Kairo. Menschenrechtler berichten von Folter in Ägypten. Das setzt die Bundesregierung unter Druck. Sie schloss gerade ein Abkommen mit Kairo.

Die Häscher kamen in Zivil. Khaled wollte gerade von der Arbeit nach Hause fahren, als er auf der Straße festgenommen wurde. Bereits bei der Ankunft in der Zentrale der Staatssicherheit von Alexandria sei er geschlagen worden. Dann beschuldigten ihn die Beamten, er habe im Vorjahr an Angriffen auf Polizeiautos teilgenommen. „Ich weiß von nichts, ich weiß nicht, wovon Sie reden“, sagte Khaled. Sofort riss ihm einer der Beamten die Kleider vom Leib, zehn Tage lang wurde er gequält, bis er am Ende vor laufender Kamera das „Geständnis“ verlas, er habe auf Befehl der Muslimbruderschaft Polizeiwagen in Brand gesteckt.

Nach 15 Monaten Untersuchungshaft im berüchtigten Borg-al-Arab-Gefängnis kam Khaled schließlich frei, ohne dass eine Anklage erhoben wurde. Seitdem ist er untergetaucht aus Angst, erneut verhaftet zu werden. „Du bist ihnen völlig ausgeliefert“, sagt er. Und er wisse, keiner der Täter werde jemals zur Rechenschaft gezogen.

Gefangene werden mit Elektroschocks gequält

Khaled, dessen Name eigentlich anders lautet, ist eines von 19 Opfern, deren Schicksal die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch in ihrem neuen, 63-seitigen Bericht dokumentiert. In den Gefängnissen und Polizeistationen werde so flächendeckend gefoltert, dass diese Praxis wahrscheinlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen ist. Zuerst werden die Gefangenen mit Elektroschocks an den Ohren, Lippen oder Genitalien gequält. Wer dann noch kein falsches Geständnis unterschreibt, der wird mit verdrehten Armen aufgehängt, was starke Schmerzen verursacht und manchmal die Armgelenke auskugelt.

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Trotzdem bestreitet das ägyptische Regime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi, in seinem Land werde regelmäßig gefoltert. Anders urteilt das UN-Komitee gegen Folter. Die Fakten „führen zu der unausweichlichen Schlussfolgerung, dass Foltern in Ägypten systematische Praxis ist“, heißt es auch dort.

Abkommen über den „bilateralen Dialog zu Migration“

Die dokumentierten Verletzungen der Menschenrechte sind auch für die Bundesregierung heikel. Denn vor einigen Tagen hatten Außenminister Sigmar Gabriel und sein ägyptischer Kollege Sameh Shoukry ein Abkommen über den „bilateralen Dialog zu Migration“ unterzeichnet. Mit Geld für Projekte im Bildungssektor und auf dem Arbeitsmarkt will die Bundesregierung junge Migranten in Ägypten von der Flucht nach Europa abhalten. Auch Aufklärungskampagnen sollen vor den Gefahren der Fahrt über das Mittelmeer warnen. Und: Mit staatlicher Gewalt sollen kriminelle Schleuser bekämpft werden. Im Gegenzug bekommen mehr Ägypter etwa Stipendien für ein Studium hier.

Wie sehr die deutsche Regierung bei der Umsetzung des Migrationsabkommens die Menschenrechte im Blick hat, bleibt unklar. In einer schriftlichen Antwort auf Nachfrage der Grünen im Bundestag heißt es nur: Beide Seiten hätten sich „ausdrücklich zur vollen Achtung“ internationaler Standards verpflichtet. Was konkret mit der ägyptischen Staatsführung vereinbart wurde und wie der Rechtsstaat etwa im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten gewahrt werden soll, lässt das Außenministerium unbeantwortet.

Grüne üben Kritik an dem Vertrag mit Ägypten

Grünen-Politikerin Franziska Brantner .
Grünen-Politikerin Franziska Brantner . © imago/Jens Jeske | imago stock&people

Man sei „sehr besorgt“, ist nach dem Bericht über Folter aus dem Auswärtigen Amt zu hören. Man thematisiere die Menschenrechte „regelmäßig bei hochrangigen Gesprächen“, teilte die Regierung vor Monaten in einer schriftlichen Antwort mit.

Grünen-Politikerin Franziska Brantner übt Kritik: „Die Einfädelung von Milliardendeals für deutsche Großunternehmen wie auch der Abschluss eines Flüchtlingsabkommens verbieten sich, wenn es sich bei dem Partner um einen Autokraten handelt, der Rechtsstaatsprinzipien mit Füßen tritt.“ Wenn Union und SPD nun verkünden würden, ihre Verpflichtungen gälten „ausnahmslos für alle Aspekte der bilateralen Zusammenarbeit im Migrationsbereich“, seien dies „hohle Phrasen“, so Brantner.