Barcelona. Die Menschen in Spanien sind nach den Geschehnissen in Barcelona, Cabrils und Alcana in Angst. Sie fragen sich: Wo ist man noch sicher?

  • Nach dem Anschlag von Barcelona stehen viele Menschen in ganz Spanien unter Schock.
  • Aber auch viele Urlauber in der Metropole können noch nicht fassen, was dort geschah.
  • Vereint sind Spanier und Touristen in ihrer Wut und in der Trauer um die Opfer.

Das sonnige Spanien galt Millionen Touristen aus dem eher verregneten Norden Europas als verlockendes und vor allem sicheres Urlaubsziel. Keine politischen Unruhen oder gar Terroranschläge wie in der Türkei, Ägypten und Tunesien.

Bis Donnerstagnachmittag, als ein junger Mann mit einem Miettransporter auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona mindestens 14 Menschen mit voller Absicht totfuhr und etwa 100 weitere zum Teil schwer verletzte. Nur wenige Stunden später werden in der Stadt Cambrils rund 100 Kilometer südwestlich von Barcelona fünf mutmaßliche Terroristen von der Polizei erschossen.

Mondäne Prachtmeile verwandelt sich in Ort des Grauens

Binnen Sekunden verwandelte sich am Donnerstag die Platanen bestandene Prachtmeile Las Ramblas mit ihren mondänen Geschäften und schattigen Straßencafés in einen Ort des Grauens. Passanten wurden von der Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert, Tote und Verletzte lagen auf dem Boden und Menschen liefen schreiend um ihr Leben, Bruchteile von Sekunden entschieden über Tod oder Leben.

„Da lagen Menschen auf dem Pflaster, blutüberströmt, ich weiß nicht, ob sie noch lebten“, erzählt eine junge Deutsche, die ihren Namen nicht nennen mag. Der Schock ist ihr ins Gesicht geschrieben, der Ausdruck starr und ungläubig.

