Dandong. China hält sich an die Sanktionen gegen das Kim-Regime. In der Grenzstadt Dandong wird aber weiter gehandelt – über eine Brücke.

  • Auch China setzt Sanktionen gegen Nordkorea inzwischen um.
  • Spürbar ist das in der Grenzstadt Dandong, wo eine Brücke die Hauptader in das Land ist
  • Immer noch rollen dort aber auch viele Lkw-

Das Fischerboot liegt am Kai. Das Deck ist mit einer Plane abgedeckt. Sie soll den Anschein erwecken: Hier steht alles still. Doch der Schiffsmotor dampft. Und unter der Plane sind Kisten zu sehen. Plötzlich rast ein Fischer auf die Gruppe Journalisten zu. „Was macht Ihr hier?“, brüllt er und versucht einem die Kamera aus der Hand zu reißen. „Rück sofort die Bilder raus“, schreit er und weist seine Mitarbeiter an, das Gelände abzusperren.

So weit kommt es nicht. Nach einem kurzen Handgemenge gelingt es der Gruppe, das Hafengelände in Dandong zu verlassen. „Sie sind offenbar sehr nervös“, sagt Jiang. Der 42-Jährige ist Geschäftsmann aus der Gegend. Er wollte der Gruppe den Fischereihafen und den Grenzfluss zu Nordkorea zeigen. „Die Behörden sind derzeit sehr streng“, sagt er. Das würden alle in der Region zu spüren bekommen. Vor ein paar Tagen hätten ihn Freunde besucht. Sie wollten sich mit ihm betrinken. „Warum? Weil sie unglücklich sind über die weggebrochenen Geschäfte.“

Auch in Dondang wird genauer hingeschaut

Seitdem die chinesische Führung Anfang September im UN-Sicherheitsrat den abermals verschärften Sanktionen gegen Nordkorea zugestimmt hat, sind die Behörden in der Grenzregion tatkräftig dabei, die Vorgaben durchzusetzen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Offiziell hatte Peking auch vorher schon die gemeinsam verhängten Sanktionen gegen den einstigen Bruderstaat mitgetragen. In der Grenzregion hatte sich aber kaum einer an die Vorschriften gehalten. Weder die Händler, die bereitwillig nordkoreanischen Funktionären Luxusartikel verkauften, noch die Zollbeamten, die allzu oft ein Auge zudrückten und womöglich dafür Geld abkassierten. So erzählt man es sich zumindest in der Grenzregion.

Bis zuletzt bestritt Nordkorea 91 Prozent seines Außenhandels mit China. Doch als am Morgen des 3. Septembers in der Grenzregion die Erde bebte und sich wenig später herausstellte, dass Nordkorea erneut eine Nuklearbombe mit hoher Sprengkraft getestet hatte, schien auch in Peking die Geduld am Ende zu sein.

Zwei Drittel des Außenhandels geht über diese Brücke

Die Sanktionen gelten. Auf einem Aushang des Fischmarktes von Dandong ist genau aufgelistet, was alles verboten ist: die Einfuhr von Eisen, Kohle und Meeresfrüchten. Zudem darf auch keine Kleidung mehr aus Nordkorea eingeführt werden. Nordkoreanisch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen, von denen es in Dandong bis vor Kurzem viele gab, müssen ihre Zusammenarbeit beenden, sämtliche nordkoreanische Angestellte zudem bis Ende des Jahres in ihr Land zurückkehren. Sie erhalten in China keine Arbeitserlaubnis mehr. Jiang vermutet jedoch, dass einige Fischer trotzdem weiter Meerestiere aus Nordkorea beziehen. „Und wahrscheinlich noch ganz andere Dinge.“

Yalu – der Grenzfluss zwischen China und Nordkorea. Auf beiden Seiten des Flusses erstrecken sich Zäune mit Stacheldraht. Nur im Stadtgebiet von Dandong nicht. Die Freundschaftsbrücke trifft auf nordkoreanischer Seite die Stadt Sinuiju, Nordkoreas drittgrößte Stadt. 1937 von den japanischen Kolonialherren erbaut, ist die Brücke heute die Lebensader zwischen Nordkorea und der Außenwelt. Über zwei Drittel des gesamten nordkoreanischen Außenhandels wird über sie abgewickelt.

