Berlin. Der Staat hat das Internet-Zeitalter verschlafen. Wenn Deutschland nicht abgehängt werden will, muss die Regierung sofort handeln.

Welch ein wunderbares Geschenk ist es für die Eltern, wenn ein Kind zur Welt kommt. Doch Vorsicht – danach wird es stressig! Dann lernen die Eltern den deutschen Staat von einer seiner schwächsten Seiten kennen: die Verwaltung. Sie müssen ein erstes Mal zum Amt, um die Geburtsurkunde zu erhalten. Dann wenden sie sich an die nächste Behörde, um das Kindergeld zu beantragen. Einen Kinderausweis hat der Nachwuchs dann immer noch nicht. Also auf zum Bürgeramt, Nummer ziehen, warten. Und das ist nur ein Beispiel von vielen in Behördendeutschland.

In einer Gesellschaft, die für ihre Kommunikation, Bankgeschäfte und Einkäufe wie selbstverständlich das Internet nutzt, ist das Gebaren des Staates bei seinen Bürgerdiensten zu oft noch eine Qual. In der digitalen Epoche müssen die Verwaltungen allen Ernstes weitgehend analog arbeiten. Natürlich gibt es Unterschiede von Kommune zu Kommune. Doch alle leiden unter demselben Grundübel: Sie sind nicht miteinander vernetzt. Sie können nicht auf ein gemeinsames Portal zugreifen, um ihre Verwaltungstätigkeiten zu synchronisieren und damit zu vereinfachen.

Mausklicks könnten lästige Behördengänge ersetzen

Solch ein gemeinsames Portal wäre ein Glücksfall für die Bürger dieses Landes. Sie müssten ihre kostbare Zeit nicht in Amtsstuben verbringen, sondern könnten mit ein paar Mausklicks den Behördengang von zu Hause erledigen. Alles Zukunftsmusik? Keineswegs, wie mehrere EU-Staaten seit Jahren beweisen. Man muss nur wollen. Und offenbar wollen jetzt alle.

„Wir wollen nicht im Technikmuseum enden mit Deutschland“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wahlkampf..
„Wir wollen nicht im Technikmuseum enden mit Deutschland“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wahlkampf.. © REUTERS | FABIAN BIMMER

Es fällt dabei auf, dass sich vor allem Union, FDP und Grüne vor der Bundestagswahl intensiv mit der Digitalisierung des Staates auseinandergesetzt haben. Sollte eines Tages ein Jamaika-Bündnis wirklich seine Arbeit aufnehmen, hätte diese Koalition vielleicht eine verbindende Mission: die deutsche Aufholjagd bei der digitalen Revolution.

Bisher galt Netzpolitik als Nischenthema. Das wird sich bald ändern, weil nicht nur die Verwaltung digital werden muss, sondern die komplette Infrastruktur. Heißt: Wir brauchen so schnell wie möglich ein flächendeckendes Glasfasernetz, will Deutschland nicht auf Dauer international abgehängt bleiben. An der digitalen Modernisierung wird sich schließlich die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ablesen lassen. Warum sollte es etwa nicht mit einem Klick möglich sein, ein Unternehmen anzumelden?

Digitalisierung ist Chance, den Wohlstand zu sichern.

Es führt in Anbetracht der zu bewältigenden Aufgaben kein Weg an einem Digitalministerium vorbei. Nur mit einem starken Ressort wird die Digitalisierung als Großprojekt wahrgenommen, nur so wird aus Ideen Wirklichkeit. Ein solches Ministerium kann auch berechtigte Bedenken aufnehmen, die die sogenannte Industrie 4.0 hervorruft.

Die Gewerkschaften fragen: Wenn alles vernetzt ist, braucht man dann noch Menschen? Verbraucherschützer fragen: Wie geschützt sind dann die Daten der Menschen? Es liegt an der Politik, hier Sicherheit herzustellen und gleichzeitig die Möglichkeiten dieser nicht aufzuhaltenden Entwicklung zu fördern. Neue Geschäftsfelder, neue Dienstleistungen, neue Berufe können entstehen. Die Digitalisierung ist die größte Chance, den Wohlstand der Deutschen zu sichern.

„Wir wollen nicht im Technikmuseum enden mit Deutschland“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wahlkampf. Große Reformen sind üblicherweise Chefsache. Gerade an Merkel wird es liegen, auf diesem Feld grundlegende Entscheidungen zu treffen. Am besten fängt die nächste Bundesregierung damit dort an, wo sie am meisten verändern kann: in der staatlichen Verwaltung.