Berlin. Die Annexion der Halbinsel hat zu Sanktionen gegen Moskau geführt. Die FDP will den Konflikt entkrampfen – ein Stich ins Wespennest.

Der Vorstoß von FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit unserer Redaktion, die russische Annexion der Krim zunächst als „dauerhaftes Provisorium“ hinzunehmen, hat weltweit für Wirbel gesorgt. Wir haben nachgeforscht: Wie ist die Lage in der Ukraine und auf der Halbinsel Krim wirklich?

Herrscht noch Krieg in der Ukraine?
Ja, die Kämpfe nehmen sogar zu. Entlang einer knapp 500 Kilometer langen Kontaktlinie in der Ostukraine stehen sich ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Russland unterstützt die abtrünnigen Regionen Donezk und Lugansk mit Geld und Waffen. An manchen Tagen finden mehr als 1600 Explosionen statt, sagte Alexander Hug, stellvertretender Leiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine. Dabei gäbe es zwei einfache Maßnahmen, um die Lage zu entspannen: Entzerrung der Kampfparteien und Abzug der schweren Waffen jeweils 15 Kilometer hinter die Frontlinie. „Aber dafür fehlt offensichtlich der politische Wille“, so Hug.

Mehr als 10.000 Menschen wurden bislang in dem Konflikt getötet, der nach den Unruhen auf dem Kiewer Majdan Anfang 2014 eskalierte. Russland streitet eine militärische Einflussnahme ab. Dagegen wirft Kiew den Russen vor, die Milizen der Separatisten in der Ostukraine mit Geld und Waffen auszurüsten. Nach einem Bericht des ukrainischen Generalstabs, der dieser Redaktion vorliegt, befinden sich derzeit bis zu 2900 russische Soldaten und bis zu 197 russische Panzer auf dem Territorium der Ukraine.

Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl

Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013.
Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013. © dpa | Michael Kappeler
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann.
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann. © dpa | Matthias Balk
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein.
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent.
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent. © imago | Jens Jeske
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein.
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein. © dpa picture alliance | Emmanuele Contini
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen.
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen. © picture alliance / Maurizio Gamb | dpa Picture-Alliance / Maurizio Gambarini
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent.
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent. © picture alliance / Uli Deck/dpa | dpa Picture-Alliance / Uli Deck
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Wie steht es um die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens?
Bei der Umsetzung des Minsker Abkommens hakt es auf der ganzen Linie. In dem Papier, das im Februar 2015 durch die OSZE, die Ukraine, Russland und die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterzeichnet wurde, sind wichtige Schritte klar geregelt: Waffenruhe, Abzug schwerer Waffen, Wahlen in den abtrünnigen Regionen Donezk und Lugansk, Autonomie für die Aufständischen. Die beiden ersten Punkte fordert Kiew, die beiden letzten die Rebellen.

Die Lage hat sich weiter verschärft: Donezk und Lugansk haben im Juli einen eigenen Staat namens Malorossija (Kleinrussland) ausgerufen. Der Separatistenführer Alexander Sachartschenko kündigte einen dreijährigen Ausnahmezustand an, der ein Parteienverbot vorsieht. Danach soll eine Verfassung ausgearbeitet und zur Volksabstimmung vorgelegt werden.

Wie ist der Status der Krim?

FDP-Chef Christian Lindner hat im Interview mit unserer Redaktion die russische Annexion der Krim als „dauerhaftes Provisorium“
FDP-Chef Christian Lindner hat im Interview mit unserer Redaktion die russische Annexion der Krim als „dauerhaftes Provisorium“ © dpa | Soeren Stache

Seit der Annexion der Krim durch Russland am 18. März 2014 ist die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Halbinsel umstritten. Russland, das seither die faktische Kontrolle über die Krim ausübt, sieht diese als zwei seiner Föderationssubjekte. Dagegen betrachtet die Ukraine und die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft die Krim weiterhin als eine autonome Republik und Bestandteil des ukrainischen Staatsgebiets. In einem am 16. März 2014 durchgeführten Referendum über den Status der Krim hatten sich gemäß dem amtlichen Endergebnis 96,77 Prozent der Abstimmenden für einen Anschluss an Russland ausgesprochen.

