Berlin. Der Autobahnbetreiber A1 Mobil verlangt 640 Millionen Euro für Einnahmeausfälle. Der Bund lehnt die Forderungen ab – und erntet Kritik.

Es ist eine 640-Millionen-Euro-Klage: Der private Autobahnbetreiber A1 Mobil verlangt diese Summe in einem Schreiben vom Bundesverkehrsministerium. In dem Brief ist die Rede von einer für die Firma „existenzbedrohenden Situation“. Der Betreibergesellschaft könnte demnach in wenigen Monaten eine Insolvenz drohen. A1 Mobil betreibt die teilprivatisierte Autobahnstrecke zwischen Hamburg und Bremen. An der Gesellschaft beteiligt sind Johann Bunte, ein Bauunternehmen aus Papenburg, und der britische Infrastrukturfonds John Laing. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuerst darüber berichtet.

Martin Schulz sprach sich klar gegen die Zusammenarbeit von Privatwirtschaft und Staat beim Straßenbau aus. „Mit mir als Kanzler wird es eine Autobahnprivatisierung nicht geben“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Bereits in den Koalitionsgesprächen zur Gründung der geplanten Bundesfernstraßengesellschaft habe die SPD gegen den Willen von CDU und CSU ein Privatisierungsverbot durchgesetzt. „Wie gut wir beraten waren, da nicht lockerzulassen, sieht man jetzt im Fall der A1.“

Es geht um 73 Kilometer zwischen Hamburg und Bremen

Die A1 galt als Vorzeigeprojekt des Verkehrsministeriums. Die 73 Kilometer wurden in nur vier Jahren – von 2008 bis 2012 – sechsspurig ausgebaut. Ein Rekord – normalerweise dauern Umbauten in ähnlich langen Autobahnabschnitten wesentlich länger. Die Baukosten für die sogenannte Hansalinie betrugen eine halbe Milliarde Euro.

„Mit mir als Kanzler wird es eine Autobahnprivatisierung nicht geben“, sagte Martin Schulz der WAZ.
„Mit mir als Kanzler wird es eine Autobahnprivatisierung nicht geben“, sagte Martin Schulz der WAZ. © dpa | Wolfgang Kumm

Die Verabredung, die der Staat mit der Betreibergesellschaft geschlossen hat, klingt einfach: Die Investoren bauen die Autobahn und sorgen für die nötigen Reparaturen. Im Gegenzug erhalten sie für 30 Jahre Einnahmen aus der Lkw-Maut. Die ausgebaute Autobahn gehört weiterhin dem Bund. Das Modell heißt „öffentlich-private Partnerschaft“ (ÖPP). Der Staat unternimmt diese Teilprivatisierungen, weil so ein schneller Ausbau der Infrastruktur erfolgt, ohne dass öffentliche Haushalte in kurzer Zeit viel Geld ausgeben müssen. Das Problem ist nun offenbar: Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 führte zu weniger Güterverkehr. Und so kam nicht so viel Geld wie geplant über die Lkw-Maut rein.

SPD schießt gegen Privatisierungsprojekte im Straßenbau

Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, ist dagegen, das Autobahnkonsortium zu unterstützen. „Wir werden keinen Euro in diese Autobahn-Betreibergesellschaft reinstecken“, sagte Kahrs dieser unserer Redaktion. „Das heißt: kein Steuergeld für dieses gescheiterte Modell.“ Zudem müsse überprüft werden, „ob die anderen ÖPP-Projekte rückabgewickelt werden können. Wir halten die ÖPP-Modelle für unwirtschaftlich.“

Bisher gibt es sechs ÖPP-Projekte: neben der A1 zwischen Hamburg und Bremen zwei Abschnitte der A8 zwischen Ulm und München sowie Abschnitte auf der A4 bei Gotha, der A5 zwischen Karlsruhe und Offenbach und der A9 in Thüringen. Sieben weitere Teilprivatisierungen sind geplant.

Dobrindt hält an seinen Plänen fest

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). © imago/Jürgen Heinrich

Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Bundesverkehrsministerium rückte am Mittwoch nicht von diesen Plänen ab. ÖPP-Projekte seien ein „sinnvolles und gutes Instrument“, sagte ein Ministeriumssprecher. Falls die Betreibergesellschaft insolvent ist, fällt die Aufgabe, die A1 zu unterhalten, wieder dem Bund zu, machte er deutlich. „Für den Autofahrer ändert sich nichts.“ Der Bund lehnt die Forderungen von A1 Mobil ab. Das Verkehrsmengenrisiko liege beim Betreiber, hieß es.

Die Grünen attackieren Dobrindt nach dem Rückschlag bei der Teilprivatisierung von Autobahnen. „Die Pleite der A1-Betreiber ist eine kräftige Watsche für Minister Dobrindt“, sagte Anton Hofreiter unserer Redaktion. Seit Jahren schlage Dobrindt alle Warnungen vor unnötigen Kostensteigerungen bei öffentlich-privaten Partnerschaften in den Wind. „Dobrindt und A1 zeigen: So drohen zusätzliche Belastungen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“ Jetzt habe der Bund die Chance, dieses Autobahnprojekt wieder in die eigenen Hände zu nehmen – was kostengünstiger und transparenter sei.