Berlin. Im Bundestagswahlkampf gibt es für Politiker kaum eine ruhige Minute. Aber sie alle haben ihre eigenen Methoden, um Kraft zu sammeln.
Der Bundestagswahlkampf verlangt Spitzenkandidaten viel ab. Wie erholen sie sich? Wer sind die Menschen, die ihnen privat den Rücken stärken? Ein Blick in die Runde.
• Angela Merkel (CDU)
In ihrem Haus in der Uckermark ist die Kanzlerin Privatperson. Sie liest viel und verbringt Zeit mit ihrer Familie. Im Garten zieht die CDU-Bewerberin sogar Gemüse, hin und wieder kommt Selbstangebautes auf den Tisch.
Die 1954 geborene Merkel, als Kind nach Selbstauskunft ein „Bewegungsidiot“, geht heute zur Erholung gerne wandern und Ski laufen. Jährlich gibt es neue Paparazzi-Bilder aus Südtirol von ihr und ihrem Mann Joachim Sauer, dem weltweit renommierten Quantenchemiker. Offizielle Fotos gibt’s vom roten Teppich in Bayreuth, beide mögen Opern.
Merkel und Sauer lernten sich in den 80er-Jahren an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften kennen. Dort half er ihr als Korrekturleser bei ihrer Dissertation, der „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“. Hochzeit war 1998.
Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl
• Martin Schulz (SPD)
Im Rückblick räumt Martin Schulz ein, dass es für eine Profifußballerkarriere wohl nicht gereicht hätte, auch ohne seine Knieverletzung von 1975 nicht. Die Liebe zum Fußball lebt der 1955 bei Aachen geborene SPD-Kanzlerkandidat heute als Fan und Beirat des 1. FC Köln aus. Außerdem liest er gerne und viel. Er ist immer noch Kunde in seiner einstigen Buchhandlung. 1982 hatte er sie gegründet, da lagen die schweren Jahre der Alkoholsucht hinter ihm. Wenn er heute Stress abbauen muss, singt er gern, wie er jüngst der „Bild am Sonntag“ sagte.
Die Familie hält Schulz aus der Öffentlichkeit raus. Er versäumt aber keine Gelegenheit, von seiner Frau Inge zu schwärmen. Geheiratet haben sie 1985, zusammen haben sie zwei inzwischen erwachsene Kinder. Seine Frau wisse genau, was man „einem Typen wie mir“ sagen müsste, wenn er mal die Brocken hinschmeißen wolle, erzählte er im Juni beim „Brigitte“-Gespräch. Inge Schulz, deren Eltern aus Polen eingewandert sind, ist Landschaftsarchitektin. Ihr Garten in Würselen gehört zu Martin Schulz’ liebsten Erholungsorten.
• Cem Özdemir (Grüne)
Er tankt gerne „die Energie der Berge“, sagt der Grünen-Chef, der gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt antritt. Im Sommer sammelte er Kraft im Vinschgau in Südtirol. Die Oma eines Freundes hatte ihn schon als Kind auf Wandertouren durch die schwäbische Heimat mitgenommen – das prägte ihn. Özdemir, 1994 als erstes „Gastarbeiter“-Kind in den Bundestag gewählt, ist mit Pia Castro verheiratet. Die argentinische Journalistin mit italienischen Wurzeln kam nach dem Mauerfall nach Berlin, weil sie die historischen Veränderungen miterleben wollte. Mit Tochter ( *2005) und Sohn (*2009) lebt das Paar in Kreuzberg. Die Kinder sprechen Deutsch und Spanisch und verstehen Türkisch. Das deutsche Weihnachten lernte Özdemir auch als Kind bei einem Freund kennen. Heute ist er es, der für seine Familie den Weihnachtsbaum kauft.
