Straßburg. Nicht nur in Hollywood, auch in Brüssel und Straßburg ist sexueller Missbrauch ein Problem. Am Mittwoch diskutierte das EU-Parlament.

Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein haben Medienberichte über sexuelle Belästigung auch im Europaparlament die EU-Abgeordneten in Zugzwang gebracht.

Über eine Stunde lang diskutierten sie am Mittwoch und kamen fraktionsübergreifend zu dem Schluss: Die Vorwürfe und die bestehenden Beschwerdemöglichkeiten im Parlament müssen von externen Experten überprüft werden. Am Donnerstag soll über eine entsprechende Resolution abgestimmt werden.

„Wir auch“ schrieben EU-Abgeordnete

Zuvor hat die britische „Times“ (Bezahlangebot) und das US-Politmagazin „Politico“ über schwere sexuelle Belästigungen auch im Europaparlament berichtet. Mehrere Abgeordnete und Mitarbeiter forderten vorab in einer E-Mail an EU-Parlamentspräsident Antoni Tajani einen „radikalen Wandel“.

„Wir auch“, hatten mehrere Abgeordnete und Mitarbeiter am Montag an Tajani geschrieben. Sie griffen damit den Hashtag #MeToo auf, der sich im Zusammenhang mit dem Weinstein-Skandal in den sozialen Netzwerken verbreitet hatte. Frauen berichten unter dem Stichwort von ihren Erlebnissen mit sexuellen Übergriffen.

Tajani verspricht „ganz harte Sanktionen“

„Auch wir sind entweder Opfer oder Zeugen von Missbrauch geworden, von sexistischen Kommentaren und Verhaltensweisen, von sexueller Belästigung und Übergriffen an diesem Arbeitsplatz, durch Abgeordnete oder Mitarbeiter“, heißt es in der E-Mail an Tajani.

Neue Missbrauchsvorwürfe gegen Harvey Weinstein

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    Der hatte sich schon am Montag „schockiert“ gezeigt angesichts der Vorwürfe und „ganz harte Sanktionen“ versprochen. Änderungsbedarf oder die Notwendigkeit unabhängiger Untersuchungen sah er aber nicht: „Man sollte das nicht in externe Hände geben.“

    Das EU-Parlament habe doch bereits seit 2014 ein Gremium, an das sich Opfer wenden könnten. Wie zum Beweis hielt Tajani einen bunten Zettel in die Höhe: Das sei ein Leitfaden mit Ansprechpartnern. „Wir werden sehen, wie viele Personen sich melden.“ Viele Beschwerden gebe es bisher nicht.

    Keine Beschwerdestelle nur für Fälle sexueller Belästigung

    Mehr Rückmeldungen sammelte derweil „Politico“. Über 30 Berichte von Vergewaltigungen, Übergriffen und Belästigungen im Zusammenhang mit dem EU-Parlament habe man mittlerweile von Betroffenen bekommen.

