Berlin. Die enge Allianz zwischen Autokonzern und Niedersachsen richtet Schaden an. Das wird in der Abgasaffäre besonders deutlich.

Ein Ministerpräsident lässt seine Rede von einem Autokonzern korrigieren – diese Nachricht hätte in jedem Fall Empörung ausgelöst, auch ohne Diesel-Skandal und ohne die politischen Turbulenzen, die es in Niedersachsen gibt. Nun trifft alles zusammen: die enge Verquickung von Politik und Autoindustrie und die politische Krise, in der Ministerpräsident Stephan Weil steckt. Beides hat miteinander nichts zu tun, aber dass eine Abgeordnete der rot-grünen Koalition in Hannover zur CDU übergelaufen ist, verstärkt das Scheinwerferlicht, in dem der Sozialdemokrat Weil steht. Und dort macht er keine gute Figur.

Dass Weil enge Kontakte zu VW hält, ist nachvollziehbar. Der Autokonzern ist der weitaus größte Arbeitgeber in dem Bundesland. Der Ministerpräsident muss sich dafür interessieren, wie es dem Unternehmen geht. Er muss darauf achten, dass es VW gut geht. Aber: Ein Politiker, zumal in einem so hohen öffentlichen Amt, muss immer die Freiheit haben, Missstände zu benennen, Aufklärung zu fordern und diese – nach seinen rechtlichen Möglichkeiten – selbst zu betreiben. Er muss unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens agieren können. Immer. Dazu ist er Bürgern und Wählern gegenüber verpflichtet.

Nicht im öffentlichen Interesse gehandelt

Gegen diese Prinzipien hat Stephan Weil verstoßen. Wer eine Erklärung gegenüber dem Landtag, einem Verfassungsorgan, von den Redenschreibern von VW verändern lässt, der handelt nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse des Unternehmens. Das geht nicht, in keiner Form. VW darf nicht selbst Politik machen. Dafür gibt es gewählte Volksvertreter.

Dass es trotzdem dazu kam, liegt an der besonderen Beziehung zwischen dem Autobauer und dem Bundesland. Niedersachsen hält Anteile an VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte. Der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister sitzen im Aufsichtsrat – wie übrigens alle ihre Vorgänger, ob von der SPD oder von der CDU. Diese Konstellation ist durch ein Gesetz geschützt. Sie ist historisch auch zu erklären. Höchste Gerichte haben das VW-Gesetz und den Einfluss Niedersachsens als zulässig erachtet.

Weil und seine Vorgänger konnten nicht frei handeln

Zu rechtfertigen ist alles das aber längst nicht mehr. Die Rolle einer Landesregierung als Anteilseignerin führt zu massiven Interessenkonflikten, die gerade im Diesel-Skandal nicht aufzulösen sind. Denn bei dem Skandal geht es um die (Nicht-)Beachtung staatlich gesetzter Normen. Woran orientiert sich in solchem Fall das Handeln des Ministerpräsidenten? „Für uns ist die Verantwortung gegenüber dem Unternehmen absolut vorrangig“, sagte Weil im April 2016 im Landtag. Das hätte schon damals einen Skandal auslösen müssen.

Für sich genommen taugt der Fall nicht zur großen Staatsaffäre. Ob und wie stark sich Weil von VW beeinflussen ließ, lässt sich daran nicht erkennen. Eher ist es so, dass das Unternehmen den Ministerpräsidenten gezielt unwissend gehalten hat: Weil wurde als Aufsichtsrat weder über den Diesel-Skandal noch über die Kartellabsprachen rechtzeitig informiert. Zum Glück, muss man sagen, denn was hätte er getan? Wieder das Unternehmensinteresse vorangestellt? Fakt ist aber, dass Weil und seine Vorgänger durch die Rolle als Anteilseigner und als Aufsichtsrat gebunden waren. Sie konnten nicht frei handeln.

Es gibt nur eine Lösung dafür, diese unheilige Allianz zwischen VW und der niedersächsischen Politik aufzulösen: Das VW-Gesetz muss weg, und das Land muss seine Anteile an dem Unternehmen verkaufen. Ob Weil noch einmal Ministerpräsident werden soll, müssen demnächst die Wähler entscheiden.