Berlin/Oslo. Der Friedensnobelpreis geht an das Bündnis Ican, das für nukleare Abrüstung kämpft. Doch nicht alle gratulieren der Organisation.

Die Überraschung ist so groß, da bleiben nur ein paar Stunden Zeit, um die Bühne für die Weltöffentlichkeit zu bereiten. Mit zittriger Stimme spricht Sascha Hach von einem „großen Tag“. Er sitzt an einem Tisch im Raum der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, eine eilig einberufene Pressekonferenz, vor ihm ein Mikrofon, Reporter und Kamerateams. Nie hätte er damit gerechnet. Hach und sein Team sind jetzt Friedensnobelpreisträger. Sie kämpfen für eine Welt ohne Atomwaffen. Und sie haben gerade viel zu tun.

Der Friedensforscher Hach arbeitet für die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), ein Bündnis aus mehr als 450 Organisationen, dessen Hauptsitz in Genf ist. Die Aktivisten setzten sich in der Jury gegen 318 Nominierte durch – darunter Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Donald Trump und der iranische Außenminister Mohammed Jawad Zarif. Es ist ein Signal der Jury für eine Welt ohne nukleare Waffen – in einer Zeit, in der sich der Konflikt mit Nordkorea Woche für Woche zuspitzt.

Wofür kämpft Ican?

Seit zehn Jahren hat das Bündnis maßgeblich am Verbotsvertrag von Nuklearwaffen der Vereinten Nationen mitgewirkt, der Anfang Juli unterzeichnet und bisher von 122 Staaten unterstützt wird. Das Nobelpreiskomitee würdigte Ican am Freitag für seine „bahnbrechenden Bemühungen um ein vertragliches Verbot solcher Waffen“. Die Vereinbarung verbietet Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen. Vorbild für Ican waren andere Abrüstungsverträge wie zum Beispiel das internationale Übereinkommen zum Verbot von Landminen oder dem Vertrag gegen den Einsatz von chemischen Waffen. Doch keine der Atommächte wie USA, Russland, Israel, Frankreich, China oder Nordkorea hat den Vertrag bisher unterzeichnet – ebenso halten sich fast alle Nato-Staaten mit ihrer Zustimmung zurück.

Berühmte Friedensnobelpreisträger

Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie.
Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie. © imago | JOHN GRESS
Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt.
Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt. © imago | imago stock&people
Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt.
Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt. © imago | United Archives
Vier Jahre später wurde er ermordet.
Vier Jahre später wurde er ermordet. © imago | imago stock&people
Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen.
Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen. © REUTERS | Paolo Cocco
Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979.
Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979. © reuters | Scanfoto Scanfoto
Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes.
Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes. © Getty Images | Sion Touhig
Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk.
Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk. © © epd-bild / Keystone | Keystone
Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises.
Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises. © Getty Images | Terry Fincher
Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug.
Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug. © imago | Sven Simon
Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen.
Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen. © Reuters | REUTERS / JESSICA RINALDI
„Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte.
„Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte. © imago | imago stock&people
Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt.
Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt. © imago | imago stock&people
Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger.
Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger. © imago | WHA UnitedArchives
Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes.
Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes. © Getty Images | Government Press Office
Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen.
Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen. © REUTERS /
Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises.
Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises. © REUTERS | REUTERS / POOL
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Und auch Deutschland hat den Vertrag bisher nicht unterzeichnet. Die Bundesregierung vertritt die Position, dass eine Abrüstung nur mit den Nuklearmächten möglich ist. Der „einzig richtige Weg“ seien „Dialog und Verhandlungen mit den Staaten, die Atomwaffen besitzen“, so die Regierungssprecherin Ulrike Demmer.

Die Vorstandsvorsitzende von Ican, Beatrice Fihn, mahnt dagegen zu einem entschlossenen Handeln gegen atomare Aufrüstung. „Wir leben in einer Zeit erhöhter globaler Spannungen, in der feurige Phrasen uns ganz schnell in unerbittlichen, unaussprechlichen Horror stürzen können“, sagt Fihn in Genf. „Das Schreckgespenst eines Atomkonflikts ist wieder bedrohlich groß.“

Wie reagiert die Weltpolitik?

Es gibt viel Lob für Ican. Der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow sprach von einer „richtigen Entscheidung“. Eine Sprecherin der Vereinten Nationen nannte die Vergabe ein „gutes Omen“. In Deutschland nannten Linke, Grüne und SPD den Preis für die Atomwaffengegner eine richtige Entscheidung. Auch einzelne CDU-Politiker gratulieren Ican.

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    Doch nicht alle halten den Weg der Friedensgruppe für richtig. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisiert, dass der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen nicht näher bringe. In Wahrheit gefährde er sogar die Fortschritte bei der Abrüstung. Auch für die Nato stellt Stoltenberg unmissverständlich klar: Solange Atomwaffen existierten, werde die Allianz ein atomares Bündnis bleiben. Auch Russland reagiert zurückhaltend. Moskau respektiere die Entscheidung des Nobelkomitees, sagt ein Sprecher. „Russland ist ein verantwortungsbewusstes Mitglied im Atomklub.“

    Wie ernst ist die Bedrohung?

    Rüstungsgegner schätzen die Zahl der Nuklearsprengköpfe weltweit auf etwa 15.000. Diktator Kim Jong-un hatte zuletzt die Weltgemeinschaft mit neuen Atombombentests aufgeschreckt. Das Land arbeitet an Raketen, die das US-Festland erreichen können. Trump hatte erklärt, er werde dies niemals zulassen, und hatte dem isolierten Land mit der totalen Vernichtung gedroht. Experten sehen in dem Konflikt eine ernste Gefahr. Es gebe kein Interesse an Diplomatie, sagt etwa Andrej Lankow von der Universität in Seoul dem britischen Fernsehsender BBC. Allerdings habe keine der Seiten ernsthaft ein Interesse an einem Atomkrieg. Auch die Lage zwischen USA und Iran spitzt sich zu. Sollte Trump das Atomabkommen kündigen, droht die Wiedereinführung von Sanktionen gegen Teheran. Und ein neues Aufrüsten.