Madrid/Barcelona. Nach dem verstrichenen Ultimatum droht der Konflikt in Spanien zu eskalieren. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und Antworten.

Nach dem Ablauf des Ultimatums im Konflikt um Katalonien könnte sich die Situation weiter verschärfen. Die Zentralregierung in Madrid hat nun Maßnahmen gegen Barcelona angekündigt. Was bedeutet das genau? Fünf wichtige Fragen und Antworten.

Welche Pläne verfolgt die Zentralregierung in Madrid?

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy will vom Verfassungsartikel 155 Gebrauch machen: Dieser erlaubt es der Regierung, „die notwendigen Mittel zu ergreifen“, um eine autonome Region zur Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten zu zwingen.

Was steht im Artikel 155 und warum ist er so wichtig?

Der Artikel 155 der spanischen Verfassung wird wegen seiner Schärfe auch als „nukleare Option“ bezeichnet. Er besagt, dass die Regionalregierungen des Landes dazu verpflichtet sind, die Verfassung und das allgemeine Interesse Spaniens einzuhalten. Tut eine der 17 autonomen Regionen dies nicht, kann die Regierung in Madrid die Regionalregierung entmachten.

Madrid droht Katalanen mit Entzug von Autonomie

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    Der Artikel berechtigt die Zentralregierung, die „erforderlichen Maßnahmen“ zu ergreifen, um die autonome Gemeinschaft „zur zwingenden Erfüllung dieser Verpflichtungen und zum Schutz besagten Allgemeininteresses anzuhalten“. Der Artikel ist in Spanien seit Inkrafttreten der Verfassung im Jahr 1978 bisher nie zur Anwendung gekommen.

    Was sind „erforderliche Maßnahmen“?

    Das ist unklar. Denn welche Handlungen konkret ergriffen werden können, ist im Artikel nicht festgelegt. „Um die vorgesehenen Maßnahmen (...) umzusetzen, kann die Regierung allen Behörden der autonomen Gemeinschaften Anweisungen geben“, heißt es vage im 2. Absatz der Verfassungsartikels.

    Welche Weisungen dies genau sein könnten, müsste zunächst festgelegt werden. Auch gibt die Verfassung keinen Zeitrahmen für die Aktivierung von Artikel 155 vor. Theoretisch wäre auch ein militärisches Eingreifen möglich. Dieses halten Beobachter aber bisher für unwahrscheinlich.

    Kann der Artikel 155 sofort angewendet werden?

    Nein. Es wird vermutlich einige Tage oder Wochen dauern, bis er voll angewendet werden könnte. Denn zuvor müsste Ministerpräsident Mariano Rajoy einige vorgegebene Schritte einhalten.

    Zuerst müsste die Zentralregierung den Chef der Regionalregierung – also Kataloniens Carles Puigdemont – offiziell auffordern, die in der Verfassung verankerten Pflichten einzuhalten. Sollte dieser sich weigern, müsste Rajoy den Senat einschalten, in dem seine konservative Volkspartei PP über eine absolute Mehrheit verfügt. Diese Mehrheit ist nötig, um die Anwendung des Artikels 155 zu billigen.

    Wie könnte der Konflikt entschärft werden?

    Ein Verzicht auf die Anwendung von Artikel 155 wäre nach Informationen aus Regierungskreisen möglich, wenn Puigdemont eine vorgezogene Neuwahl für das Regionalparlament in Barcelona ansetzen würde, wie die Zeitung „El Pais“ berichtete.

    Eine solche Entscheidung könnte demnach als eine Rückkehr zur Legalität betrachtet werden, womit Zwangsmaßnahmen nach Artikel 155 verzichtbar würden. Allerdings haben sich führende Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gegen vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen. (les/dpa)