Athen. Alexis Tsipras will Griechenland binnen eines Jahres von den Kreditgebern lösen. Dann soll sich das Land eigenständig refinanzieren.

Es ist ein ehrgeiziger Plan, den Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras verfolgt. In einem Jahr soll sich das Land wieder eigenständig am Kapitalmarkt refinanzieren – nach über acht Jahren Abhängigkeit von internationalen Kreditgebern.

Glaubt man dem griechischen Premier, hat die Wirtschaft des Krisenlandes die Talsohle endgültig durchschritten. Um 0,5 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Vierteljahr zu.

113 Reform- und Sparvorgaben muss Athen erfüllen

Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verhandlungen mit den Kreditgebern weiterhin schwierig sind. Am 11. September werden die Vertreter der vier Gläubigerinstitutionen – der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Euro-Rettungsfonds ESM und des Internationalen Währungsfonds – in Athen erwartet. Sie bereiten die dritte Prüfung im Rahmen des laufenden Rettungsprogramms vor.

Nicht weniger als 113 Reform- und Sparvorgaben muss Athen erfüllen, damit das Land planmäßig in der zweiten Augusthälfte 2018 aus dem Programm entlassen werden kann. 90 Auflagen will die Regierung schon bis Ende dieses Jahres umsetzten. Doch vieles davon passt nicht zur Programmatik von Tsipras-Linksbündnis Syriza. So sollen sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst künftig regelmäßigen Bewertungen unterziehen. Das stößt auf heftigen Widerstand vieler Staatsdiener, die es bisher gewohnt waren, völlig unabhängig von Qualifikation und Leistung befördert zu werden.

Hohe Schuldenquote von fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts

Nicht weniger problematisch ist die Umsetzung der Privatisierungen. In der Vergangenheit hat die Regierung zwar unter dem Druck der Geldgeber Privatisierungen widerwillig beschlossen, ihre Umsetzung aber oftmals hinausgezögert. Doch selbst wenn Tsipras bei den Reformen Gas gibt, ist keineswegs gesichert, dass ihm im kommenden Jahr der Exit aus dem Programm und die Rückkehr an den Kapitalmarkt glücken wird. Vor allem die hohe Schuldenquote von fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verunsichert die Anleger.

In Brüssel denkt man deshalb bereits über eine sogenannte Kreditlinie nach, um dem Krisenland nach Auslaufen des gegenwärtigen Hilfsprogramms beizustehen. Ein solches Sicherheitsnetz könnte das Vertrauen der Anleger stärken und die Renditen der Griechenland-Bonds drücken. Geld dafür ist vorhanden: Von den bis zu 86 Milliarden Euro, die im dritten Rettungspaket bereitstehen, wurden bisher erst 39,4 Milliarden abgerufen. Eine Kreditlinie würde allerdings bedeuten, dass Griechenland weiter unter strenger Aufsicht der Kreditgeber bleibt.