Soll das Beichtgeheimnis auch bei Kindesmissbrauch gelten?
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Berlin/Sydney. In Australien hat sich eine hohe staatliche Kommission dafür ausgesprochen, das Beichtgeheimnis zu lockern. Die Kirche ist entsetzt.
In Australien ist ein heftiger Streit um das Beichtgeheimnis entbrannt. Auslöser: Eine hochrangige staatliche Ermittlungskommission hatte empfohlen, das Beichtgeheimnis bei Fällen von Kindesmissbrauch abzuschaffen.
Die Kommission zur Aufarbeitung von Kindesmissbrauch veröffentlichte am Montag insgesamt 85 Empfehlungen zur Reform des australischen Strafrechts. Unter anderem empfiehlt das Komitee, Geistliche in Zukunft strafrechtlich zu belangen, wenn sie bei der Beichte von sexuellen Vergehen an Kindern erfahren und die Justiz darüber nicht informieren.
Bischof: „Das muss so bleiben“
Die Reaktion der katholischen Kirche kam prompt: „Die Beichte ist in der katholischen Kirche die spirituelle Begegnung mit Gott durch den Priester. Das ist ein fundamentaler Bestandteil der Religionsfreiheit, der in Australien und vielen anderen Ländern gesetzlich abgesichert ist. Das muss so bleiben“, erklärte der australische Erzbischof Denis Hart in einer am Montag veröffentlichten Presseerklärung.
Erzbischof Hart stellte in seiner Erklärung klar, dass Priester Missbrauchsfälle, von denen sie außerhalb der Beichte erfahren, den Behörden melden müssen. „Wir sind absolut entschlossen, das zu tun“, betonte Hart.
So ist die Rechtslage in Deutschland
In Deutschland steht das Beichtgeheimnis unter dem Schutz des Gesetzgebers. So heißt es in Paragraf 132 des Strafgesetzbuches: „Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.“ Darunter fallen sämtliche Straftaten, bis hin zum Mord.
Anders ist die Lage in anderen europäischen Ländern. In Frankreich etwa entbindet das Beichtgeheimnis einen Geistlichen nicht von der Verpflichtung, Straftaten gegen Wehrlose oder Personen unter 15 Jahren anzuzeigen. Wenn er in solch einem Fall keine Strafanzeige stellt, kann er mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 45.000 Euro oder sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren belegt werden.
Fall Pell sorgte für Wirbel in Australien
In Australien hatte zuletzt der Fall des Kardinals George Pell für Schlagzeilen gesorgt. Pell sieht sich dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegenüber. Der 76-Jährige ist der oberste Finanzberater von Papst Franziskus und damit die Nummer drei im Vatikan – zudem gilt er als enger Vertrauter des Pontifex. Wegen der Vorwürfe lässt er seine Ämter derzeit jedoch bis auf Weiteres ruhen.
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Die „Royal Commission“ aus Juristen, Politikern und Psychologen berichtete von Fällen, in denen Täter sexuellen Missbrauch von Kindern gebeichtet und anschließend weitere Verbrechen dieser Art begangen hätten. Für Priester, die solche Vergehen wegen des Beichtgeheimnisses nicht der Polizei meldeten, dürfe es „weder eine Entschuldigung, Schutz oder Privilegien“ geben.
Mindestens 4400 Kinder missbraucht
Die Kommission untersucht seit mehr als vier Jahren, auf welche Weise die Kirchen und andere Einrichtungen Australiens, darunter Schulen, Sportvereine und staatliche Organisationen, mit Missbrauchsvorwürfen umgegangen sind. Die ersten Anhörungen hatten im April 2013 stattgefunden.
Laut im Februar veröffentlichten Zahlen wurden in den vergangenen Jahrzehnten mindestens 4440 Kinder von Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen, Ordensleuten und Priestern sexuell missbraucht. Das durchschnittliche Alter der Opfer lag demnach bei elf Jahren. In den meisten Fällen waren die Vorwürfe nicht untersucht oder den Betroffenen nicht geglaubt worden. Vertreter der katholischen Kirche hatten sich schockiert gezeigt. (epd/W.B.)
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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