Berlin. Seit 70 Jahren sind Süd- und Nordkorea im Krieg. Doch nun fand Südkoreas Präsident erstaunlich versöhnliche Worte für seinen Gegner.

Monoton hallt die Stimme des Präsidenten aus Südkorea, Moon Jae-In, von den alten Mauern des Bärensales im Alten Stadthaus wider. Dabei ist der Inhalt seiner Rede laut Simultan-Übersetzung voller großer Gesten und Symbolik. Er benutzt oft Worte wie „Frieden“ und „Sicherheit“, „Dialog“ und „Vertrauen“. Er schlägt Vergleiche zur Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland, zitiert Willy Brandt und spricht sein Beileid für den kürzlichen verstorbenen Helmut Kohl aus.

Dann sagt er diese Worte: „Sowohl der Norden als auch der Süden wollen eine friedliche Halbinsel.“ Er wolle deshalb nicht, dass Nordkorea zusammenbreche. „Wir wollen Hand in Hand an einer Zukunft arbeiten. Die Wiedervereinigung werde irgendwann ganz natürlich passieren.“

Das waren sehr versöhnliche Worte vom Staatsoberhaupt eines Landes, das seit 70 Jahren offiziell mit seinem Nachbarn im Krieg ist. Seoul, die Hauptstadt Südkoreas veranstaltet noch regelmäßig Übungen für den Katastrophenfall, Kim Jong-Un, der Machthaber im Norden droht ebenso regelmäßig damit, die 25-Millionen-Stadt in ein „Flammenmeer“ zu verwandeln.

Gerade am 4. Juli hat Kim die Welt damit überrascht, dass er nach eigenen Angaben erstmals erfolgreich eine Interkontinental-Rakete getestet habe. Sie könnte US-Territorium erreichen. Auch in den Monaten zuvor hatte es eine Reihe von Raketentests gegeben, die der Westen scharf verurteilte und als Verstoß gegen UN-Resolutionen ansieht – zudem ist ein US-Bürger unter Nordkoreanischer Gefangenschaft gestorben.

„Die Entspannung ist das Wichtigste überhaupt“

Es ist also keine leichte Zeit, in der Moon Jae-In sich auf den Weg nach Deutschland gemacht hat. US-Präsident Donald Trump hat eine harte Reaktion auf jüngste Bedrohungen aus Nordkorea angekündigt. „Wir werden dem sehr entschieden begegnen“, sagte Trump in Warschau. Beide Präsidenten wird am Freitag in Hamburg beim G20 erwartet. Während Trump in Warschau über den Korea-Konflikt sprach, nutzte Moon die Bühne in Berlin. Im Rahmen des „Global Leaders Dialogue“ organisiert von der Körber Stiftung will er erläutern, wie er sich den Kontakt der Koreas vorstelle.

Und richtig: Er kündigt konkrete Austauschprojekte an, die zu Kontakten zwischen Nord- und Südkoreanern führen sollen. Die häufig abgesagten Familienzusammenführungen zum Beispiel sollen wieder aufgenommen werden. Er will zudem einen Wirtschaftsplan auflegen, der gemeinsame Projekte ermöglicht. Das könnte bedeuten, dass er die gemeinsame Wirtschaftszone „Kaesong“ in der Nähe des 38. Breitengrades wieder öffnen möchte. Er sagt: „Die Entspannung ist das Wichtigste überhaupt.“ Er lädt Nordkorea auch ausdrücklich ein, an den Olympischen Spielen im kommenden Winter in Pyeongchang teilzunehmen. „Es sind nur 100 Kilometer bis zur Grenze“.

Von „Sunshine“ zu „Moonshine“

Es ist schon eine Tradition, dass südkoreanische Präsidenten Deutschland wählen, um ihre Nordkorea-Politik zu erläutern. Da ist zum einen die in Südkorea berühmt gewordene Rede von Präsident Kim Dae-Jung aus dem März 2000, als er in der FU Berlin die Annäherung an Nordkorea verkündete, was später als „Sunshine-Policy“ in die Geschichtsbücher einging. Im Jahr 2014 verkündete Präsidentin Park Geun-Hye in Dresden, dass sie zu weit gehenden Hilfslieferungen und wirtschaftlicher Kooperation bereit sei. Die Rede galt damals als visionär, wurde aber letztlich nicht umgesetzt. Jetzt also Moon Jae-In wieder in Berlin, der eine „Neuordnung“ der Verhältnisse ankündigt – was koreanische Journalisten „Moonshine-Policy“ nennen.

