Brüssel/Berlin. Wie nun in Brüssel und London nutzen Attentäter immer öfter Messer für Angriffe. Die sind leicht zu beschaffen und trotzdem gefährlich.

In den Nacken, in die Brust, in den Bauch. Diese Ziele geben die Strategen des selbst ernannten „Islamischen Staates“ (IS) ihren Anhängern vor. Nicht empfohlen werden Klappmesser oder Küchenmesser, stattdessen feststehende, scharfe Klingen. Messer, schreiben die Autoren der IS-Propaganda-Zeitschrift „Rumiyah“ (Rom), seien in jedem Land zu beschaffen und leicht zu verstecken.

Es sind Anleitungen für schwere Straftaten, die nicht viel brauchen außer ein wenig Geld und eine fanatisierte Person. Immer wieder gab es zuletzt diese Angriffe: im Februar 2016 in Hannover, dann im Sommer 2016 in Würzburg, im Juni dieses Jahres in London, Ende Juli in Hamburg und erst vor ein paar Tagen im finnischen Turku. Auch in asiatischen Staaten wie Indien oder Bangladesch brüstet sich der IS mit etlichen auch tödlichen Messerattacken.

Wenig Aufwand, gefährliche Taten

Jetzt stehen die Städte Brüssel und London im Fokus der Anti-Terror-Ermittler – wieder einmal. Fast zeitgleich griffen zwei Männer an. Zusammenhänge der Straftaten sind nicht zu erkennen, die Hintergründe noch nicht aufgeklärt. Auch der IS hat die Angriffe noch nicht für sich reklamiert, Verbindungen der Beschuldigten zur Terrororganisation IS sind bisher nicht bekannt. Und doch zeigen die Attacken, wie radikalisierte Menschen mit wenig Aufwand gefährliche Taten begehen können.

Bei diesen fünf Attacken haben islamistische Terroristen Fahrzeuge als Waffe benutzt

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    Der am Freitagabend im Zentrum von Brüssel erschossene Angreifer habe neben der Stichwaffe auch die Attrappe einer Feuerwaffe und zwei Ausgaben des Koran bei sich gehabt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der 1987 geborene Belgier aus einer somalischen Familie habe „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen, als er drei Angehörige einer Militärpatrouille von hinten attackiert habe.

    Kleinkriminelle werden zu religiösen Fanatikern

    „Die Ereignisse wurden als versuchter terroristischer Mord eingestuft“, erklärte die Staatsanwaltschaft. In der Nacht sei die Wohnung des mutmaßlichen Attentäters in Brügge durchsucht worden. Er war nach offiziellen Angaben vorher nicht wegen terroristischer Aktivitäten bekannt, aber im Februar wegen einer unpolitischen Gewalttat aufgefallen.

    Dass Täter vor ihrer Karriere als selbst ernannte Dschihadisten schon mit Körperverletzungen und Gewaltaktionen auffallen, kommt häufig vor. Es sei wichtig, das „Verlangen nach Gewalt“ bei vielen Fällen radikalisierter junger Menschen zu untersuchen, um etwa auch durch Präventionskonzepte solche Taten zu verhindern, sagt Saad Amrani dieser Redaktion.

    Gewalt in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Clique

    Fast zeitgleich wie in Brüssel griff am Freitagabend ein Attentäter zwei Polizisten in London an.
    Fast zeitgleich wie in Brüssel griff am Freitagabend ein Attentäter zwei Polizisten in London an. © dpa | Lauren Hurley

    Amrani ist Polizeichef der Brüsseler Gemeinde Ixelles und ermittelt seit vielen Jahren in Sachen Terrorismus. Belgien gilt als Hochburg islamistischer Extremisten. Im März 2016 rissen Selbstmordattentäter in der Brüsseler U-Bahn und am Flughafen 32 Menschen mit in den Tod. Im August 2016 attackierte ein Mann in Charleroi zwei Polizistinnen mit einer Machete. Noch immer gilt in Belgien die zweithöchste Terrorwarnstufe.

    „Die jungen Täter sind häufig mit Gewalt aufgewachsen“, sagt Amrani. In der Familie, in der Nachbarschaft, in kleinkriminellen Jugend-Cliquen, und manche später auch mit schweren Verbrechen wie Raub. „In vielen Fällen ist es nicht der radikale Islam, der besonnene Menschen zu Gewalttätern macht. Es ist vielmehr eine bereits gewaltaffine Person, die sich einer radikalen Auslegung der Religion zuwendet.“

    Das Schwert hat eine Länge von 1,20 Meter

    Doch auch die Brüsseler Sicherheitsbehörden und die Regierung stehen seit Monaten in der Kritik. Vor allem nach dem Anschlag in Paris, der maßgeblich von Terroristen aus Brüssel geplant worden war, wurde deutlich: Polizei und Justiz haben die dschihadistische Szene des Landes nicht unter Kontrolle. Informationen über gefährliche Personen wurden selbst innerhalb der belgischen Sicherheitsbehörden nur unzureichend ausgetauscht.

    Neben Brüssel ist auch London immer wieder im Fokus von Terroristen. Nach einem Zwischenfall am Freitagabend vor dem Buckingham-Palast haben Beamte einer Anti-Terror-Einheit die Ermittlungen übernommen. Polizisten hatten einen Mann festgenommen, der sein Auto unerlaubt anhielt und ein 1,20 Meter langes Schwert im Fahrzeug hatte.

    Die Zunahme der Attacken zeigt: Die IS-Propaganda verfängt

    Etwa 500.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Barcelona gegen den Terrorismus. Unter ihnen auch der spanische König Felipe (M.) und Premierminister Mariano Rajoy (l.).
    Etwa 500.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Barcelona gegen den Terrorismus. Unter ihnen auch der spanische König Felipe (M.) und Premierminister Mariano Rajoy (l.). © dpa | Francisco Seco

    Bei der Festnahme des 26-Jährigen hätten zwei Polizisten Armverletzungen erlitten. Anders als in Brüssel wurden die Sicherheitskräfte nicht gezielt angegriffen. Doch auch er soll den Beamten zufolge mehrfach „Allahu Akbar“ gerufen haben. Die Ermittlungen laufen.

    Der IS ruft seine Anhänger schon lange zu Angriffen mit Messern oder Autos auf. Die Zunahme der Attacken zeigt: Die Propaganda verfängt. Doch viele Menschen wollen den Terror nicht unkommentiert lassen. Nach den tödlichen Anschlägen vor gut einer Woche in Barcelona demonstrierten am Sonnabend etwa 500.000 Menschen in der Hauptstadt Kataloniens gegen Gewalt. Sie riefen: „Ich habe keine Angst.“