Berlin. Die Erwartungen an das TV-Duell von Angela Merkel und Martin Schulz waren hoch. Doch das Format glich einem Duett mit Kuschel-Faktor.

Das war er also, der angebliche Höhepunkt in einem bislang langweiligen Wahlkampf. Auf bis zu 20 Millionen Zuschauer hofften die Sender, das wären mehr als doppelt so viele, wie beim Spiel Deutschland gegen Tschechien. So sportlich wie die WM-Quali war die „Kanzler-Quali“ leider nicht, obwohl im Vorfeld die Erwartungen gewaltig hochgetrieben wurden.

Am Ende erlebten die Zuschauer 90 Minuten lang den gelungenen Versuch der Kanzlerin, keine Fehler zu machen beziehungsweise einen ziemlich verzagten Versuch, den „lucky punch“ gegen die Amtsinhaberin rauszuhauen ohne dabei zu unfreundlich zu wirken (Schulz).

Angela Merkel, die am ehesten etwas zu verlieren hatte, arbeitete sich dabei lapsusfrei durch die 90 Minuten Sendezeit. Da half es sicher, dass sie die Regeln des einzigen Fernseh-Duells bis über die Schmerzgrenze der Senderchefs brutal diktiert hatte. Und Martin Schulz trat überraschend moderat auf und schaffte es so nicht, die routinierte Regierungschefin aus dem Tritt zu bringen.

Zuschauer erfuhr nichts Neues

Weder von der Kanzlerin noch von Martin Schulz – abgesehen vom verschärftren Türkei-Kurs – erfuhr das Millionenpublikum wirklich Neues. Wer sich nur ein bisschen für Politik interessiert, hatte alles irgendwie schon mal gehört. Die Positionen? Wiedergekäut aus unzähligen Interviews, Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen und erstaunlich wenig Kontroverses. „Sie kennen mich“, sagt Angela Merkel gern. Mittlerweile kennt man auch alles, was sie sagt. Aber auch wenn der Auseinandersetzung die Spannung – und sicher auch die Überraschung – fehlte, war es dennoch ein gelungener Fernsehabend.

Beide Spitzenkandidaten im direkten Vergleich zu erleben, ist viel interessanter als sich bei Wahlveranstaltungen endlose Monologe anzuhören. Es war auch nicht nötig, sich verbal an die Gurgel zu gehen oder übertrieben schlechtzureden. Erstens passt das nicht zu Angela Merkel und Martin Schulz, die beide keine Anhänger des groben Keils sind. Und zweitens wäre es höchst verlogen gewesen: Schließlich hat die SPD von Martin Schulz die Politik der Kanzlerin vier Jahre lang brav mitgemacht und die CDU wiederum Herzensthemen der SPD artig durchgewunken.

Grenzen zwischen Volksparteien verwischt

Wäre nicht Wahlkampf und Merkel/Schulz Kontrahenten, könnte man fast sagen: Die beiden passen in ihrer Bodenständigkeit politisch und menschlich ganz gut zusammen. Und wer weiß denn heute bitte noch, wo die CDU links aufhört und die SPD rechts beginnt?

Spätestens das TV-Duell hat gezeigt, dass die Grenzen zwischen beiden Volksparteien längst komplett verwischt sind. Das macht die Profilierung der Spitzenleute so enorm schwer und erklärt die Kuschel-Atmosphäre beim angeblichen Duell, das über Phasen eher einem Duett glich.

Aber wer weiß? Vielleicht haben ja gestern nicht nur die Konkurrenten ums Kanzleramt miteinander gerungen, sondern auch die nächste Kanzlerin und ihr zukünftiger Vizekanzler? Bei aller Stärke, die die Demoskopen derzeit bei der Union sehen, ist eine neue große Koalition noch lange nicht vom Tisch. Auch dieses Szenario könnte der Herausforderer Martin Schulz gestern im Kopf gehabt haben, als er Angela Merkel die scharfe Kritik des fast hoffnungslos zurückliegenden Herausforderers ersparte.

Apropos ersparen: Das TV-Duell hätte sicher an Qualität gewonnen, wenn man bei der Anzahl der Moderatoren gespart hätte. Vier Journalisten, die nicht nur Zeit für Fragen, sondern auch fürs eigene Ego brauchten, waren leider zu viel.