Berlin. Der Drogen- und Suchtbericht verzeichnet mehr Cannabiskonsum. Die Drogenbeauftragte warnt vor Verharmlosung und kritisiert Lobbyisten.

Die Deutschen trinken und rauchen weniger als vor 15 Jahren – dafür steigt gerade bei den Jüngeren die Zahl der Cannabis-Konsumenten. Schuld daran ist in den Augen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vor allem die breite Diskussion über die Freigabe der Droge: „Schluss mit dieser Lifestyle-getriebenen Legalisierungsdebatte“, forderte Marlene Mortler (CSU) bei der Vorstellung des neuen Drogen- und Suchtberichts am Freitag in Berlin.

„Linke, Grüne, ein Teil der SPD und die FDP fallen denjenigen in den Rücken, die standhaft Nein zu Cannabis sagen.“ Cannabis ist in Deutschland die am meisten konsumierte illegale Droge. Forderungen nach einer Freigabe gibt es schon lange – inzwischen ziehen Grüne, Linke und Liberale mit dem Versprechen einer Legalisierung in den Bundestagswahlkampf.

Cannabis wirkt durch Züchtungen stärker als früher

Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung © imago/Jürgen Heinrich | imago stock

Mortler zufolge wird der Druck auf die Politik mittlerweile jedoch auch durch ausländische Investoren erhöht, die auf dem zahlungskräftigen deutschen Markt ein gutes Geschäft mit Cannabis-Produkten wittern. „Die Cannabis-Lobby ist heute einflussreicher als die Tabak-Lobby“, so Mortler.

Die CSU-Politikerin warnt vor einer Verharmlosung der Droge: „Das Cannabis von heute hat nichts mehr mit dem Cannabis von vor 20 Jahren zu tun.“ Experten bestätigen das: Züchtungen haben dazu geführt, dass der Gehalt des Wirkstoffs THC heute viermal so hoch ist wie früher – der Preis dagegen blieb weitgehend stabil.

Grüne kritisieren Stillstand bei legalen Drogen

Bereits jetzt warnen viele Fachleute vor den Folgen regelmäßigen Cannabiskonsums gerade bei Jugendlichen: Etliche Studien hätten gezeigt, dass Cannabis das Risiko für eine Psychose, für Depressionen und Angststörungen erhöhe, so Eva Hoch, Suchtexpertin von der Universität München. Eine Freigabe nur für Erwachsene, wie manche fordern, löse das Problem jedoch nicht, so Mortler: Im US-Bundesstaat Colorado, wo Cannabis frei verkäuflich ist, sei die Zahl der Konsumenten bei Jugendlichen seit der Legalisierung um 20 Prozent gestiegen.

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    Die Grünen hielten am Freitag dagegen: Guter Jugendschutz lasse sich nicht durch „pauschale Verbote, die in der Praxis nicht durchgesetzt werden können und einen riesigen Schwarzmarkt schaffen“ bewirken, so Harald Tepe, drogenpolitischer Sprecher seiner Partei. Kritik übten die Grünen auch an der Gesamtbilanz der großen Koalition: Bei den legalen Drogen Alkohol und Tabak herrsche politisch Stillstand.

    Medikamentenabhängigkeit vor allem in der Gruppe 65+ verbreitet

    „Werbebeschränkungen für Tabak und Alkohol müssen endlich eingeführt und umgesetzt werden“, so Tepe. „Völlig untergegangen ist auch das Dauerproblem Medikamentenabhängigkeit, obwohl dies nach Tabak die zweithäufigste Form der Abhängigkeit ist.“ Gerade für die große Gruppe der Betroffenen ab 65 Jahren müsse in der nächsten Legislaturperiode dringend etwas getan werden.

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      Die Drogenbeauftragte will dagegen einen anderen Schwerpunkt setzen: Sie empfahl der nächsten Regierung, sich vor allem verstärkt um die rund drei Millionen Kinder zu kümmern, die mit mindestens einem suchtkranken Elternteil groß werden. Ein Drittel dieser Kinder wird Studien zu Folge im späteren Leben selbst drogenabhängig, viele bilden zudem psychische Störungen aus.