Berlin. Die nordkoreanischen Raketentests setzen Amerika unter Handlungsdruck. Mit Trump besteht die Gefahr eines militärischen Alleingangs.

Die Zuspitzung der Lage in Nordkorea ist alarmierend. Der Test der zweiten Interkontinentalrakete durch das kommunistische Regime verleiht dem Konflikt mit dem atombombenversessenen Machthaber Kim Jong-un eine neue Qualität. Das Geschoss vom Typ Hwasong-14 habe eine Reichweite von rund 10.000 Kilometern und könnte bei einer flacheren Fluglinie das US-Festland erreichen, warnen Experten. Amerikanische Regierungskreise rechnen damit, dass Nordkorea bereits Anfang 2018 über eine nuklear bestückbare Langstreckenrakete verfügt.

Der Krieg der Worte, der sich zwischen Washington und Pjöngjang hochschaukelt, ist keines der üblichen Machtrituale. Es geht jetzt nicht mehr nur um Gesichtswahrung, Drohung oder Einschüchterung der Gegenseite. Die Uhr tickt – es entsteht Handlungsdruck, vor allem für die USA.

Für Nordkorea ist Atombombe Mittel zum Zweck

Nordkorea denkt zwar nicht ernsthaft daran, eine Nuklear-Attacke gegen Amerika zu starten. Für die Führung des Landes ist die Atombombe Mittel zum Zweck. Kim Jong-un sieht darin Erpressungs-Potenzial, um die strikten internationalen Sanktionen aufzuheben. Zum anderen erhofft sich der Diktator dadurch eine Überlebensgarantie für sein steinzeitsozialistisches System. Sein Kalkül: Hätten der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi oder der irakische Herrscher Saddam Hussein ein Nuklear-Arsenal besessen, wären sie immer noch an der Macht.

Diese Logik ist für die amerikanische Regierung nicht annehmbar. General Terrence O’Shaughnessy, Kommandeur der US-Luftwaffe im Pazifik, sagt klipp und klar: „Wenn nötig, sind wir bereit, schnell, tödlich und mit überwältigender Schlagkraft zu reagieren, zu einer Zeit und an einem Ort unserer Wahl.“

Oder, in den Worten von Außenminister Rex Tillerson: „Die USA würden niemals ein atomar ausgerüstetes Nordkorea akzeptieren.“ Damit wächst die Gefahr einer Militär-Aktion der Amerikaner. Eine Option, die mit hohen Risiken verbunden ist. Nordkorea hat die Fähigkeit, die südkoreanische Zwölf-Millionen-Metropole Seoul in Schutt und Asche zu legen, und auch Japan mit Raketen zu treffen.

Peking spielt eigenes Spiel

Viele Alternativen bleiben Trump nicht mehr. Dass Washington direkte Verhandlungen mit Pjöngjang aufnimmt – vielleicht die letzte theoretische diplomatische Trumpfkarte – kann als nahezu ausgeschlossen gelten. Trumps Hoffnung, dass China seinen widerborstigen Verbündeten an die Kandare nimmt, hat sich als Illusion entpuppt. Es gab zwar viele Lippenbekenntnisse, aber kaum Taten.

Peking spielt sein eigenes strategisches Spiel. Für das Riesenreich im Osten ist Nordkorea der Stachel im Fleisch der USA. Es lässt den Atom-Streit hochkochen, um sein langfristiges Ziel zu erreichen: Amerika soll sich aus dem Südchinesischen Meer zurückziehen, das Peking als sein Hoheitsgebiet betrachtet.

Commander-in-Chief liebt es, neue Feuer anzuzünden

Auch die innenpolitische Großwetterlage in den USA lässt nichts Gutes ahnen. Trump konnte bislang keines seiner zentralen Wahlversprechen umsetzen. Stattdessen drischt er verbal auf Freund und Feind ein. Mit dem erzwungenen Rücktritt des republikanischen Parteisoldaten Reince Priebus als Stabschef des Weißen Hauses hat Trump wichtige Drähte zum Kongress gekappt. Langfristig kann jedoch kein Präsident im Alleingang regieren, ohne die eigene Partei und die Opposition einzubinden.

Es steht zu befürchten, dass sich Trumps innenpolitisches Chaos auch in der amerikanischen Außenpolitik niederschlägt. Der Commander-in-Chief liebt es, neue Feuer anzuzünden, um von alten Bränden abzulenken. Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Alleingangs in Nordkorea hat sich erhöht.