Berlin. SPD-Chef Martin Schulz schaltet um in den Attacke-Modus. Bundeskanzlerin Merkel sei „entrückt und abgehoben“. Kann er den Trend drehen?

Die Sache mit dem Mikrofon scheint Martin Schulz nicht zu passen – er, der gern gestikuliert, hätte lieber beide Hände frei. Aber weil es auf der Freitreppe an der Spree an diesem Sonntagnachmittag ziemlich windig ist, reicht das kleine Mikro am Revers des SPD-Kanzlerkandidaten nicht und Schulz bekommt beim ARD-„Sommerinterview“ ein größeres Gerät in die Hand gedrückt. Da sehe er ja aus wie ein Lokalreporter, grummelt Schulz – aber es hilft nichts. Die Technik…

Es läuft insgesamt nicht rund für Schulz. In den Umfragen liegen er und seine SPD meilenweit hinter Kanzlerin Angela Merkel und der Union. Nun, vier Wochen vor der Wahl, bläst Schulz gewissermaßen zur Attacke auf seine Kontrahentin – in einem „Fernduell“. Schulz sitzt bei der ARD, wenig später wird Merkel ein paar Schritte weiter beim ZDF ihrerseits Rede und Antwort stehen. Es ist so etwas wie der Aufgalopp vor dem großen TV-Duell am kommenden Sonntag. Aufgezeichnet wird jeweils am Nachmittag, gesendet am frühen Abend.

So scharf hatte Schulz seine Kontrahentin noch nicht attackiert

Merkel sei „abgehoben“ und „entrückt“, sagt Schulz bei der ARD. Er bezieht sich dabei auf Berichte, wonach die CDU-Chefin in nicht korrekter Weise Fluggerät der Bundespolizei oder der Bundeswehr nutze, um zu Wahlkampfauftritten zu gelangen. „Das ist eine Art der Abgehobenheit, die ist mobilisierend für meine Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf“, glaubt Schulz. So scharf und so direkt ist Schulz die Bundeskanzlerin bislang noch nicht angegangen.

Martin Schulz am Sonntag beim ARD-Sommerinterview in Berlin.
Martin Schulz am Sonntag beim ARD-Sommerinterview in Berlin. © Getty Images | Michele Tantussi

Auch beim Thema Diesel-Affäre geht Schulz in die Offensive und wirft Merkel vor, sie habe „in dieser Frage keinen Plan“. Zunächst habe die Kanzlerin eine Million Elektro-Fahrzeuge als Ziel ausgegeben und sei davon wieder abgerückt. Dann habe sie „das Ende des Verbrennungsmotors verkündet, da ist sie jetzt wieder umgefallen“. Die Kanzlerin verhindere zudem die Möglichkeit, per Gesetz die Möglichkeit zu Sammelklagen zu schaffen. Schulz: „Das Bundeskanzleramt blockiert das Recht, das Bürger gegenüber Konzernen haben könnten.“

Merkel schlüpft in die Rolle der Wohlfühlkanzlerin

Es klingt wieder verzweifelte Versuch des SPD-Chefs, den seit Wochen anhaltenden Trend gegen seine Partei und ihrer Spitzenmann in seinem Sinne zu drehen. Doch wie greift man eine Kontrahentin an, die so gut wie keine Angriffsfläche bietet? Und wie reagiert Merkel auf die Attacken von Schulz?

Mikrofon-Probleme hat die Bundeskanzlerin jedenfalls schon deshalb nicht, weil sie beim ZDF im überdachten Atrium Platz nehmen darf, wo sich kein Lüftchen regt. Und sie schlüpft gleich wieder in die Rolle der Wohlfühlkanzlerin. Mit einer „Mischung aus Erfahrung und dem Willen, zu gestalten“ strebe sie eine weitere Amtszeit an. Und: „Zusammenhalt, Wohlstand und Sicherheit sind für mich die ganz wichtigen Dinge.“

Merkel ist gelassener als Schulz

ZDF-Interviewerin Bettina Schausten macht es der Regierungschefin nicht allzu schwer. „Waren Sie zu freundlich mit der Automobilindustrie?“, fragt sie etwa beim Thema Diesel. Merkel sagt, sie wolle keine Fahrverbote und verweist auf den nächsten Diesel-Gipfel mit den Kommunen in den nächsten Tagen. Es werde Arbeitsgruppen geben, man müsse einen Schritt nach dem anderen machen. Merkel wie sie leibt und lebt. Und die Autoindustrie? Ja, da sei „Vertrauen verloren gegangen“, sagt Merkel. Aber: „Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre geben, genauso wie den Verbrennungsmotor.“ Es wäre falsch, jetzt ein Ausstiegsdatum festzulegen.

Merkel ist insgesamt merklich gelassener als Schulz. Dessen Vorwurf der Abgehobenheit lässt sie lächelnd abtropfen: Sie habe einen Eid geleistet, dem Wohl des deutschen Volkes zu dienen. Und ansonsten würden ja die Wähler entscheiden. Mehr nicht. Auch den Vorwurf in Sachen Sammelklagen weist sie in einem Satz zurück: Die Vorlagen dazu aus dem Justizministerium reichten „so noch nicht“, da müsse nachgebessert werden und danach könne man gern darüber reden.

Und ansonsten: „Ich freue mich auf das Fernsehduell mit Martin Schulz“, sagt Merkel. Ob der SPD-Chef sich auch freut?