Berlin. Mit der Flucht vieler Menschen aus Afrika sind die Regierungen in Europa überfordert. Es fehlt der große Plan für nachhaltige Lösungen.

Menschen sitzen eingepfercht auf schwankenden Booten, Kinder schreien, manche retten sich mit letzter Kraft auf das Schiff einer Hilfsorganisation oder der italienischen Küstenwache. Viele schaffen es nicht. Im Mittelmeer verschwanden in diesem Jahr fast 2500 Menschen. Jeder Einzelne ist eine Mahnung an die Regierungen in Europa und Afrika: Ihre Asylpolitik scheitert.

Mal wieder.

Wer die seit mehreren Jahren eskalierende globale Flüchtlingskrise beobachtet, lernt schnell den ideen- und hilflosen Kreislauf der Politik. Auf die Bilder von toten Menschen folgen Sondergipfel, die mehr Geld für Grenzkontrollen und Entwicklungshilfe beschließen – eingebunden in die Forderung: Ein harter Schlag gegen kriminelle Schleusernetzwerke muss her.

Einzelne EU-Regierungen blockieren Hilfe in Fluchtkrise

Vor der Kamera geben sich Politiker erschüttert angesichts der Bilder, Afrikas Staatschefs hofieren europäische Kollegen. Doch kurz danach versanden Vorstöße, blockieren einzelne EU-Regierungen gemeinsame Hilfe. Und ist die Grenze zur EU wieder dicht, redet niemand mehr laut über Lösungen. Das ist heuchlerisch.

So passiert es in Griechenland: Am Vertrag zwischen EU und Türkei klappt eigentlich nichts so richtig – außer die Kontrolle der türkischen Küstenwache. Die geplante Umverteilung und die schnellen und sorgfältigen Asylverfahren auf den griechischen Inseln – Fehlanzeige. Gleiches droht nun in Italien.

Bilder von Demokratie, Wohlstand und Freiheit locken Menschen an

Keine Frage: Ein einzelner Politiker, eine Regierung kann eine so komplexe Krise nicht allein lösen. 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Terror und Krieg, vor Dürre und Armut. Viele machen sich mit der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg. Denn vor allem in einem ist die EU stark: Im propagieren der Bilder von Demokratie, Wohlstand und Freiheit. Das lockt Menschen an.

Doch Europa fehlt ein Plan, wie Freiheit, Wohlstand und eine nachhaltige Fluchtpolitik vereinbar sind.

Italien und Deutschland streiten für langfristige Lösung

Und viele wollen auch keine Lösung – außer: Abschottung. Vor allem die osteuropäischen Staaten, aber auch Frankreich und Großbritannien tun zu wenig. Die Bundesregierung streitet neben Italien noch am stärksten für eine langfristige Lösung für die Menschen in Afrika. Und genau darum muss es gehen.

Flucht ist nie gut – denn sie entsteht aus einer Not. Diese Not gilt es zu lindern, am besten vor Ort. Zum einen mit mehr Geld. Deutschland setzt auf Wirtschaftsförderung statt Entwicklungshilfe. Im Kern ist das richtig, kann es doch die Abhängigkeit afrikanischer Staaten von Gaben des Westens durchbrechen. Doch hilft Unternehmensförderung nicht, wenn davon vor allem die ausländischen Firmen profitieren – und nicht der afrikanische Angestellte. Das ist noch immer viel zu häufig der Fall.

Libyen kann wegen Bürgerkrieg kein Partner sein

Zugleich boomt entlang der Fluchtrouten ein Geschäft von kriminellen Netzwerken. Sie nutzen die Hilflosigkeit der Menschen aus, wohlwissend, dass über die Schlepperbanden der einzige teure und riskante Weg nach Europa führt. Der Kampf gegen kriminelle Netzwerke darf nicht vor der libyschen Küste beginnen. In dem Land herrschen Krieg und Gewalt. Es kann für Europa kein Partner sein.

Die EU arbeitet bereits enger mit Staaten wie Niger, Mali, Ghana und Tunesien zusammen, etwa im Kampf gegen Terroristen, aber auch gegen Armut. Hier liegt eine Chance für eine Politik, die stabilere Grenzkontrollen mit legalen Migrationswegen und Perspektiven für die Menschen in Afrika verbindet.

Lösung der Fluchtkrise liegt nicht im Mittelmeer

Selbst wenn die gesamte EU in Afrika endlich Ehrgeiz zeigen würde, dauert es Jahre, bis diese Politik wirken wird. Klar ist heute nur: Die Lösung in der Fluchtkrise liegt nicht im Mittelmeer – sie liegt in Afrika und Europa.