    Diese Frauen belasten Harvey Weinstein

    Der Skandal um  Filmproduzent Harvey Weinstein: Die Schauspielerin und Regisseurin Angelina Jolie sagte, sie habe in ihrer Jugend ein schlechtes Erlebnis mit Weinstein gehabt und danach nie wieder mit ihm gearbeitet. Andere Frauen habe sie vor einer Zusammenarbeit mit ihm gewarnt. Diese Schauspielerinnen werfen dem Filmproduzenten sexuelle Belästigung vor.
    Der Skandal um Filmproduzent Harvey Weinstein: Die Schauspielerin und Regisseurin Angelina Jolie sagte, sie habe in ihrer Jugend ein schlechtes Erlebnis mit Weinstein gehabt und danach nie wieder mit ihm gearbeitet. Andere Frauen habe sie vor einer Zusammenarbeit mit ihm gewarnt. Diese Schauspielerinnen werfen dem Filmproduzenten sexuelle Belästigung vor. © REUTERS | MARIO ANZUONI
    Harvey Weinstein habe Gwyneth Paltrow nach einem Casting in sein Hotelzimmer mitgenommen, seine Hände auf ihren Körper gelegt und ihr eine Massage angeboten, wie die Schauspielerin der „New York Times“ sagte.
    Harvey Weinstein habe Gwyneth Paltrow nach einem Casting in sein Hotelzimmer mitgenommen, seine Hände auf ihren Körper gelegt und ihr eine Massage angeboten, wie die Schauspielerin der „New York Times“ sagte. © Getty Images for Michael Kors | Dimitrios Kambouris
    Auch Oscar-Gewinnerin Lupita Nyong’o berichtet von Annäherungsversuchen Weinsteins. Er habe die 34-Jährige vor den Augen seiner Kinder in sein Schlafzimmer geleitet. Dort habe er angekündigt, seine Hosen auszuziehen. Nyong’o sei daraufhin aus dem Zimmer geflohen.
    Auch Oscar-Gewinnerin Lupita Nyong’o berichtet von Annäherungsversuchen Weinsteins. Er habe die 34-Jährige vor den Augen seiner Kinder in sein Schlafzimmer geleitet. Dort habe er angekündigt, seine Hosen auszuziehen. Nyong’o sei daraufhin aus dem Zimmer geflohen. © imago/Future Image | Dennis Van Tine
    Kate Beckinsale schrieb auf Instagram, der Filmproduzent habe sie als 17-Jährige in sein Hotelzimmer eingeladen. Als Weinstein die Tür öffnete, habe er nur einen Bademantel getragen.
    Kate Beckinsale schrieb auf Instagram, der Filmproduzent habe sie als 17-Jährige in sein Hotelzimmer eingeladen. Als Weinstein die Tür öffnete, habe er nur einen Bademantel getragen. © imago/Cinema Publishers Collection | Jean Cummings
    Die britische Schauspielerin Lena Headey sagte, Weinstein habe sie ebenfalls in einem Hotelzimmer sexuell belästigt. Als sie sich dem Filmproduzenten entzog, habe er Headey grob in den Aufzug des Hotels geschoben.
    Die britische Schauspielerin Lena Headey sagte, Weinstein habe sie ebenfalls in einem Hotelzimmer sexuell belästigt. Als sie sich dem Filmproduzenten entzog, habe er Headey grob in den Aufzug des Hotels geschoben. © dpa | Paul Buck
    Weinstein soll die italienische Schauspielerin Asia Argento 1997 vergewaltigt haben. Dem „New Yorker“ sagte sie: „Wenn ich ihn sehe, fühle ich mich klein und dumm und schwach.“
    Weinstein soll die italienische Schauspielerin Asia Argento 1997 vergewaltigt haben. Dem „New Yorker“ sagte sie: „Wenn ich ihn sehe, fühle ich mich klein und dumm und schwach.“ © Getty Images | Pascal Le Segretain
    Auch die US-Schauspielerin Rose McGowan soll von Harvey Weinstein vergewaltigt worden sein. Sie beschuldigt die Produktionsfirma Amazon Studios, ein Projekt mit McGowan fallengelassen zu haben, nachdem sie einem Amazon-Verantwortlichen davon erzählt habe.
    Auch die US-Schauspielerin Rose McGowan soll von Harvey Weinstein vergewaltigt worden sein. Sie beschuldigt die Produktionsfirma Amazon Studios, ein Projekt mit McGowan fallengelassen zu haben, nachdem sie einem Amazon-Verantwortlichen davon erzählt habe. © dpa | Peter Foley
    Model und Schauspielerin Cara Delevingne behauptete, Weinstein habe ihr in seinem Hotelzimmer befohlen, eine andere Frau zu küssen. Er soll zudem versucht haben, Delevingne einen Kuss auf den Mund zu geben.
    Model und Schauspielerin Cara Delevingne behauptete, Weinstein habe ihr in seinem Hotelzimmer befohlen, eine andere Frau zu küssen. Er soll zudem versucht haben, Delevingne einen Kuss auf den Mund zu geben. © Getty Images | Tristan Fewings
    Oscar-Gewinnerin Mira Sorvino soll ebenfalls in einem Hotelzimmer von Weinstein belästigt worden sein. Zudem soll er eines Nachts unangekündigt vor ihrer Wohnungstür gestanden haben.
    Oscar-Gewinnerin Mira Sorvino soll ebenfalls in einem Hotelzimmer von Weinstein belästigt worden sein. Zudem soll er eines Nachts unangekündigt vor ihrer Wohnungstür gestanden haben. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
    Nach Aussage der französischen Schauspielerin Lea Seydoux soll Harvey Weinstein in seinem Hotelzimmer unvermittelt auf sie losgegangen sein und versucht haben, sie zu küssen.
    Nach Aussage der französischen Schauspielerin Lea Seydoux soll Harvey Weinstein in seinem Hotelzimmer unvermittelt auf sie losgegangen sein und versucht haben, sie zu küssen. © Getty Images | Pascal Le Segretain
    Die Schauspielerin Heather Graham berichtete dem Branchenmagazin „Variety“, bei einem Casting habe Weinstein ihr gesagt, er habe die Erlaubnis seiner Frau mit anderen zu schlafen.
    Die Schauspielerin Heather Graham berichtete dem Branchenmagazin „Variety“, bei einem Casting habe Weinstein ihr gesagt, er habe die Erlaubnis seiner Frau mit anderen zu schlafen. © imago/Future Image | imago stock&people
    Auch Schauspielerin Ashley Judd berichtete von Belästigungen seitens des Filmproduzenten. In seinem Hotelzimmer habe Weinstein sie wiederholt gefragt, ob sie ihn massieren oder ihm beim Duschen zuschauen wolle.
    Auch Schauspielerin Ashley Judd berichtete von Belästigungen seitens des Filmproduzenten. In seinem Hotelzimmer habe Weinstein sie wiederholt gefragt, ob sie ihn massieren oder ihm beim Duschen zuschauen wolle. © imago/Xinhua | imago stock&people
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    Sozialdemokraten, Linke und Grüne hatten für eine Beschwerdestelle nur für Fälle sexueller Belästigung plädiert, konnten sich damit aber zunächst nicht durchsetzen. Das bereits existierende Gremium befasst sich etwa auch mit Mobbing.

    Die Vorsitzende Elisabeth Morin-Chartier von der christdemokratische EVP-Fraktion lehnte einen speziellen Ausschuss ab. „Weil zwischen sexueller Belästigung und psychologischer Belästigung die Grenze sehr, sehr subtil ist.“

    Als erster von wenigen Männern auf der Rednerliste ergriff der Deutsche Udo Bullmann das Wort. Er sprach von einer „zwingend notwendigen Debatte“. „Es geht um mehr als individuelles Fehlverhalten“. Der SPD-Abgeordnete prangerte eine „Kultur der Zulässigkeit von Übergriffen“ an, die immer etwas „mit dümmlichen Dominanzverhalten“ zu tun habe. Dem müsse „eine Kultur des Respekts“ entgegengesetzt werden - im Parlament, in Europa.

    Wie geht es jetzt weiter? EU-Kommissarin Cecilia Malmström bat die Abgeordneten zum Schluss der Debatte: „Bitte lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Arbeit nach der Abstimmung morgen nicht aufhört.“ Die Tschechin Angelika Mlinar (Liberale) gab als Ziel einen neuen Hashtag aus: #notme. (dpa)