Terroranschlag mit Van in Barcelona

Ein Lieferwagen hat am Donnerstag im Zentrum Barcelonas (Spanien) mehrere Menschen gezielt überfahren. Kurz danach rückte die Polizei zu einem Einsatz in Cambrils aus. Wir zeigen Bilder.
Ein Lieferwagen hat am Donnerstag im Zentrum Barcelonas (Spanien) mehrere Menschen gezielt überfahren. Kurz danach rückte die Polizei zu einem Einsatz in Cambrils aus. Wir zeigen Bilder. © dpa | Pawi Lerma
Viele Menschen wurden getötet und verletzt.
Viele Menschen wurden getötet und verletzt. © dpa | Oriol Duran
Rettungskräfte im Einsatz.
Rettungskräfte im Einsatz. © Getty Images | Nicolas Carvalho Ochoa
Die Polizei sperrte den Bereich um den Anschlagsort großräumig ab.
Die Polizei sperrte den Bereich um den Anschlagsort großräumig ab. © dpa | Manu Fernandez
Passanten wurden aufgefordert, ...
Passanten wurden aufgefordert, ... © dpa | Manu Fernandez
... , die Gegend zu verlassen.
... , die Gegend zu verlassen. © dpa | Manu Fernandez
Die Polizei brachte nach dem Anschlag die Menschen in Sicherheit, die sich nahe am Tatort befanden.
Die Polizei brachte nach dem Anschlag die Menschen in Sicherheit, die sich nahe am Tatort befanden. © REUTERS | STRINGER
Am Ort des Anschlags versorgten Sanitäter Verletzte.
Am Ort des Anschlags versorgten Sanitäter Verletzte. © dpa | Oriol Duran
Las Ramblas ist eine bekannte Flanier- und Einkaufsmeile in Barcelona.
Las Ramblas ist eine bekannte Flanier- und Einkaufsmeile in Barcelona. © dpa | Manu Fernandez
Dort halten sich üblicherweise zahlreiche Touristen auf.
Dort halten sich üblicherweise zahlreiche Touristen auf. © dpa | Manu Fernandez
Die Menschen in der Gegend von Las Ramblas waren während der Geschehnisse von der Polizei aufgefordert worden, sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Die Menschen in der Gegend von Las Ramblas waren während der Geschehnisse von der Polizei aufgefordert worden, sich nicht von der Stelle zu bewegen. © REUTERS | STRINGER
Polizeikräfte stehen vor dem weißen Lieferwagen. Die IS-Terrormiliz reklamierte das Attentat für sich.
Polizeikräfte stehen vor dem weißen Lieferwagen. Die IS-Terrormiliz reklamierte das Attentat für sich. © David Ramos
Nach Berichten von spanischen Medien war der weiße Lieferwagen, der für den Anschlag benutzt wurde, ein Mietfahrzeug.
Nach Berichten von spanischen Medien war der weiße Lieferwagen, der für den Anschlag benutzt wurde, ein Mietfahrzeug. © REUTERS | SERGIO PEREZ
Auch in der Nacht setzte die Spurensicherung ihre Arbeit an dem Schauplatz des Anschlags fort.
Auch in der Nacht setzte die Spurensicherung ihre Arbeit an dem Schauplatz des Anschlags fort. © REUTERS | SERGIO PEREZ
Wenige Stunden nach dem Terroranschlag in Barcelona tötete die Polizei in einem Küstenort in Katalonien fünf mutmaßliche Attentäter. Die Täter sollen eine ähnliche Tat wie in Barcelona geplant haben und trugen auch Sprengstoffgürtel.
Wenige Stunden nach dem Terroranschlag in Barcelona tötete die Polizei in einem Küstenort in Katalonien fünf mutmaßliche Attentäter. Die Täter sollen eine ähnliche Tat wie in Barcelona geplant haben und trugen auch Sprengstoffgürtel. © REUTERS | REUTERS TV
Bereits am Mittwoch gab es eine Explosion in einem Wohnhaus in dem Ort Alcanar. Bei der Gasexplosion in der Provinz Tarragona etwa 200 Kilometer südlich von Barcelona seien ein Mensch getötet und sieben weitere verletzt worden, erklärte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero. Es gebe „klare“ Verbindungen zu dem Anschlag in Barcelona.
Bereits am Mittwoch gab es eine Explosion in einem Wohnhaus in dem Ort Alcanar. Bei der Gasexplosion in der Provinz Tarragona etwa 200 Kilometer südlich von Barcelona seien ein Mensch getötet und sieben weitere verletzt worden, erklärte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero. Es gebe „klare“ Verbindungen zu dem Anschlag in Barcelona. © dpa | Bombers De La Generalitat
Die Vorkommnisse in Spanien haben auch in anderen Ländern wie den USA die Sorge vor erneuten Terroranschlägen vergrößert. Hier stehen Angehörige der Antiterroreinheit der New Yorker Polizei schwerbewaffnet auf dem Time Square in New York.
Die Vorkommnisse in Spanien haben auch in anderen Ländern wie den USA die Sorge vor erneuten Terroranschlägen vergrößert. Hier stehen Angehörige der Antiterroreinheit der New Yorker Polizei schwerbewaffnet auf dem Time Square in New York. © dpa | Michael Noble Jr.
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Geschockt ist auch die ganze bisher so entspannte und in sich selbst ruhende Stadt. „Wie kann man so viel Hass in seinem Kopf haben, dass man Kinder überfährt, wofür wollte er sich denn rächen?“, fragt Lorenzo und hebt hilflos die Arme. „Was immer dem Typen in seinem Leben widerfahren sein mag, so eine Tat ist einfach nicht zu verstehen.“ Mit seiner Frau wartet er seit Stunden darauf, wieder in seine Wohnung direkt am Ort des Anschlags gehen zu dürfen.

Der Todesfahrer ist noch auf der Flucht

„Es ist noch nicht sicher“, wiederholen Polizisten auch nach Mitternacht noch gebetsmühlenartig, wenn sie Hunderte Anwohner und Touristen an den weiträumigen Absperrungen rund um den Anschlagsort stoppen. Der Todesfahrer, der nach seinem Attentat zu Fuß flüchtete, ist noch nicht gefasst. Und südlich von Barcelona werden bei einer Polizeiaktion fünf mutmaßliche Terroristen getötet.

