Madrid/Brüssel. Der Ex-Regierungschef Puigdemont sucht kein Asyl in Brüssel. Bei bestimmten „Zusicherungen“ will er nun in seine Heimat zurückkehren.

Der wegen Rebellion angeklagte katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont soll noch diese Woche vor Gericht in Spanien erscheinen. Damit gerät sein Plan, vorerst von Belgien aus die Unabhängigkeit Kataloniens voranzutreiben, ins Wanken.

Denn folgen Puigdemont und die anderen 13 Angeklagten nicht der Vorladung, können Haftbefehle folgen, die auch von belgischen Behörden ausgeführt werden müssten. Die Angeklagten sollen zudem binnen drei Tagen den Betrag von über 6,2 Millionen Euro hinterlegen, wie Richterin Carmen Lamela mitteilte. Das sind die geschätzten Kosten des für illegal erklärten Unabhängigkeits-Referendums vom 1. Oktober.

Puigdemont fordert „Garantien“ für Rückkehr

Puigdemont und anderen Angeklagten werden unter anderem Auflehnung gegen die Staatsgewalt, Rebellion und Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Dafür drohen bis zu 30 Jahre Haft.

Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont hatte zuvor angekündigt von der EU-Hauptstadt Brüssel aus weiter für eine Unabhängigkeit Kataloniens kämpfen. Er suche in Belgien kein politisches Asyl und wolle sich auch nicht vor der spanischen Justiz verstecken, sagte er am Dienstag in der belgischen Hauptstadt.

Nach Spanien wolle er aber erst zurückkehren, wenn er „Garantien“ für eine faire Behandlung bekomme. „Ich bin hier, um in Freiheit und Sicherheit zu handeln.“ Die von der spanischen Regierung angesetzten Neuwahlen in Katalonien im Dezember wolle er akzeptieren.

Heimlich nach Belgien gereist

Puigdemont war zusammen mit mehreren seiner separatistischen Mitstreiter heimlich nach Belgien ausgereist. Die Staatsanwaltschaft in Spanien hatte am Montag Anklage gegen Puigdemont und weitere Mitglieder der abgesetzten Regionalregierung erhoben. Ihnen werden unter anderem Auflehnung gegen die Staatsgewalt, Rebellion und Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung droht ihnen in Spanien eine bis zu 30 Jahre lange Haftstrafe. Puigdemont sprach von insgesamt neun seiner Leute in Belgien.

„Wir haben uns nach Brüssel verlegt, um das katalanische Problem im institutionellen Herzen Europas zu erläutern und (...) um der Welt das schwerwiegende demokratische Defizit zu zeigen, das es im spanischen Staat gibt“, sagte Puigdemont in Brüssel. Zudem habe er „jede Art von Konfrontation“ vermeiden wollen, die bei seinem Verbleib in Katalonien hätte drohen können.

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    Wie lange er in Belgien bleibe, sei noch unklar. Das komme auf die Umstände an, sagte Puigdemont. „Wir wollen nicht vor unserer Verantwortung vor der Justiz fliehen.“

    Die wirtschaftsstarke Region Katalonien steht derzeit unter Zwangsverwaltung aus Madrid, weil die Separatisten am Freitag im Parlament einseitig eine Unabhängigkeitserklärung abgegeben hatten. Diese setzte das Verfassungsgericht am Dienstag aus. Derweil ließ der Oberste Gerichtshof die Klage gegen die Ex-Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, und fünf weitere Mitglieder des Parlaments zu.

    Gegen Puigdemont und seine Begleiter besteht kein Haftbefehl. „Wir können uns frei in der Europäischen Union bewegen“, sagte Puigdemont in Brüssel. Gleichzeitig sagte er, seine Ausreise habe nichts mit Belgien oder der belgischen Politik zu tun.

    Kein Kontakt mit EU-Kommission

    In Belgien gibt es eine starke flämische Unabhängigkeitsbewegung. Die flämischen Nationalisten hatten teils auch mit den Katalanen sympathisiert. Der belgische Vize-Premierminister Kris Peeters - selbst nicht Mitglied der flämischen Nationalistenbewegung – kritisierte Puigdemont allerdings. „Wenn man Unabhängigkeit ausruft, bleibt man besser in der Nähe seines Volkes“, sagte Peeters dem Sender VRT.

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      Belgiens Ministerpräsident Charles Michel sagte nach Angaben der Agentur Belga, Puigdemont sei weder auf Einladung noch auf Initiative seiner Regierung in Belgien. Im grenzfreien Schengen-Raum sei es ihm möglich, ohne weitere Formalitäten in Belgien zu sein. Bei der EU-Kommission hieß es, man habe keinen Kontakt mit Puigdemont gehabt.

      Die Krise in Katalonien hatte Anfang Oktober mit einem Unabhängigkeitsreferendum an Fahrt aufgenommen, das das Verfassungsgericht eigentlich verboten hatte. Die konservative spanische Regierung von Mariano Rajoy hat mittlerweile in der Region im Nordosten Spaniens Neuwahlen für den 21. Dezember ausgerufen.

      Mehr Menschen für Unabhängigkeit

      Er wolle die Ergebnisse der Wahl respektieren, sagte Puigdemont in Brüssel. An Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy appellierte er, dasselbe zu tun. „Wir wollen unsere Politik im Herzen Europas vorantreiben“, sagte er. In Katalonien sei die Demokratie durch die spanische Zentralregierung verletzt worden. „Wir werden dagegen weiter Widerstand leisten.“

      Nach einer Umfrage würden die Unabhängigkeitsbefürworter wieder gewinnen. Die Koalition Junts pel Sì, der auch die Partei von Puigdemont angehörte, käme auf zwischen 60 und 63 Abgeordnete (von 135) im Parlament in Barcelona, geht aus einer Umfrage des katalanischen Meinungsforschungsinstituts Centre d’Estudis de Opinió de la Generalitat hervor, die unter anderen die Zeitung „El País“ am Dienstag veröffentlichte. Bei den Wahlen in Katalonien im Jahr 2015 kam die Koalition auf 62 Abgeordnete.

      Zudem sprachen sich laut der Umfrage jetzt mehr Menschen für eine Unabhängigkeit aus, als noch vor dem umstrittenen Referendum. 48,7 Prozent seien nun für eine Unabhängigkeit von Spanien, das seien 7,6 Prozentpunkte mehr als noch bei der letzten Befragung im Juni. (dpa)