Berlin. Mangelnde Erfahrung und berufliche Unsicherheit setzen den Beschäftigten stärker zu als regulären Arbeitnehmern. Das belegt eine neue Studie.

Leiharbeiter unterscheiden sich deutlich von anderen Arbeitnehmern mit einem regulären Job. Sie sind in der Regel männlich, relativ jung, haben oft keinen Berufsabschluss, verdienen weniger – und sie sind länger krank. Letzteres geht aus einer Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Seit mehreren Jahren schon wertet die größte gesetzliche Krankenkasse die Daten zu Fehlzeiten aus und stellt fest, dass Leiharbeiter immer länger krankgeschrieben sind. Konkret fehlten sie im vergangenen Jahr an durchschnittlich 20,3 Tagen. Das sind 5,6 Tage mehr als bei Arbeitnehmern in anderen Branchen (14,7 Tage). In den vergangenen Jahren hat sich die Situation verschlechtert: Im Jahr 2008 waren Leiharbeiter den TK-Zahlen zufolge nur an 14,7 Tagen krank. In anderen Branchen dagegen waren es damals nur elf Tage.

Vergleicht man die Jahreswerte miteinander, so zeigt sich bei den Leiharbeitern ein deutlich stärkerer Anstieg der Fehlzeiten. Dass die Krankmeldungen insgesamt zunehmen, liegt laut TK an Grippewellen und häufiger diagnostizierten psychischen Erkrankungen.

Leiharbeiter empfinden Einkommenssituation als belastend

Diese psychischen Leiden sind es auch, die bei Leiharbeitern signifikant häufiger auftreten als in anderen Branchen. Darauf sind im Durchschnitt 3,4 Krankheitstage pro Jahr zurückzuführen statt 2,4 Tage im Rest der Wirtschaft. Stärker noch ist der Unterschied bei Muskel-Skelett-Erkrankungen, hier fehlen Leiharbeiter 4,5 Tage, in anderen Branchen sind es 2,8 Tage.

Die Experten der Krankenkasse führen das darauf zurück, dass besonders viele Zeitarbeiter als Lagerarbeiter oder Auslieferungsfahrer körperlich schwer arbeiten müssen. Die psychischen Beschwerden erklärt Albrecht Wehner, bei der TK für die Gesundheitsberichterstattung zuständig, mit der Rolle als Leiharbeiter: „Die Beschäftigten leiden unter der teilweise großen Diskrepanz zwischen ihrer fachlichen Qualifikation und dem Aufgabenfeld, in dem sie eingesetzt sind.“ Viele Leiharbeiter empfänden auch ihre Einkommenssituation als belastend. Wehner zufolge belastet der Wechsel der Einsatzorte und -bereiche und die relativ hohe Arbeitsunsicherheit die Leiharbeiter stärker als andere Arbeitnehmer.

Hälfte aller Zeitarbeitnehmer sind ungelernte Hilfskräfte

Ähnlich sieht es auch Johannes Jakob, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Leiharbeiter üben öfter anstrengende, auch monotone Tätigkeiten aus, haben längere Fahrtwege zur Arbeit, die Arbeitszeiten wechseln öfter – diese Menschen müssen sich immer wieder an veränderte Betriebssituationen anpassen.“ Das erhöhe das Risiko für Krankheiten. Der häufige Wechsel der Arbeitsplätze führe auch zu einem erhöhten Unfallrisiko: Gefahren am neuen Arbeitsplatz seien unbekannt, zum Teil fehle eine ausreichenden Gefahreneinweisung, sagt Jakob. Sowohl der DGB als auch die Krankenkasse verlangen von den Leiharbeitsfirmen, aber auch von den entleihenden Unternehmen ein besseres betriebliches Gesundheitsmanagement.

Wolfram Linke, Sprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), gibt zu, dass das Krankheits- und Unfallrisiko in der Zeitarbeit höher ist: „Diese Tatsache muss man akzeptieren.“ Mehr als die Hälfte aller Zeitarbeitnehmer seien ungelernte Hilfskräfte, die mit ihrem beruflichen Umfeld oft nicht vertraut seien. Die Leiharbeitsfirmen gäben sich Mühe, die gesundheitlichen Belastungen zu senken. Vor einigen Jahren sei die Situation noch viel schlechter gewesen.