Zehntausende Autofahrer sitzen auf allen Ausfallstraßen bis zu vier Stunden in kilometerlangen Staus, weil die Polizei an hastig errichteten Straßensperren Auto für Auto filzt.

Barcelona-Attentäter auf der Flucht - Zweite Tat verhindert

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    Polizisten und Hotelangestellte ziehen mit Gruppen verunsicherter Urlauber durch die nächtlichen Straßen rund um den Anschlagsort, um ihnen sicheres Geleit zu ihren Hotels zu geben. Immer wieder versuchen einzelne, trotz der Flatterbänder durchzukommen, werden aber von energischen Polizisten verscheucht.

    „Wirklich sicher ist man nirgendwo mehr“

    „Es sind nur 18 Meter bis zu unserem Hotel“, sagt Juri aus dem russischen Krasnodar entnervt. „Aber sie lassen uns einfach nicht durch, immer wieder heißt es, vielleicht in zehn Minuten“, erzählt er. „Es ist eine große Tragödie, so wie der U-Bahnanschlag in St. Petersburg. Wirklich sicher ist man nirgendwo mehr, es ist einfach eine Frage des Glücks“, sagt Juri und wartet weiter vor dem Flatterband der Polizei. Überall sitzen und stehen Grüppchen von Menschen, diskutieren oder starren auf die gespenstische Szenerie.

    Manche halten sich einfach nur fest in den Armen. Selbst Polizisten mit Maschinenpistolen legen verschreckten Passanten schon mal den Arm um die Schulter. Noch immer jaulen Krankenwagen an Schaulustigen vorbei, Blaulicht zuckt durch die Nacht. Ansonsten ist die Stadt ungewöhnlich leer, die Menschen haben sich in den Schutz ihrer Häuser zurückgezogen, Straßenfeste wurden abgesagt.

    Verstörung und Angst

    Im katalanischen Touristenort Cambrils sind Polizisten wenig später im Einsatz. Fünf mutmaßliche Terroristen werden erschossen. Sieben Menschen werden verletzt, zwei davon schwer, wie der katalanische Zivilschutz berichtet. Die Ermittler gehen davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen den Taten in Barcelona und Cambrils gibt. Möglicherweise wollten die mutmaßlichen Terroristen den Anschlag auf der Touristenmeile Las Ramblas nachahmen.

    Selbst, wer den Schrecken in Barcelona nicht unmittelbar erlebt hat, ist sehr verstört und verunsichert. „Ich kam gerade mit Freunden, die ein Baby dabei hatten, von einer Wohnungsbesichtigung“, erzählt die Katalanin Sandra. Plötzlich sei ihnen ein Mann mit einem von Panik völlig entstellten Gesicht entgegengelaufen und habe gebrüllt: „Ein Terroranschlag“. Die Menschen seien durcheinander gerannt, hätten sich in Läden und Restaurants geflüchtet. „Man weiß ja am Anfang gar nicht, was passiert ist, wo die Gefahr auf einen lauert, und mit einem Baby fühlt man sich noch verwundbarer“, sagt die Frau.

    „Solche Anschläge gibt es in Mexiko nicht“

    Auch Judith und Augusto warten an einer Absperrung darauf, endlich in ihr Hotel zu dürfen. Sie sitzen auf dem Kantstein und sind froh, noch am Leben zu sein. „Nur 20 Minuten vorher waren wir da, wo der Anschlag war“, erzählt die junge Mexikanerin.

    „Wir sind ja viel Gewalt gewöhnt, Entführungen, Schießereien zwischen Drogenbanden, Auftragskiller und so, aber solche Anschläge wie hier gibt es in Mexiko nicht“, sagt sie kopfschüttelnd. „Wir sind extra nach Spanien gekommen, um endlich mal in Ruhe Urlaub zu machen und nun dies“, meint ihr Begleiter. „Und wo kann man denn nun noch sicher sein“, fragt Judith. „Vielleicht auf dem Mond“, antwortet sie sich selbst und zeigt auf den dunklen Himmel. Dort aber ist noch kein Mond zu sehen. Erst später taucht er über dem Horizont auf. Eine schmale, scharfe Sichel. (dpa)

    Kleintransporter fährt in Menschenmenge in Barcelona

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