Berlin. Gewerkschaftsboss Wendt vermisst nach den G20-Krawallen die Bereitschaft zum Rücktritt. Für ihn selbst gelten offenbar andere Maßstäbe.

Politiker, Polizeichefs, Sicherheitsexperten, Juristen – die Liste der tatsächlichen oder vermeintlichen Fachleute, die in den Medien zu den Krawallen beim Hamburger G20-Gipfel befragt wurden, ist lang. Nicht immer waren die Interviews hilfreich, bisweilen sogar peinlich. So etwa in der Mittagsausgabe der ARD-„Tagesschau“.

Für eine Einschätzung der Konsequenzen aus dem Gewalt-Wochenende von Hamburg holte die Redaktion den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt vor die Kamera. Ausgerechnet! Denn was er zu den G20-Krawallen zu sagen hatte, machte angesichts seiner eigenen beruflichen Affären dann doch stutzig.

„Rücktritte sind aus der Mode gekommen“

Auf die Frage der Moderatorin Susanne Holst nach fälligen Konsequenzen der Ausschreitungen sagte Wendt, die Verantwortung für die Ausschreitungen liege „natürlich bei Olaf Scholz“, beim Hamburger Bürgermeister also. Eine Aufforderung zum Rücktritt?

„Ob er zurücktritt oder nicht, muss er mit sich selbst ausmachen“, sagte Wendt weiter. „Es ist ja einigermaßen aus der Mode gekommen, dass politische Verantwortung auch Rücktritt bedeutet.“ Holst ließ das unkommentiert so stehen.

Pension statt Rücktritt

Diese Äußerung aus dem Mund von Wendt ist einigermaßen erstaunlich. War der Gewerkschafter in jüngster Vergangenheit doch selbst mit einer Reihe von beruflichen Affären konfrontiert – ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Zur Erinnerung: Im März war bekannt geworden, dass Wendt jahrelang in Nordrhein-Westfalen als Polizei-Hauptkommissar bezahlt wurde, ohne als solcher zu arbeiten. Wendt hatte dies zunächst bestritten, später dann doch eingeräumt. Schließlich beantragte er seine Pensionierung. Ein Rücktritt kam wohl nicht in Frage.

Bezüge als Aufsichtsrat nicht angegeben

Zudem wurde bekannt, dass Wendt fünfstellige Beträge als Aufsichtsrat der Axa-Versicherung bezog – eine Tätigkeit, die er nach Angaben des damaligen NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD) nicht angezeigt hatte und die somit auch nicht genehmigt war. Die Höhe von Wendts Einkünften legte die Gewerkschaft erst nach und nach und unter Druck offen.

Am 22. März leitete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Untreue ein.

Auch dies war für Rainer Wendt offenbar kein Grund, über seinen Rücktritt nachzudenken. Er ist bis heute Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft – trotz Pensionierung.