Nordkorea feiert den „Tag der Sonne“

Nordkorea hat den 105. Geburtstag seines verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung mit einer großen Militärparade begangen. Kim Il Sung ist der Großvater des derzeitigen Staatsoberhaupts Kim Jong Un. Er schaute sich die Parade von einem Podium aus an.
Nordkorea hat den 105. Geburtstag seines verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung mit einer großen Militärparade begangen. Kim Il Sung ist der Großvater des derzeitigen Staatsoberhaupts Kim Jong Un. Er schaute sich die Parade von einem Podium aus an. © dpa | Wong Maye-E
Es ist der höchste Feiertag des Landes. Zum „Tag der Sonne“ marschierten Tausende Soldaten durch die Hauptstadt Pjöngjang.
Es ist der höchste Feiertag des Landes. Zum „Tag der Sonne“ marschierten Tausende Soldaten durch die Hauptstadt Pjöngjang. © dpa | Wong Maye-E
Vor 23 Jahren starb der Staatsgründer Kim Il Sung. Die Nordkoreaner verehren ihn noch heute.
Vor 23 Jahren starb der Staatsgründer Kim Il Sung. Die Nordkoreaner verehren ihn noch heute. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Überlebensgroße Figuren von Kim Il Sung (l.) und seinem Sohn Kim Jong Il (r.) stehen in der Hauptstadt.
Überlebensgroße Figuren von Kim Il Sung (l.) und seinem Sohn Kim Jong Il (r.) stehen in der Hauptstadt. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Soldaten ziehen durch die Straßen.
Soldaten ziehen durch die Straßen. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Nordkorea demonstriert militärische Stärke.
Nordkorea demonstriert militärische Stärke. © dpa | Wong Maye-E
Im Gleichschritt marsch!
Im Gleichschritt marsch! © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Die Soldaten salutieren vor ihrem Staatsoberhaupt.
Die Soldaten salutieren vor ihrem Staatsoberhaupt. © dpa | Wong Maye-E
Erstmals wurden bei der Parade öffentlich U-Boot-Raketen gezeigt.
Erstmals wurden bei der Parade öffentlich U-Boot-Raketen gezeigt. © dpa | Wong Maye-E
Die Raketen vom Typ Pukuksong haben eine Reichweite von Tausend Kilometer.
Die Raketen vom Typ Pukuksong haben eine Reichweite von Tausend Kilometer. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Nicht nur Panzer ...
Nicht nur Panzer ... © dpa | Wong Maye-E
... auch ein neues Modell einer ballistischen Interkontinentalrakete rollten durch die Stadt.
... auch ein neues Modell einer ballistischen Interkontinentalrakete rollten durch die Stadt. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Die Feierlichkeiten wurden im nordkoreanischen Fernsehen gezeigt.
Die Feierlichkeiten wurden im nordkoreanischen Fernsehen gezeigt. © REUTERS | KRT
Am Rand der Parade feierten Nordkoreaner ihr Militär.
Am Rand der Parade feierten Nordkoreaner ihr Militär. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
Teilnehmer der Parade in den Farben der nordkoreanischen Flagge.
Teilnehmer der Parade in den Farben der nordkoreanischen Flagge. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
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Der Grünen-Politiker Omid Nouripour verfolgt die Nordkorea-Politik seit vielen Jahren und ist gerade von einer Reise nach Südkorea, Japan und China zurückgekehrt. Er nennt die Rede von Moon in Berlin einen „großen Schritt in Richtung Realpolitik“. Man konnte sehen, dass die „strategische Geduld“ der vergangenen zehn Jahre zu nichts geführt habe. „Deshalb ist die Rückkehr zu einer Annäherung zumindest rein praktisch der richtige Weg.“

Doch Moon machte in seiner „Berliner Rede“ auch deutlich, dass er die „Zügel in der Hand hält“ in diesem Konflikt. Er machte das implizit deutlich in dem er mehrfach von seinen Plänen berichtete und dann sagte: „Trump stimmt darin mit mir überein.“ Oder: „Ich konnte gestern mit Xi Jinping sprechen und er sieht das genauso.“

„Nordkorea steht kurz vor der roten Linie“

Für Omid Nouripour ist diese Versicherung, selbst der Hauptakteur in diesem Konflikt zu sein, eine klare Botschaft an das eigene Volk. Zu häufig fühlen sich Koreaner von China und der Schutzmacht USA bedrängt. „Die Zahl seiner eigenen Druckmittel aber sind begrenzt“, sagt Nouripour, „das weiß Moon auch.“ Südkoreas Präsident sei also auf die Kooperation mit Xi Jinping und Donald Trump angewiesen.

In der Tat wäre Moons abschließende Warnung am Ende der Rede an Nordkorea ohne die US-Unterstützung nichts wert. Moon sagte: „Nordkorea steht kurz vor der roten Linie“, sagt Moon, und ergänzt: „Das Land sollte diese letzte Chance nutzen und jetzt umkehren.“ Kim Jong-Un solle sein Atomprogramm aufgeben und die Provokationen einstellen. Moon weiß, dass beides unwahrscheinlich ist. Doch ähnlich wie Donald Trump in Warscheu wollte auch Moon Jae-In einen Militärschlag nicht explizit ansprechen. Er sprach vage von „Sanktionen“. Und schloss mit dem versöhnlichen Satz: „Das Fenster zum Dialog ist immer offen.“