Berlin. Einfache Rezepte gegen die Radikalisierung sind illusionär. Die Schwachstelle von Tätern liegt im Internet. Dort muss angesetzt werden.

Was ist nur los mit jungen muslimischen Männern, die es zunächst in den Westen zieht? Was treibt sie an, dass sie sich im Schatten der Legalität radikalisieren, dunkle Kanäle aufbauen und dann mit der Wucht des Terrors diejenigen töten, die ihnen Schutz bieten und eine Existenz erst ermöglichen? Was geht in ihren Gehirnen, was in ihren Seelen vor?

Diese Fragen drängen sich auf, nachdem in New York ein 29-jähriger Mann aus Usbekistan mit seinem Kleinlaster in einen belebten Fußgänger- und Radweg rast und ein 19-jähriger Syrer in einem Schweriner Plattenbau Chemikalien zum Bombenbau sammelt – und glücklicherweise vor einem tödlichen Schlag gefasst wird. Zwei Tatorte, zwei Biografien, und doch gibt es gemeinsame Muster.

Auf scheinbare Stabilität folgt Radikalisierung

Der Attentäter von New York kam 2010 über eine Green-Card-Verlosung aus der muslimisch geprägten Ex-Sowjet-Republik Usbekistan in die USA. Alles rechtmäßig. Er war zunächst unauffällig, arbeitete als Lastwagenfahrer und später für den Fahrdienst Uber. Irgendwo zwischen Ohio, Florida und New Jersey suchte er offenbar den Kontakt zu Mitgliedern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Zunächst wohl über das Internet. Und irgendwann reifte sein Entschluss, unschuldige Menschen zu töten.

Attentäter von New York stand in Verbindung zum IS

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    Der syrische Flüchtling Yamen A. – damals 17 Jahre alt – strandete im September 2015 als unbegleiteter Minderjähriger in Mecklenburg-Vorpommern. Nach seinem Asylantrag im Februar 2016 erhielt er zwei Monate später eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Auch hier kam es nach einer scheinbaren Stabilität am Anfang des Aufenthalts im Gastland zur islamistischen Radikalisierung. Yamen A. streckte die Fühler nach Leuten im dschihadistischen Spektrum aus. Im Sommer 2017 soll er begonnen haben, in sozialen Netzwerken nach Anleitungen zur Herstellung einer Bombe zu suchen.

    Islamisten suchen nach „einsamen Wölfen“

    Klar ist: Nachdem das IS-Kalifat in Syrien und im Irak immer weiter zusammenbröselt, suchen die Propagandisten des islamistischen Terrors verzweifelt nach „einsamen Wölfen“ – Einzeltätern, die im dunklen Winkel einer westlichen Großstadt ihre heimtückischen Terrorpläne schmieden.

    In den Rekrutierungs-Plattformen des IS ist seit geraumer Zeit die Rede von Anschlägen mit Lastwagen, Messern oder Bomben. Insbesondere die Lkw-Attacken sind für Täter ohne großen logistischen Aufwand durchzuführen, die Pläne hierzu im Vorhinein schwer auszumachen. Seit dem Attentat von Nizza am 14. Juli 2016 führte die tödliche Spur durch Berlin, London, Barcelona, Cambrils und zuletzt New York.

    Argentinien trauert um fünf Anschlagsopfer von New York

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      Achillesferse von Einzentätern ist das Internet

      Auch wenn rechte Populisten dies immer wieder vorzugaukeln versuchen: Es gibt keine Patentrezepte gegen den Terror. Die schnellen Vorstöße von US-Präsident Donald Trump – drastische Verschärfung des Einwanderungsrechts oder Vernehmung des Attentäters in Guantanamo – sind reiner Aktionismus zur Ruhigstellung der eigenen Parteibasis. In der Praxis helfen sie kaum weiter.

      Doch das Terrorrisiko kann zumindest vermindert werden, wenn die Behörden ihre Hausaufgaben machen. Die Achillesferse von Einzeltätern ist das Internet. Zur Vorbeugung gegen diese Art von Cyber-Kriminalität müssen Regierungen noch mehr investieren. Der Datenaustausch von Geheimdiensten, Polizeistellen und Kriminalämtern funktioniert mittlerweile besser, aber noch nicht gut genug. Und schließlich dürfen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht im Bermuda-Dreieck der Bürokratie zwischen Bund, Ländern und Kommunen abtauchen. Garantien gegen neue Anschläge lassen sich daraus nicht ableiten. Aber es sind Hebel, die die westlichen Demokratien wehrhafter machen.