Berlin. Der Widerstand gegen die EU-Pläne für die Absicherung von Sparguthaben ist berechtigt. Das tatsächliche Problem liegt aber woanders.

Das Problem an Europa ist nicht, dass es zu wenige Regeln gibt oder dass sie zu lasch sind. Das Problem ist, dass sie oft nicht eingehalten werden. Vor allem wenn es um die Finanzen geht, gibt es in europäischen Ländern – vorsichtig formuliert – durchaus unterschiedlich großen Ehrgeiz, sich an die Spielregeln zu halten. Beim Geld aber, das weiß jeder, hört der Spaß auf.

Wenn die Europäische Kommission nun also durchsetzen will, dass Sparguthaben der EU-Bürger europaweit und einheitlich geschützt werden sollen, dann klingt das nach einer guten Idee. Doch werden sich wirklich alle an die Regeln halten? Was passiert, wenn nicht? Und: Brauchen wir diese neuen Regeln überhaupt?

Schäuble hat richtig gehandelt

Dass deutsche Sparer für die Kunden von untergehenden Banken in anderen Ländern zahlen, ist aktuell unvorstellbar. Der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat völlig richtig gehandelt, wenn er solche Pläne bisher stets blockiert hat.

Schäuble zum letzten Mal bei Treffen der Euro-Finanzminister

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    Natürlich: Das Finanz- und Bankensystem in Europa muss noch stabiler werden. Die Finanz- und die Eurokrise dürfen sich nicht wiederholen. Die wichtigsten Geldinstitute in Europa werden deshalb inzwischen einheitlich durch die Europäische Zentralbank beaufsichtigt.

    Auch gibt es einen einheitlichen Mechanismus, wie angeschlagene Banken ordentlich abgewickelt werden. Die Steuerzahler sollen dafür nicht haften. Das ist alles gut und richtig. Warum aber braucht man jetzt noch eine einheitliche Sicherung von Spareinlagen in Europa?

    „Gleichen Schutz“ gibt es schon – zumindest auf Papier

    Die EU-Kommission meint, die Einlagen müssten „auf zentraler Ebene“ geschützt sein. Alle Sparer sollten „unabhängig vom Wohnort den gleichen Schutz genießen“. Diese Argumente ziehen nicht. Denn auf dem Papier bekommen schon jetzt alle Sparer in allen EU-Staaten mindestens 100.000 Euro zurück, falls eine Bank in die Pleite schlittert.

    Das steht in einer EU-Richtlinie, die – theoretisch – überall längst umgesetzt worden sein müsste. Es gibt ihn also schon, den „gleichen Schutz“. In Deutschland sind die Summen sogar noch höher, weil die Finanzbranche hier seit Jahren ein Sicherheitsnetz aufgespannt und ausreichend finanziert hat. Und dieses Geld soll – salopp gesagt – anderen Bankkunden in Europa zur Verfügung stehen?

    In einigen Ländern sind Banken immer noch nicht gesund

    Bei aller Solidarität: So kann es nicht laufen. Das Problem liegt nicht in der unterschiedlich hohen Absicherung europäischer Bankkunden. Das Pro­blem ist, dass in einigen europäischen Ländern die Banken noch immer nicht gesund sind. Viele von ihnen sitzen nicht nur auf faulen Krediten. Sie sitzen auch – und das ist noch entscheidender – auf Bergen von Staatsanleihen.

    Dass Banken zum Teil massiv die viel zu hohen Staatsschulden finanzieren, ist brandgefährlich. Denn was ist, wenn diese Schulden so hoch werden, dass der Staat selbst nicht mehr handlungsfähig ist? Dann kann die Bank den Staat und der Staat die Banken nicht mehr retten. Das war in Griechenland so, und Italien ist von einer solchen Situation nicht weit entfernt.

    Es stehen weiter schmerzhafte Reformen aus

    Dieses zentrale Problem lösen die neuen Vorschläge der EU-Kommission nicht. Erst wenn die Banken ihre Bilanzen wirklich sauber bekommen haben und erst wenn die Staatsschulden überall in der EU auf ein Maß reduziert sind, das den existierenden und noch immer zu lax durchgesetzten Regeln entspricht – erst dann kann man diskutieren, ob die europäischen Sparer füreinander haften sollen. In vielen Ländern sind dafür schmerzhafte Reformen nötig. Die EU-Kommission sollte sie härter als bisher einfordern und kontrollieren. Schäuble hat recht, wenn er fordert, Risiken erst einmal zu senken, bevor man sie in Europa auf die Schultern anderer verteilt.