Mossul. Das irakische Militär hat die Stadt Mossul offenbar von der Terrormiliz IS zurückerobert. Der US-Sonderbeauftragte spricht vom „Sieg“.

Der Irak hat mit der vollständigen Einnahme der Großstadt Mossul einen entscheidenden Wendepunkt im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) erreicht. In der einstigen IS-Hochburg wurden nach Angaben der irakischen Regierung am Sonntag die letzten Widerstandsnester der Extremisten ausgehoben.

Ministerpräsident Haider al-Abadi traf in der Stadt im Norden des Landes ein und gratulierte den Soldaten zu ihrem Sieg. Vorausgegangen waren acht Monate heftiger Kämpfe, die große Teile der Metropole in Schutt und Asche legten, Tausenden Zivilisten das Leben kosteten und fast eine Million Menschen in die Flucht trieben. Mit dem Triumph über den IS endet dessen Herrschaft über Mossul fast auf den Tag genau drei Jahre, nachdem die Islamisten von dort aus ihr Kalifat im Irak und Syrien ausgerufen hatten.

IS-Kämpfer sprangen in Fluss

Bis zuletzt lieferte sich der IS in Mossul heftige Gefechte mit den irakischen Streitkräften. Doch am Sonntag drangen Elitetruppen dem staatlichen Fernsehen zufolge schließlich bis ans Ufer des Tigris vor und hissten die irakische Flagge dort, wo die Islamisten ihre letzte Bastion erbittert verteidigten. IS-Kämpfer seien schließlich in den Fluss gesprungen und hätten versuchten, so zu entkommen. Dem Militär zufolge wurden allein dabei 30 Extremisten getötet. In den engen Gassen der stark zerstörten Altstadt lagen noch die Leichen von IS-Kämpfern, als Ministerpräsident Abadi eintraf.

Abadi habe „den heldenhaften Kämpfern und dem irakischen Volk zu dem großen Sieg gratuliert“, teilte die Bagdader Regierung mit. Unterstützt von Luftangriffen der US-geführten Anti-IS-Allianz hatte die irakische Armee im Oktober Mossul erreicht und sich dort ebenfalls mit internationaler Hilfe immer weiter vorgekämpft. So wurden die Elitetruppen, die am Sonntag den Tigris erreichten, von den USA ausgebildet. Sie erlitten nach US-Angaben schwere Verluste, bis zu 40 Prozent der Spezialkräfte wurden im Kampf um Mossul getötet. Frankreich, das ebenfalls an dem Bündnis gegen den IS beteiligt ist, begrüßte den Triumph über den IS. Präsident Emmanuel Macron erklärte auf Twitter, Ehre gebühre allen, die zu dem Sieg beigetragen hätten.

Rückeroberung hat symbolische Bedeutung

Für die irakische Regierung hat die Rückeroberung Mossuls auch symbolische Bedeutung, weil der IS gerade diese größte Stadt in seinem Einflussgebiet 2014 fast handstreichartig unter seine Kontrolle gebracht hatte. Die Metropole diente den Islamisten daraufhin als faktische Hauptstadt. In der dortigen Großen Moschee von Al-Nuri hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi vor drei Jahren das Kalifat der Extremisten in Syrien und Irak ausgerufen. Ende Juni hatte die in Bedrängnis geratene Miliz das mittelalterliche Gebäude nach irakischen Angaben gesprengt. Die Regierung in Bagdad eroberte bald darauf die Ruinen und erklärte das IS-Kalifat für beendet.

Der Verlust Mossuls ist ein schwerer Schlag für den IS, der auch in seiner syrischen Hochburg Rakka an Boden verliert. Im Südwesten Syriens schürte der erfolgreiche Start einer von Russland und den USA vermittelten Waffenruhe Hoffnungen auf ein Ende des Bürgerkriegs, in dessen Wirren sich der IS immer größeren Einfluss verschafft hatte.

Reparaturen dürften mehr als eine Milliarde Euro kosten

Der IS hatte angekündigt, Mossul „bis zum Tod“ verteidigen zu wollen. In ihrem Rückzugsgefecht setzten die stark dezimierten Kampfeinheiten zuletzt Selbstmordattentäterinnen ein. Sie zündeten ihre Sprengsätze auch in der Menge Tausender notleidender Zivilisten, die sich langsam wieder aus ihren Verstecken wagten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass allein die Reparatur der wichtigsten Infrastruktur in Mossul mehr als eine Milliarde Dollar kosten wird.

Das bittere Ende der Kämpfe um Mossul wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, vor denen der Irak steht. Zum einen hält der IS mit Deir al-Sour noch eine weitere Stadt, um die weiter gekämpft wird. Zum anderen könnten gerade mit dem Niedergang der Islamisten alte Konfliktlinien in dem Vielvölkerstaat wieder aufbrechen. Schließlich hatte der Kampf gegen den gemeinsamen Feind IS das Land geeint, in dem Kurden und Araber ebenso um Territorialansprüche streiten wie sunnitische und schiitische Muslime um die politische Vorherrschaft. (rtr)