Athen. Seit September setzten 3200 Menschen von der Türkei nach Griechenland über. Die UN warnt vor unhaltbaren Zuständen in dortigen Lagern.

Ist es das warme, windstille Spätsommerwetter? Oder öffnet der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Schleusen? Über die Ursachen rätseln die Experten, aber Fakt ist: Es kommen wieder mehr Flüchtlinge von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln. Seit Beginn dieses Monats trafen bereits rund 3200 Menschen auf den ostägäischen Inseln ein. Kamen im Juli pro Tag im Schnitt 75 Menschen mit Booten aus der Türkei über die Ägäis, sind es jetzt etwa 170 am Tag.

Nach Angaben griechischer Behörden sind höchstens 20 Prozent der Ankömmlinge Kriegsflüchtlinge. In der großen Mehrzahl handelt es sich um Migranten, die wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihre Heimatländer verlassen haben und in Europa auf eine bessere Zukunft hoffen.

In Griechenland führt man die steigende Zahl der Ankünfte in erster Linie auf das Wetter zurück. Die Schleuser an der türkischen Küste nutzen offenbar die windstillen Spätsommertage, um mehr Menschen zu den vorgelagerten griechischen Inseln zu bringen. Diese liegen zwar nur wenige Kilometer vor der türkischen Küste. Bei Wind und Wellen kann die Überfahrt in den meist überladenen Schlauchbooten oder altersschwachen Holzkähnen aber lebensgefährlich sein. Hunderte Menschen sind bereits in diesem Jahr in der Ägäis ertrunken.

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    Lässt Präsident Erdogan mehr Flüchtlinge passieren?

    Ob die steigenden Flüchtlingszahlen auch politische Gründe haben, ist unklar. Setzt Staatschef Erdogan jetzt in der Flüchtlingsfrage den Hebel an, um Druck auf die EU zu machen? Türkische Regierungspolitiker hatten schon mehrfach gedroht, das 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen aufzukündigen. Es sieht vor, dass die Türkei den Flüchtlingsstrom eindämmt und alle Migranten, die illegal auf die griechischen Inseln kommen, zurücknimmt.

    Für jeden in die Türkei zurückgeschickten Flüchtling versprach die EU einen syrischen Flüchtling aus der Türkei einreisen zu lassen. Im März dieses Jahres drohte der türkische Innenminister Süleyman Soylu die EU: „Wenn ihr wollt, schicken wir euch jeden Monat 15.000 Flüchtlinge – das wird euch umhauen!“

    Ein Andrang wie 2015/16 wird nicht erwartet

    Bei der griechischen Küstenwache heißt es inoffiziell, die Türkei habe ihre Kontrollen an der Küste gelockert. Das erleichtert den Schleusern offenbar die Arbeit. Dass es zu einer Wiederholung der Flüchtlingswelle von 2015/16 kommt, als täglich rund 2000 Menschen nach Griechenland übersetzten, glauben Fachleute aber nicht. An einer Öffnung der Grenze kann Staatschef Erdogan schon deshalb kein Interesse haben, weil immer häufiger Anhänger seines Erzfeindes Fethullah Gülen versuchen, nach Griechenland zu fliehen.

    Die griechischen Behörden sind mit den steigenden Flüchtlingszahlen überfordert. Die Uno-Flüchtlingsagentur UNHCR schlägt Alarm: Man brauche auf den Inseln dringend mehr Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen zur Betreuung der Ankömmlinge. Besonders krass ist die Lage auf Samos. Hier hausen 2779 Menschen in einem Lager, das nur für 700 Personen ausgelegt ist.