Berlin. Die deutschen Verwaltungsgerichte schlagen Alarm: 250.000 Asylklagen sollen derzeit anhängig sein. Es fehlen aber Richter und Personal.

  • Die Verwaltungsgerichte sind völlig überlastet
  • Das liegt vor allem an Asylverfahren
  • Es sind Verfahren von mehr als 250.000 Personen anhängig

Die Verwaltungsgerichte in Deutschland sehen sich durch die große Zahl von Asylklagen völlig überlastet. „Die Lage ist dramatisch, wir stoßen derzeit komplett an unsere Grenzen“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Vor deutschen Gerichten seien derzeit Verfahren von mehr als 250.000 Personen anhängig. Mit Verspätung schlägt sich die Flüchtlingswelle aus dem Jahr 2015 an den Gerichten nieder. „Eine derartige Zahl an Verfahren kann die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Dauer nicht aushalten.“ Irgendwann breche alles zusammen.

Richter und Personal fehlen

„Das ist wie bei einem Motor, der im roten Bereich gefahren wird“, sagte Seegmüller: „Eine Zeit lang geht es gut, aber nicht dauerhaft.“ Der Vorsitzende erwartet für das gesamte Jahr 2017 eine Verdoppelung der Verfahren gegenüber dem Vorjahr. Doch es fehlten Richter und Personal, teilweise auch Räume und IT-Kapazitäten. „Die Justizverwaltungen sind zwar gewillt aufzustocken, aber sie finden das dringend benötigte Personal immer schwerer.“

Zehn Familien zeigen „ihre“ Flüchtlinge

Wilhelm und Brian aus Berlin hatten Sorge, Inas aus Syrien könnte ihre Beziehung nicht akzeptieren. Also zeigten sie dem aus Damaskus stammenden Modedesigner ihre Hochzeitsbilder. Er habe ihnen die Hand geschüttelt:
Wilhelm und Brian aus Berlin hatten Sorge, Inas aus Syrien könnte ihre Beziehung nicht akzeptieren. Also zeigten sie dem aus Damaskus stammenden Modedesigner ihre Hochzeitsbilder. Er habe ihnen die Hand geschüttelt: "Ist doch okay.". © Aubrey Wade/UNHCR | Aubrey Wade/UNHCR
Ahmad Lababidi und sein Sohn Ali sind bei Gabriella und Candel Webster in Schweden eingezogen. Sie lernten sich durch eine Veranstaltung zur Flüchtlingshilfe kennen.
Ahmad Lababidi und sein Sohn Ali sind bei Gabriella und Candel Webster in Schweden eingezogen. Sie lernten sich durch eine Veranstaltung zur Flüchtlingshilfe kennen. © UNHCR | Aubrey Wade
Kurz nach dem Foto sind die Zwillinge Charlotte und Miriam ausgezogen. Das schuf Platz: Neben Juan und Mohammed, hier im Bild, wohnen bei Mutter Sabine Waldner in Falkensee nun auch Mzkin und Ala, ebenfalls aus Syrien.
Kurz nach dem Foto sind die Zwillinge Charlotte und Miriam ausgezogen. Das schuf Platz: Neben Juan und Mohammed, hier im Bild, wohnen bei Mutter Sabine Waldner in Falkensee nun auch Mzkin und Ala, ebenfalls aus Syrien. © Aubrey Wade/UNHCR | Aubrey Wade/UNHCR
Architekt Lars Asklund hat die syrischen Flüchtlinge Farah Hilal, Waleed Lababidi und Milad Hilal bei sich zu Hause in Schweden aufgenommen.
Architekt Lars Asklund hat die syrischen Flüchtlinge Farah Hilal, Waleed Lababidi und Milad Hilal bei sich zu Hause in Schweden aufgenommen. © UNHCR | Aubrey Wade
Die alleinerziehende Mutter Linnea Tell hat den schwulen Künstler Alqumit Alhamad aus Syrien bei sich zu Hause in Schweden aufgenommen.
Die alleinerziehende Mutter Linnea Tell hat den schwulen Künstler Alqumit Alhamad aus Syrien bei sich zu Hause in Schweden aufgenommen. © UNHCR | Aubrey Wade
Sabine und Dominique David und ihre Tochter Nora leben mit den afghanischen Flüchtlingen Nooria und Aysu Youldash in Österreich.
Sabine und Dominique David und ihre Tochter Nora leben mit den afghanischen Flüchtlingen Nooria und Aysu Youldash in Österreich. © UNHCR | Aubrey Wade
Die syrische Familie Nourhan, Ahmed und Tochter Alin lebt seit Sommer 2015 bei Manuela und Jörg Buisset und deren Tochter Nöemi in Berlin. Das syrische Paar hat inzwischen ein zweites Kind bekommen, Laith.
Die syrische Familie Nourhan, Ahmed und Tochter Alin lebt seit Sommer 2015 bei Manuela und Jörg Buisset und deren Tochter Nöemi in Berlin. Das syrische Paar hat inzwischen ein zweites Kind bekommen, Laith. © UNHCR | Aubrey Wade
Edgar und Amelie Rai und ihre Kinder Nelly und Moritz leben in Berlin mit den syrischen Brüdern Bilal und Amr Aljaber.
Edgar und Amelie Rai und ihre Kinder Nelly und Moritz leben in Berlin mit den syrischen Brüdern Bilal und Amr Aljaber. © UNHCR | Aubrey Wade
Die jüdische Familie Jellinek hat den syrischen Moslem Kinan bei sich in Berlin aufgenommen. Von links nach rechts: Rosa, Bela, Kinan, Kyra, Chaim, Joshy und Lilli.
Die jüdische Familie Jellinek hat den syrischen Moslem Kinan bei sich in Berlin aufgenommen. Von links nach rechts: Rosa, Bela, Kinan, Kyra, Chaim, Joshy und Lilli. © UNHCR | Aubrey Wade
Die österreichische Kindergärtnerin Margarethe Kramer lebt mit Souad Awad aus dem Irak.
Die österreichische Kindergärtnerin Margarethe Kramer lebt mit Souad Awad aus dem Irak. © UNHCR | Aubrey Wade
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Die Zahl von 250 .000 klagenden Asylbewerbern ergibt sich dem Redaktionsnetzwerk zufolge aus einem Abgleich der Statistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit denen der EU-Behörde Eurostat. Die Brüsseler Statistiker rechnen Asylbewerber, die gegen ihren Bescheid klagen, zur Gesamtzahl der Asylsuchenden dazu, das Bundesamt klammert sie aus. Eurostat nennt für April 2017 rund 483.000 Asylbewerber, das Bundesamt 232.000. Die Differenz von rund 250.000 seien diejenigen, die gegen ihren Bescheid klagten.

Flüchtlingswelle macht sich an Gerichten verspätet bemerkt

Viele der Klagen gehen zurück auf Menschen, die 2015 nach Deutschland kamen. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle waren 2015 rund 890.000 Asylsuchende nach Deutschland eingereist. In dem Jahr wurden aber beim BAMF weniger als 500.000 Asylanträge gestellt.

Im Jahr 2016, als die Zahl der neu nach Deutschland kommenden Asylsuchenden schon deutlich zurückgegangen war, gingen dann fast 750.000 Asylanträge ein. Klagen sind erst möglich, wenn über einen Antrag entschieden ist. Deshalb macht sich die Flüchtlingswelle an den Gerichten mit Verspätung bemerkbar. (epd/law)