Über Brücke fahren noch viele Lkw

Dabei ist sie nicht einmal besonders breit. Nur eine Schienentrasse und eine Straße für Busse und Lkw passen auf die Brücke – jeweils einspurig. Morgens um 9 Uhr wird der Grenzpfosten geöffnet. Die Lastwagen fahren in nordkoreanische Richtung, ab nachmittags geht es zurück. Fußgänger dürfen die Brücke nicht überqueren.

Trotz der Sanktionen ist der Verkehr zwischen beiden Ländern intakt. Im Schritttempo rollen Lastwagen über die insgesamt 941 Meter. Doch die Zeiten, als scheinbar endlose Karawanen über die Stahlkonstruktion fuhren, sind vorbei. „Auf diesem Weg werden die Sanktionen eingehalten“, beteuert Jiang. Nach Nordkorea würden nur noch die notwendigsten Lebensmittel geliefert. Strenge Kontrollen auf chinesischer Seite sorgten dafür.

Nordkorea sieht aus wie China vor 40 Jahren

Umso mehr blüht auf der chinesischen Seite der Tourismus. Direkt neben der Freundschaftsbrücke steht eine zweite etwas niedrigere Stahlkonstruktion, die alte Yalu-Brücke. Heute heißt sie „Duan Qiao“, zerbrochene Brücke. Das letzte Drittel in Richtung Nordkorea fehlt. Nur die massiven Pfeiler ragen aus dem Wasser. US-Bomber hatten sie im Koreakrieg zerstört.

Heute dient die Brücke als Plattform für chinesische Touristen. Am Ende der Brücke stehen Ferngläser. Zu erkennen sind auf nordkoreanischer Seite ein Riesenrad und eine Wasserrutsche – beides aber offensichtlich schon länger nicht mehr in Betrieb. Die Touristen blicken auf Armut, Trostlosigkeit und Diktatur. Offensichtlich wird der Unterschied bei Nacht. Wenn auf der chinesischen Seite die Wolkenkratzer leuchten, ist es auf der nordkoreanischen Seite finster. Für die Chinesen ist Nordkorea wie das eigene Land vor 40 Jahren.

Boote rasen über den Fluss – eine Touristenattraktion

Auf der Dandong-Seite blinkt und lärmt es wie in Disneyland. Nur dass anstelle von Micky Maus Propagandastatuen die Flaniermeile säumen. Reisegruppen laufen vorbei an Souvenirständen und Verkäufern, die Spielzeugpanzer, Patronenhülsen und nordkoreanische Briefmarken anbieten. Einige Verkäufer versuchen, den Touristen eine Bootsfahrt aufzuschwatzen, die Hauptattraktion von Dandong.

Mit Touristen an Bord rasen die Schnellboote über den Yalu. 250 Yuan, rund 30 Euro, zahlen die Besucher pro Person für die etwa viertelstündige Fahrt. Der Fluss gehört beiden Seiten. Die chinesischen Boote wagen sich bis auf wenige Meter ans nordkoreanische Ufer heran. Nur aussteigen dürfen die Chinesen nicht.

Nordkoreanischer Händler wartet mit Schnaps

Während die chinesischen Touristen auf den Booten begeistert ihre Kameras auf die nordkoreanischen Hafenarbeiter und Grenzsoldaten halten und sie wie eine Attraktion in einem Zoo bestaunen, versuchen die Betroffenen ihre Gesichter zu verdecken und ansonsten den Trubel weitgehend zu ignorieren. Nur vereinzelt richten nordkoreanische Soldaten ihre Gewehr auf. „Nur eine Drohung“, sagt Jiang gelassen. Ihm sei nicht bekannt, dass einer von ihnen jemals geschossen hätte.

Ein Touristenboot steuert ein ufernahes Gefilde an. Dort wartet ein nordkoreanischer Bootsführer. Er fährt näher heran, bietet Zigaretten, Schnapps und getrocknete Fische an. Dinge, die auf chinesischer Seite in jedem Supermarkt erhältlich sind. Die Touristen greifen dennoch gierig zu. „Das fällt nicht unter die Sanktionen“, sagt Jiang.