• Christian Lindner (FDP)
Christian Lindner muss Romantiker sein. Anders lässt sich der Heiratsantrag nicht deuten, den der FDP-Spitzenkandidat seiner damaligen Freundin Dagmar Rosenfeld machte. Eine Serviette, darauf gekritzelt eine Frage und drei Ankreuzmöglichkeiten: Willst du mich heiraten? Ja. Nein. Vielleicht. Ein Erfolg: 2011 heirateten die beiden nach zwei Jahren Beziehung. Rosenfeld, Jahrgang 1972, war bei der „Zeit“ für die FDP-Berichterstattung zuständig. Das beendete sie – und verteidigte sich später gegen Mutmaßungen, ihre Arbeit werde von der FDP beeinflusst. Heute ist Dagmar Rosenfeld-Lindner stellvertretende Chefredakteurin von WeltN24. Mit ihr und mit Freunden Zeit zu verbringen, beschreibt ihr Mann als kostbar: „Viel Raum für Freizeit blieb nie.“ Neben gutem Essen interessiert den 1979 geborenen Lindner alles, „was mit Benzin betankt werden kann“. Aus seinem Urlaub auf Mallorca postete er im Sommer ein Foto von der Go-Kart-Bahn.
• Alice Weidel (AfD)
Das Erste, was Alice Weidel an einem wahlkampffreien Tag macht: „Mich aufs Rad setzen oder wandern gehen.“ Das erzählt die AfD-Spitzenkandidatin, die im Duo mit Alexander Gauland antritt, in einem Video auf Facebook, gefilmt vom Fahrradsattel aus. Bei Instagram zeigt sie Wanderfotos aus den Bergen, auf einem sind in der Ferne eine Frau und ein Kind zu sehen – Familie? Steht nicht dabei. Ihr Privatleben will die 1979 in Ostwestfalen geborene studierte Ökonomin ganz privat halten. Von ihr und ihrer Lebenspartnerin Sarah Bossard, einer Schweizer Film- und Fernsehproduzentin mit Wurzeln in Südasien, gibt es kein offizielles Foto. Geschweige denn von den beiden Söhnen, die sie gemeinsam im schweizereischen Biel aufziehen.
• Sahra Wagenknecht (Linke)
Sie verausgabt sich gerne, um den Kopf frei zu kriegen. Sonst ist sie gejoggt, jetzt fährt Sahra Wagenknecht zusammen mit ihrem Mann Fahrrad. Durch das Saarland, ihr Zuhause, seit sie 2012 mit Oskar Lafontaine zusammengezogen ist.
Frankreich liegt um die Ecke, so nah, dass das Paar seine Frühstücksbaguettes dort holen kann. Auch den Urlaub verbringen die Linken-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl und der Linken-Fraktionsvorsitzende im saarländischen Landtag gerne in Frankreich, ebenfalls auf dem Fahrrad. Für die gebürtige Thüringerin, die im Duo mit Dietmar Bartsch kandidiert, spielen außerdem Bücher seit der Kindheit eine entscheidende Rolle. Vom Lesesessel in ihrem Haus schwärmte sie einmal: Darin könne sie 15 Stunden sitzen, ohne Rückenschmerzen zu bekommen.
• Joachim Herrmann (CSU)
Auch Joachim Herrmann mag Bewegung an der frischen Luft. „Mit dem Fahrrad fahr’ ich seit meiner Kindheit mit Begeisterung“, erzählt er. „Da werden die Gedanken frei, wenn ich durch den Wald radle.“ Seine ungesunde Leidenschaft: Süßigkeiten. Die Frau des Franken, die aus Bremerhaven stammende Gerswid Terheyen, studierte Jura wie er, sie lernten sich 1976 an der Uni Erlangen kennen. Schon damals sei sie in der „Jungen Union“ gewesen, „in Bremerhaven gehört dazu schon Bekennertum“, sagte Herrmann einmal dem Magazin „Cicero“. 1983 heiratete das Paar, bekam eine Tochter und zwei Söhne. Und egal, was passiert, ob ein Sohn öffentlichkeitswirksam zum Mini-Gangster-Rapper wird, wie vor enigen Jahren geschehen, oder ob es größere Sorgen sind: Für den Katholiken Herrmann bleibt der Glaube die größte Kraftquelle.
CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann