Brüssel. Löst Katalonien einen Domino-Effekt aus? Autonomiebewegungen gibt es quer durch Europa. Ein Überblick der möglichen Krisenherde.

Die Zuspitzung der Krise um Katalonien hat in Europa große Besorgnis ausgelöst. Die EU-Kommission mahnte am Dienstag, die Lage nicht weiter zu eskalieren zu lassen. Doch so groß die Nervosität in Brüssel ist, die Haltung bleibt klar: Die EU steht an der Seite Spaniens und wird eine Unabhängigkeit nicht anerkennen.

Das Referendum war nach Brüsseler Lesart illegal, der Konflikt gilt als innere Angelegenheit Spaniens. Die EU treibt die Sorge vor dem Kontrollverlust um. Denn Autonomiebewegungen gibt es quer durch Europa. Schon ist von der „Büchse der Pandora“ die Rede: Werden die Separatisten in anderen Ländern ihren Kampf verstärken, wenn Katalonien Erfolg hat? Ein Überblick über mögliche Krisenherde:

Nordirland: Die Separatisten in Nordirland spüren Rückenwind – wegen des britischen EU-Austritts. Der Ausstieg der Briten aus dem Binnenmarkt erfordert es, die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland wieder zu befestigen. Die proirische Sinn-Fein-Partei setzt stattdessen darauf, Nordirland schrittweise von Großbritannien abzukoppeln.

Schottland: Die Schotten hatten schon 2014 über eine Abspaltung von Großbritannien abgestimmt, die Mehrheit war dagegen. Doch die schottische Nationalpartei (SNP) lässt nicht locker: Sie will eine zweite Volksabstimmung.

Baskenland: Immer wieder haben die Basken im Norden Spaniens die Abspaltung versucht, jahrzehntelang wollte die Untergrundorganisation Eta mit Attentaten die Unabhängigkeit herbeibomben. 2011 gab die ETA den Weg der Gewalt auf. Am Ziel eines unabhängigen Baskenstaates ändert das nichts.

Flandern: Für eine zügige Abspaltung von Belgien ist zwar nur eine Minderheit der Flamen, aber die flämischen Nationalisten von der N-VA fordern mehr Kompetenzen für die Regionalregierung.

Korsika: Die Korsen pflegen seit Langem ihre Distanz zum übrigen Frankreich. Die Zeit der gewaltsamen Unabhängigkeitsbestrebungen mit einer Reihe von Anschlägen der Nationalen Befreiungsfront FLNC ist zwar vorüber. Dafür sind die Nationalisten jetzt im Parlament auf dem Vormarsch und stellen auch den korsischen Regierungschef.

Lombardei/Venetien: Die beiden Regionen im Norden Italiens haben für den 22. Oktober Referenden über mehr Autonomie angesetzt. Dabei geht es allerdings vor allem um Steuerhoheit und eigene Gesetzgebung. Von einer Abspaltung des wohlhabenden Norditaliens vom ärmeren Süden will die einstige Sezessionspartei Lega Nord nichts mehr wissen.

Sardinien: Die italienische Mittelmeerinsel hat zwar schon einen Sonderstatus, doch die Autonomiebewegung Unidos fordert eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit.

Oberschlesien: Die Bewegung für die Autonomie Oberschlesiens (RAS) ist schon fast drei Jahrzehnte alt, jetzt will sie zu einer Regionalpartei werden. Allerdings geht es der RAS nicht um die Loslösung von Polen, sondern um mehr finanzielle Autonomie und die Anerkennung kultureller Eigenheiten.

Mähren: Bei der Teilung der Tschechoslowakei 1993 war auch ein eigenständiger mährischer Teilstaat im Gespräch, er ließ sich aber nicht durchsetzen.

Siebenbürgen: Über eine Million Ungarn leben im rumänischen Siebenbürgern, sie fordern mehr Autonomie. Bis zum ersten Weltkrieg gehörte die Region zu Ungarn, von dort gibt es Rufe nach einer Wiedervereinigung.

Nordzypern: Die Insel Zypern gehört seit 2004 zur EU, doch gilt EU-Recht nur im Süden: Der Nordteil der Insel hat sich 1983 mit türkischer Hilfe als Türkische Republik Nordzypern abgetrennt.

Grönland/Faröer-Inseln: Obwohl sie seit Langem autonome Regionen innerhalb Dänemarks sind, gibt es in Grönland wie auf den Faröer-Inseln Versuche, sich ganz von Kopenhagen loszusagen. Auf den Faröer-Inseln wird nächstes Frühjahr über eine eigene Verfassung abgestimmt.