Washington/Berlin. Der US-Geheimdienst ist sich sicher: Nordkorea verfügt schon 2018 über nuklear bestückbare Raketen. Sie rechnen mit weiteren Tests.

Im Konflikt um das nordkoreanische Atomraketenprogramm hat Donald Trump während seines jüngsten Staatsbesuchs in Polen einen Satz gesagt, der nachhallt. Amerika werde sich bald einige „ziemlich harte Dinge“ überlegen, um auf die fortlaufenden Raketentests Pjöngjangs zu reagieren. Was, das sagte der sich seiner Unberechenbarkeit rühmende Commander-in-Chief nicht.

Mike Pompeo, Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, hat die Lücke jetzt beim prominenten Sicherheitsforum in Aspen/Colorado mit einem Paukenschlag gefüllt. „Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, das Regime von den Waffen zu trennen. Ich bin mir sicher, dass die Nordkoreaner liebenswerte Menschen sind und es lieben würden, ihn gehen zu sehen. Ihr Leben ist nicht sehr gut.“ Mit „ihn“ war Diktator Kim Jong-un gemeint.

In Pompeos Äußerungen sieht nicht nur der renommierte Außenpolitik-Experte der „Washington Post“, David Ignatius, eine „Neigung zu verdeckten Aktionen“, die Amerika in die „Gefahrenzone“ bringen könnten. Auch in Nordkorea wurde die Ansage als unverhohlene Drohung für das gewertet, was Donald Trump im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen hatte: „Regime-Change“, der zuletzt im Irak praktizierte, militärisch erzwungene Austausch einer aus US-Sicht unliebsamen Regierung.

Drohungen aus Nordkorea hat es in der Vergangenheit regelmäßig gegeben

Prompt kam der Konter. „Sollten die USA es wagen, das geringste Anzeichen eines Versuchs zu zeigen, unsere oberste Führung zu beseitigen, werden wir mit unserem mächtigen Atomhammer, der mit der Zeit geschliffen und gehärtet wurde, einen erbarmungslosen Schlag in das Herz der USA machen“, zitierte die nordkoreanische Staatsagentur KCNA das Außenministerium. Pompeo habe mit seinen Bemerkungen eine Linie überschritten. Nun sei klar, dass es das ultimative Ziel von Trump sei, einen Regierungswechsel herbeizuführen.

Heftige Drohungen aus Nordkorea hat es in der Vergangenheit regelmäßig gegeben; sie wurden in Washington als Säbelrasseln abgebucht. Seit Nordkorea ausgerechnet zum amerikanischen Nationalfeiertag am 4. Juli eine ballistische Interkontinentalrakete vom Typ Hwasong-14 erfolgreich in 2800 Kilometer Höhe geschossen hat, ist die Gelassenheit gewichen. Nach Angaben von US-Experten ist nunmehr klar, dass Pjöngjang schon bald US-Territorium erreichen könnte, sofern es dem Regime gelingt, Raketen mit miniaturisierten atomaren Sprengköpfen zu bestücken.

Erste Konsequenz: Auf der Insel Kodiak Island im US-Bundesstaat Alaska soll an diesem Wochenende ein Test mit dem Raketenabwehrsystem THAAD stattfinden, das auch in Südkorea und auf der Pazifikinsel Guam stationiert ist, um potenzielle Angriffe aus Nordkorea abzuwehren. Mitten in die Vorbereitungen platzte gestern die Nachricht, dass Washington seine Zeitschiene, was die Bedrohung aus Nordkorea angeht, offenbar dramatisch umschreiben muss.

Merkel will mehr Druck auf Nordkorea

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    US-Regierung rechnet mit neuem Raketentest

    Nach Erkenntnissen des Militärgeheimdienstes DIA wird Kim Jong-un bereits im nächsten Jahr in der Lage sein, ein „zuverlässiges, atomar bestückbares Programm für Interkontinentalraketen“ aufzulegen. Bislang, so berichtete abermals die „Washington Post“, gingen die US-Geheimdienste davon aus, dass das bitterarme Land frühestens 2020 dazu in der Lage sein würde. „Es hat alarmierenden Fortschritt gegeben“, zitiert das Blatt Joseph DeTrani, einen früheren Nordkoreaexperten im Büro des nationalen Geheimdienstkoordinators, „2016 hat das Regime Fähigkeiten entwickelt, von denen wir annahmen, dass sie erst in Jahren vorhanden sein würden.“

    Die Vereinten Nationen verbieten es dem kommunistischen Land, Raketen zu entwickeln oder zu testen. Dennoch hat die Führung in Pjöngjang vor allem seit Anfang vergangenen Jahres zahlreiche Raketen in bislang nie dagewesener rascher Folge getestet. Auch zwei von insgesamt fünf Atomtests fanden in diesem Zeitraum statt.

    Erhöhte Aktivität auf Testgelände

    Welche Schlüsse das Weiße Haus aus der neuen Informationslage zieht, ist unklar. Präsident Trump hatte sich bis zuletzt abseits wohlfeiler Drohungen („die strategische Geduld ist am Ende“) darauf verlegt, Nordkoreas großen Nachbarn China in die Pflicht zu nehmen, um den „gefährlichen Psychopathen“ Kim Jong-un auszubremsen. „Vielleicht wird China erhebliche Maßnahmen gegen Nordkorea ergreifen und diesen Unsinn ein für alle Mal beenden“, twitterte er.

    Erfolge gibt es hier bisher nicht zu vermelden. Auch wenn Trumps UN-Botschafterin Nikki Haley gerade erst sagte, dass es Fortschritte bei dem Versuch gebe, im Sicherheitsrat gemeinsam mit Peking und Moskau die Sanktionen gegen Nordkorea zu verschärfen. Sprich: die Austrocknung sämtlicher Quellen für Geld und Technologie. An einen militärischen Erstschlag Amerikas gegen Nordkorea glaubt in Washington derzeit niemand, obwohl bereits am heutigen Donnerstag erneut mit einem Raketentest in Pjöngjang gerechnet wird.

    Auf dem Testgelände in Kusong nordwestlich von Pjöngjang sei eine erhöhte Aktivität beobachtet worden, verlautete es aus Regierungskreisen. Geheimdienste hätten zudem den Transport von Ausrüstungsgegenständen ausgemacht, die für eine Interkontinental- oder eine Mittelstreckenrakete benötigt würden. Verteidigungsminister James Mattis hatte das Szenario für einen bewaffneten Konflikt auf der koreanischen Halbinsel kürzlich so beschrieben: „Das würde vermutlich zum schlimmsten Krieg im Leben der meisten Zeitgenossen führen.“