Berlin. Heimbewohner müssen pro Monat einen erheblichen Eigenbeitrag leisten. Die Höhe schwankt zum Teil gravierend zwischen den Bundesländern.

Seit Jahresbeginn ist in der Pflegeversicherung vieles anders geworden. So haben sich die Bedingungen verändert, nach denen jemand als pflegebedürftig eingestuft wird. Aus drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade. Geändert haben sich auch die Bedingungen, nach denen sich Menschen, die im Pflegeheim leben, an den Kosten dort beteiligen müssen.

Dass Pflegeheime unterschiedlich teuer sind, liegt auf der Hand. Daran hat sich nichts geändert. Neu ist seit Januar aber, dass alle Bewohner desselben Heimes nur noch einen einheitlichen Kostenbeitrag zahlen. Schwerstpflegefälle müssen nun denselben Eigenanteil beisteuern wie Heimbewohner, bei denen der Pflegeaufwand geringer ist.

Bundesweit gravierende Unterschiede

Dieser Eigenanteil ist nicht nur von Heim zu Heim verschieden. Auch bundesweit ergeben sich zum Teil gravierende Unterschiede. Das ergibt sich aus einer Auswertung des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV), die dieser Redaktion exklusiv vorliegt. Der Verband hat Daten aus rund 11.400 Pflegeheimen ausgewertet und miteinander verglichen. Damit sind so gut wie alle Pflegeheime in ganz Deutschland erfasst.

Weil die Leistungen der privaten Pflegeversicherung identisch mit denen der gesetzlichen Pflegekassen sind, ist auch die Abrechnung der Heimunterbringung in beiden Versicherungen gleich. Die Auswertung gilt deshalb für gesetzlich und privat versicherte Pflegebedürftige gleichermaßen.

Im Schnitt 1700 Euro selber zahlen

Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Pflegeversicherung tatsächlich nur eine Teilkasko-Versicherung ist. Sie übernimmt nur einen Teil der tatsächlich pro Monat anfallenden Kosten. Im bundesweiten Durchschnitt müssen Bewohner von Pflegeheimen rund 1700 Euro pro Monat aus der eigenen Tasche zahlen.

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Am teuersten ist die Unterbringung in Pflegeheimen in Nordrhein-Westfalen, dort werden 2163 Euro pro Monat fällig. Am niedrigsten ist die Zuzahlung in Mecklenburg-Vorpommern mit nur 1103 Euro pro Monat. Berlin liegt mit exakt 1748 Euro knapp über dem deutschlandweiten Durchschnitt.

Zuzahlungen in Thüringen am niedrigsten

In diese Kosten eingerechnet sind mehrere Teilbeträge. Dazu gehören der Anteil der Pflegekosten, der nicht von der Pflegeversicherung übernommen wird. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie ein Anteil an den Investitionskosten. Auch diese Teilbeträge schwanken stark.

So ist die Zuzahlung zu den Pflegekosten in Thüringen mit knapp 250 Euro pro Monat am niedrigsten. Am teuersten ist dagegen das Saarland mit fast 860 Euro im Monat. Berlin liegt in dieser Kategorie mit 853 Euro knapp dahinter auf Platz zwei. Das ist deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt von knapp 590 Euro.

Deshalb sind die Kosten unterschiedlich hoch

Die Eigenbeteiligung an den Pflegekosten ist unabhängig von den Summen, die die Pflegeversicherung zahlt. Die Zuschüsse für die einzelnen Pflegegrade werden direkt zwischen Heim und Pflegeversicherung abgerechnet.

