit, Rente, Gesundheit, Pflege, Soziales: Die Situation in der Pflege und Medizin soll sich insbesondere im ländlichen Raum verbessern. Dazu müsse es mehr Personal und eine bessere Ausstattung geben, hieß es. Besonderen Handlungsbedarf sehen die vier Parteien bei der Notfallversorgung.

Der Mindestlohn soll weiter Bestand haben, als großes Ziel wird Vollbeschäftigung in Deutschland genannt. Ferner sollen Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent stabilisiert werden, über die Absenkung der Arbeitslosenbeiträge soll zumindest weiter nachgedacht werden. Die Tarifautonomie soll weiter gestärkt werden. Für die Rente mit 63 Jahren sollen „flexiblere Übergänge“ zumindest nicht ausgeschlossen bleiben.

Finanzen: Die Unterhändler sind entschlossen, einen ausgeglichenen Haushalt einzuhalten. Zudem soll der Solidaritätszuschlag abgebaut werden, offen ist wann und für wen. Auch für Steuererleichterungen zeigten sich die Verhandler grundsätzlich offen.

Jamaika-Runde berät über Verkehr und Landwirtschaft

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    Europa: Neben einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einem geeinten Europa und zur „herausgehobenen Bedeutung“ der deutsch-französischen Zusammenarbeit gab es hier noch nichts Substanzielles.

    Klima, Energie, Umwelt: Nach Streitereien bekannten sich CDU, CSU, FDP und Grüne zu den deutschen und internationalen Klimazielen für 2020, 2030 und 2050. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, ist aber offen.

    Bildung, Forschung, Innovation, Digitales, Medien: Die Ausgaben für Bildung und Forschung sollen deutlich gesteigert und die digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Bis zum Jahr 2025 sollen dazu mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgewendet werden. Der Breitbandausbau soll vorangetrieben werden, Funklöcher sollen von der Landkarte verschwinden.

    Jamaika-Parteien wollen bezahlbaren Wohnraum für alle

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      Kommunen, Wohnen, Ehrenamt, Kultur, Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen: Der Wohnungsbau soll angekurbelt werden, die Kommunen wollen die Parteien stärken. Die kommunale Selbstverwaltung bleibt unangetastet, strukturschwachen Kommunen soll auch zum Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts finanziell geholfen werden. Die Aufarbeitung der NS-Geschichte und der DDR-Diktatur soll weiter intensiviert werden.

      Landwirtschaft, Verbraucherschutz: Die wirtschaftlichen Interessen der Landwirte sollen besser in Einklang mit dem Klima-, Boden- und Gewässerschutz gebracht werden. Die genauen Instrumente sind offen. Einigkeit besteht aber, „dass die Kosten nicht einseitig zu Lasten der Bauern gehen“ dürften.

      Grundsätzlich sollen weniger Chemikalien zum Einsatz kommen. Für Verbraucher wollen die möglichen Partner neue Klagewege für Fälle mit Tausenden Betroffenen wie beim Diesel-Skandal prüfen. Diskutiert werden soll auch über mehr digitale Kundenrechte.(dpa)