Istanbul. Der deutschen Journalistin Mesale Tolu drohen in der Türkei 20 Jahre Haft. Zum Prozessauftakt fand sie am Mittwoch deutliche Worte.
Mehr als fünf Monate nach ihrer Festnahme in der Türkei hat am Mittwoch der Prozess gegen die inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu begonnen. Die 33-Jährige muss sich vor einem Gericht in der Stadt Silivri westlich von Istanbul verantworten.
Tolu gehört zu einer Gruppe von 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen wird. Nach Angaben von Tolus Anwältin Kader Tonc drohen ihrer Mandantin bis zu 20 Jahre Haft.
Mesale Tolu: „Habe keine Straftat begangen“
„Ich fordere meine Freilassung und meinen Freispruch“, sagte Tolu am Mittwoch beim ersten Verhandlungstag. Sie wies die Terrorvorwürfe zurück: „Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen.“
Tolu kritisierte, dass sie seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil in Istanbul in Untersuchungshaft gehalten werde. Auch ihr Ehemann sei in U-Haft. „Deswegen lebt mein Sohn, der eigentlich in den Kindergarten gehen müsste, seit fünf Monaten mit mir im Gefängnis“, sagte sie. „Aus diesem Grund ist die Untersuchungshaft nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie und für meinen Sohn zur Bestrafung geworden.“
Tolus Vater enttäuscht von Berlin
Der zweijährige Sohn Tolus ist mit der Mutter im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy untergebracht.
Tolus Vater Ali Riza Tolu hatte der Deutschen Presse-Agentur vor Prozessbeginn gesagt, er sei „enttäuscht“ von der Bundesregierung. Im Wahlkampf sei viel geredet worden, aber nun befinde sich diese im „Todesschlaf“. Die Vorwürfe gegen seine Tochter bezeichnete er als „nicht wahr“ und „leer“.
Klima der Angst in der türkischen Justiz
Die Bundesregierung fordert die Freilassung Tolus und von mindestens zehn weiteren Deutschen, die in der Türkei derzeit aus politischen Gründen inhaftiert sind. Namentlich bekannt sind Tolu, der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner.
Diese Deutschen waren in türkischer Haft
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds sagte der dpa er erwarte kein faires Verfahren für Tolu und andere inhaftierte Deutsche. „In weiten Teilen der türkischen Justiz herrscht ein Klima der Angst“, sagte er.
US-Reporterin zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt
Unterdessen hat ein türkisches Gericht eine Reporterin des „Wall Street Journals“ (WSJ) wegen Terrorpropaganda zu zwei Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Wie die US-Zeitung am Dienstagabend berichtete, wurde Ayla Albayrak wegen eines Artikels aus dem Jahr 2015 über den Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Südosten des Landes verurteilt.
Alybarak hat die finnische und türkische Staatsbürgerschaft und hält sich nach Angaben ihrer Zeitung derzeit in New York auf. Sie wolle Einspruch gegen das Urteil einlegen. Der WSJ-Chefredakteur Gerard Baker bezeichnete die Vorwürfe nach Angaben der Zeitung als haltlos und das Urteil als völlig unangebracht.
Weitere Belastung für türkisch-amerikanisches Verhältnis
Das Komitee zum Schutz von Journalisten erklärte, das Urteil sei ein Zeichen dafür, dass sich die Bedingungen für Journalisten in der Türkei weiter verschlechterten. „Das türkische Justizsystem ist ein Instrument der Verfolgung geworden“, hieß es.
Das Urteil gegen Albayrak ist eine weitere Belastung für die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei. Die beiden Länder hatten Anfang der Woche gegenseitig die Visavergaben ausgesetzt. (dpa)
Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Türkei auf Abwegen