Welche Sanktionen wurden gegen Russland verhängt?
Die EU erkennt die Annexion der Krim nicht an. Sie hat sofort Sanktionen gegen Moskau verhängt, die aktuell bis zum 15. September gelten. Insgesamt sind 40 Körperschaften wie zum Beispiel Unternehmen und 153 Personen von Vermögenssperren und Reiseverboten der EU betroffen.

Wegen der sanktionswidrigen Lieferung mehrerer Siemens-Gasturbinen auf die Krim hat die EU kürzlich Strafmaßnahmen gegen drei russische Firmen und drei Einzelpersonen beschlossen. Siemens hatte im Sommer 2016 mehrere Turbinen nach Russland geliefert, was erlaubt ist. Danach gelangten sie aber entgegen der vertraglichen Zusagen Russlands auf die Krim.

Zudem hat Amerika einseitig Sanktionen gegen den russischen Energiesektor verhängt und damit die EU und auch Deutschland verärgert. Begründung: Russlands Einmischung in der Ukraine und in Syrien sowie die Hackerangriffe während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes. Die US-Strafmaßnahmen können auch Firmen aus anderen Ländern treffen, die sich an der Instandsetzung, Modernisierung oder am Ausbau russischer Pipelines beteiligen.

Welches Ziel hat der Vorstoß von FDP-Chef Lindner?
Lindner will vor allem die Beziehungen zu Russland entkrampfen und neuen Schwung in den bilateralen Handel bringen. Als Folge der Sanktionen und des Ölpreisverfalls sind die Exporte von Deutschland nach Russland zwischen 2013 und 2016 um 40 Prozent eingebrochen. Nach Jahren der Krise hat sich die russische Wirtschaft allerdings zuletzt erholt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet für das laufende Jahr mit einem Plus von mindestens fünf Prozent bei den Ausfuhren Richtung Osten.

Die deutschen Bauern fangen Einbußen im Russlandgeschäft durch neue Märkte – insbesondere in Südostasien – auf. Moskau hatte als Reaktion auf die EU-Sanktionen vor drei Jahren einen Importstopp für Agrarprodukte aus Europa verhängt. Auf rund eine Milliarde Euro jährlich beziffert der Deutsche Bauernverband die eigenen Verluste in den vergangenen zwei Jahren. Erst im Juni hatte Kremlchef Wladimir Putin das Embargo bis Ende 2018 verlängert. Für Russland ist das eine Schutzmaßnahme zur Entwicklung der eigenen Landwirtschaft. Langfristig will der größte Flächenstaat der Erde ein bedeutender Lebensmittelexporteur werden.

Warum sind die Reaktionen so heftig?
Lindner rüttelt an einem Tabu von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Annexion der Krim durch Russland werde von der Bundesregierung wie auch von der EU als Bruch des Völkerrechts betrachtet, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die europäische Friedensordnung werde dadurch infrage gestellt.

Die Kanzlerin sei immer wieder für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts eingetreten. Die russische Presse begrüßte Lindners Vorstoß einhellig. So hob der vom Staat finanzierte Auslandssender RT Lindners Angebot hervor, Putin eine Offerte zu machen, die er „ohne Gesichtsverlust“ akzeptieren könne. Dagegen herrschte aufseiten der ukrainischen Regierung völliges Unverständnis.

Ungewohnten Beifall bekam der FDP-Vorsitzende von der Linkspartei. Deren Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sprach sich gegenüber unserer Redaktion dafür aus, „auch aus Gründen von Frieden und Sicherheit in Europa zu den Traditionen der Entspannungspolitik gegenüber Russland zurückzukehren“. Wenn sich die FDP „auf diese außenpolitischen Traditionen besinnt“, so Wagenknecht, „ist das begrüßenswert“.