Die Gründe für die unterschiedlich hohen Zuzahlungen liegen vor allem an den Personalkosten. Jedes Bundesland hat eigene Vorgaben dafür, wie viel Personal ein Pflegeheim haben muss. Beispielsweise betreut eine Vollzeitkraft in Berlin rechnerisch 3,9 Pflegebedürftige mit Pflegegrad zwei. In Nordrhein-Westfalen muss sich dieselbe Pflegekraft 4,7 Heimbewohner kümmern, in Schleswig-Holstein sogar um 5,4 Bewohner. Hinzu kommt, dass die Gehälter in den Bundesländern unterschiedlich hoch sind. Eine Rolle spielt auch die Höhe der Pflegesätze, die Pflegekassen und Heimbetreiber in jedem Bundesland extra aushandeln.

30 Prozent der Heimbewohner erhalten Hilfe vom Staat

„Gute Pflege muss uns etwas wert sein“, kommentiert Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Zahlen. Er rät Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen dazu, sich „die unterschiedlichen Angebote genau anzusehen, bevor sie sich für eine Pflegeeinrichtung entscheiden.“ Wenn Pflegebedürftige für ihren Eigenanteil nicht mehr selbst aufkommen könnten, „bekommen sie im Rahmen der Sozialhilfe die notwendige Hilfe zur Pflege“, versichert der Minister.

Tatsächlich beziehen etwa 30 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen Unterstützung vom Staat, um die Eigenanteile bezahlen zu können. Gröhe verweist darauf, dass mit der seit Jahresbeginn geltenden Pflegereform der Eigenanteil nicht mehr steigt, wenn die Pflegebedürftigkeit größer wird: „Das entlastet Pflegebedürftige spürbar.“

SPD will Kostenbeteiligung von Arbeitgebern

Das ist auch SPD-Fraktionsvizechef Karl Lauterbach, der in der großen Koalition an der Reform mitbeteiligt war, wichtig. Für die Zeit nach der Bundestagswahl sieht der Gesundheitspolitiker weiter Handlungsbedarf. Lauterbach würde den Versicherten gern die Möglichkeit geben, sich die vollen Pflegekosten von der Pflegeversicherung bezahlen zu lassen: „Die SPD will in der nächsten Wahlperiode dafür sorgen, dass es auch das Angebot einer paritätisch finanzierten Vollkaskoversicherung gibt“, sagt er. Das bedeutet, dass sich auch die Arbeitgeber mit der Hälfte an den Kosten beteiligen sollen.

Seine Vorstellung: „Die Versicherten sollen zu einem frühen Zeitpunkt wählen können, ob sie etwas höhere Beiträge zahlen, um später alle Pflegekosten erstattet zu bekommen.“ Mit dem frühen Zeitpunkt meint Lauterbach eine Entscheidung, die nicht erst kurz vor Beginn der Pflegebedürftigkeit fallen soll. Über Details und mögliche Kosten will der SPD-Politiker noch nichts sagen. Auch die Linke will die Pflegeversicherung zu einer Rundum-Absicherung ausbauen. Die Eigenanteile seien ein „Ticket in die Altersarmut“, meint ihre Sozialpolitikerin Sabine Zimmermann.

Union warnt vor dramatisch hohen Beiträgen

Georg Nüßlein, Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, reagiert verwundert darauf: „Dass die Linke sich um das Erbe von Pflegebedürftigen sorgt, nehme ich zur Kenntnis“, sagt er. Fakt sei, dass eine Ausweitung der Versicherung teuer sei: „Eine Vollkaskoversicherung in der Pflege würde einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr kosten. Das würde die Lohnnebenkosten dramatisch erhöhen“, warnt der CSU-Politiker. Sein Fazit: „Das können wir uns nicht leisten.“

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    Die privaten Versicherer ziehen noch einmal andere Schlüsse aus ihrem Datenvergleich. „Immer mehr Menschen erkennen den Bedarf einer privaten, kapitalgedeckten Vorsorge“, sagt Verbandsdirektor Volker Leienbach und sieht in der „Pflegelücke“ von „mehreren tausend Euro pro Monat“ einen Grund für eine Pflegezusatzversicherung, wie sie unter FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr eingeführt wurden. Für einen relativ geringen Eigenbeitrag gebe es schon staatliche Zuschüsse, wirbt Leienbach.