Moskau/Berlin. Prorussische Separatisten sollen Tausende Häftlinge in Straflagern halten. Sie sollen zu schwerer Industrie-Arbeit herangezogen werden.

Hört man die Berichte, werden Erinnerungen an die sowjetischen Gulags wach: Im Osten der Ukraine sollen prorussische Separatisten Tausende Häftlinge zu unentgeltlicher Arbeit gezwungen haben. Die Rebellen hätten in den Teilrepubliken Donezk und Luhansk 10.000 Menschen in mehr als 20 sogenannten Strafkolonien zu Zwangsarbeit herangezogen, schätzt die Kiewer Menschenrechtsgruppe „Ostukraine“. Über die Vorwürfe der Gruppe hatte zuerst der „Deutschlandfunk“ berichtet.

„Zum großen Teil handelt es sich um Strafgefangene, die vor Beginn der Kämpfe 2014 verurteilt wurden“, sagte Pawel Lisjanski, Leiter der Gruppe „Ostukraine“ unserer Redaktion. Einige hätten längst aus der Haft entlassen werden müssen. Doch auch wenn sie inzwischen ihre Strafe verbüßt haben oder unter die ukrainische Amnestie vom April 2014 fallen, würden sie weiter festgehalten. „Die Behörden der Rebellen erkennen ukrainische Gesetze nicht an“, so der Menschenrechtler. Stattdessen nutzten sie die Gefangenen als billige Arbeitskräfte aus.

Der Lohn sind lediglich ein paar Zigaretten am Tag

Die Hilfsorganisation hat 74 Interviews mit Häftlingen und deren Angehörigen geführt. Sie berichten von massiven Menschenrechtsverletzungen, die sie selbst erlebt oder beobachtet haben. In den Lagern würden die Gefangenen zu schwerer industrieller Arbeit herangezogen. Häftlinge erzählen davon, dass sie bis zu zwölf Stunden am Tag Bäume fällen oder Betonblöcke herstellen mussten. Diese seien anschließend von den Rebellen-Behörden an die Bauwirtschaft verkauft worden. Entlohnung für die Gefangenen gebe es dafür nicht.

Großzügige Lagerverwaltungen honorierten die Arbeit lediglich mit ein paar Zigaretten am Tag, oder der Aussicht auf einen Verwandtenbesuch. Wer sich der Arbeit hingegen verweigert, dem drohten nach Aussagen der Häftlinge, die die Lisjanskis Gruppe in einem Bericht dokumentierte, außer Nierenschlägen wochenlange Isolationshaft oder tagelanges Stillstehen bei Hitze oder Frost im Freien.

Bis zu 500.000 Euro pro Monat werden erwirtschaftet

Lisjanski wirft den neuen Machthabern im besetzten Donbass vor, ein Netz von Zwangsarbeitslagern zu betreiben und spricht von Gulags mit Moskaus Billigung. Die Rebellen hätten diese Praxis zum System gemacht: Seit ihrer Machtübernahme seien etwa 3400 Menschen zu Haftstrafen verurteilt worden, darunter angeblich auch zahlreiche ukrainische Kriegsgefangene.

Nun müssen sie ohne Entlohnung arbeiten. Die Produkte aus der Zwangsarbeit verkaufen die sogenannten Volksrepubliken auf dem Markt – und streichen dabei satte Gewinne ein. Die Einnahmen, die allein die Machthaber in der Luhansker Teilrepublik mit der Arbeit in den Strafkolonien erzielen, schätzt die Ostukrainische Menschenrechtsgruppe auf 300.000 bis 500.000 Euro pro Monat. Bis eine umfassende Lösung für die Lagerinsassen gefunden ist, dürfte es daher noch dauern, sagte Lisjanski dem Deutschlandfunk. Denn die Republiken hätten kein Interesse daran, die Häftlinge an die Ukraine zu übergeben. „Wenn sie diese Sklaven freilassen würden, ginge ihnen eine wichtige Einnahmequelle verloren.“