Madrid/Barcelona. Bis zur Neuwahl im Dezember wird Katalonien von Madrid aus gelenkt. Belgiens Migrationsministers brachte Asyl für Puigdemont ins Spiel.

  • Wider alle Erwartungen ist es in Katalonien bislang ruhig geblieben
  • Belgien will Katalanen, die sich politisch verfolgt fühlen, Asyl anbieten
  • Dem abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont könnten bis zu 30 Jahre Haft drohen

Nach der Entmachtung der katalanischen Separatisten durch die spanische Zentralregierung in Madrid ist es in der Region wider alle Erwartungen ruhig geblieben. Die allgemein befürchteten Proteste der Unabhängigkeitsbefürwortergegen die Absetzung der Regierung von Carles Puigdemont blieben am Samstag sowohl in Barcelona als auch in anderen Gebieten Kataloniens zunächst aus. Die Amtsgeschäfte Puigdemonts übernahm am Samstag offiziell Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy.

Nach Medienberichten hat Rajoy Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte in Katalonien betraut.

Belgisches Asylangebot für Puigdemont erntet Kritik

Puigdemont hatte am Samstag zwar zum friedlichen „demokratischen Widerstand“ gegen die von Madrid beschlossenen Zwangsmaßnahmen aufgerufen. Doch seine aufgezeichnete TV-Rede wurde von Medien und Beobachtern als weniger resolut bezeichnet als erwartet. Der 54-Jährige deutete an, dass er seine Amtsenthebung nicht anerkennt. Man wolle weiter dafür arbeiten, ein „freies Land“ zu gründen, auch wenn man sich „der aktuellen Schwierigkeiten“ bewusst sei, sagte er.

Unterdessen erntete ein nationalistischer belgischer Politiker auch im eigenen Land Kritik mit seinem Asyl-Vorschlag an die abgesetzte katalanische Regionalregierung. Theo Francken, Belgiens Staatssekretär für Asyl und Migration, hatte am Sonntag sein Land als möglichen Zufluchtsort für Kataloniens Regionalpräsidenten Carles Puigdemont ins Spiel gebracht. Belgien ist eines der wenigen EU-Mitgliedsländer, in dem andere EU-Bürger Asyl beantragen können.

Doch Regierungschef Charles Michel hält wenig von diesem Vorstoß. Für Michel sei ein mögliches Asyl für Puigdemont „absolut nicht auf der Agenda“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Belga. „Ich bitte Theo Francken kein Öl ins Feuer zu gießen“, sagte Michel und forderte Madrid und Barcelona zum Dialog auf. Franckens Meinung sei nicht die offizielle Position der belgischen Regierung, betonte auch Regierungsvize Alexander de Croo.

Puigdemont könnten bis zu 30 Jahre Haft drohen

Katalanen, die sich politisch verfolgt fühlten, könnten in Belgien um Asyl ersuchen, hatte Francken dem flämischen Sender VTM News zuvor gesagt. „Es ist nicht unrealistisch.“ Bislang sei kein solcher Antrag eingegangen, fügte der Politiker der nationalistisch-flämischen Partei N-VA hinzu. In der Vergangenheit hätten aber baskische Nationalisten Asyl beantragt.

Nach Medienberichten könnte die spanische Generalstaatsanwaltschaft am Montag die Festnahme des liberalen Politikers anordnen. Ob Puigdemont etwa der Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder gar der Rebellion beschuldigt werden könnte, war vorerst nicht bekannt. Im letzten Fall drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft.

Menschen demonstrieren für Einheit

Demonstranten protestieren in Barcelona für ein geeintes Spanien.
Demonstranten protestieren in Barcelona für ein geeintes Spanien. © Getty Images | Jack Taylor

In Barcelona gingen am Sonntag hunderttausende Menschen auf die Straße, um für die Einheit Spaniens zu demonstrieren. Viele der geschätzten 300.000 Demonstranten hielten die spanische Nationalfahne hoch. Bei ihrem Marsch durch das Zentrum der katalanischen Hauptstadt am Sonntag skandierten sie unter anderem „Viva España“, „Ich bin Spanier“ oder „Barcelona gehört zu Spanien“. Sie forderten auch die Festnahme von Puigdemont.

Zu der Kundgebung hatte die prospanische Sociedad Civil Catalana (SCC) unter dem Motto „Wir sind alle Katalonien!“ aufgerufen. In einer Mitteilung teilte die Organisation mit, man wolle dafür arbeiten, dass es zu einer Versöhnung zwischen Unionisten und Separatisten komme und in der Region im Nordosten Spaniens künftig Besonnenheit und ein friedliches Zusammenleben herrschten.

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Neuwahlen am 21. Dezember

Der Senat in Madrid hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 den Weg für die Entmachtung der Regierung und Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht. Auch die übrigen Mitglieder der Regierung in Barcelona wurden mit der Veröffentlichung im Amtsblatt am Samstag für abgesetzt erklärt. Insgesamt mussten 150 Regierungsmitarbeiter gehen. Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt.

Die Rede von Puigdemont wollte die Zentralregierung unterdessen nicht kommentieren. Es hieß lediglich, man „bewertet die Äußerungen des Herrn Puigdemont nicht“. Mit den Aktionen des früheren Regionalpräsidenten müsse sich nun die Justiz beschäftigen.

Bei der Neuwahl am 21. Dezember müssen die Separatisten Kataloniens allerdings nach einer Umfrage mit einem Verlust der Mehrheit im Regionalparlament rechnen. Bei einem Urnengang zum jetzigen Zeitpunkt würden die drei nach Unabhängigkeit der spanischen Region strebenden Parteien zusammen auf höchstens 42,5 Prozent der Stimmen und damit 65 Sitze kommen, wie aus einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des angesehenen Forschungsinstituts Sigma Dos im Auftrag der Zeitung „El Mundo“ hervorgeht. Für die absolute Mehrheit sind in Barcelona mindestens 68 Sitze nötig.

Das Parlament in Barcelona hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt - allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Straßen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung. (dpa)