Speyerer Bischof findet ausgleichende Worte für Kohls Leben
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Von Sören Kittel und Kerstin Münstermann
Speyer. „Helmut Kohl 3.4.1930 – 16.6.2017“. So schlicht erinnert ein Holzkreuz an den Altkanzler. In Speyer verabschieden sich die Menschen.
Ein schlichtes Holzkreuz ersetzt vorläufig den Grabstein. „Helmut Kohl 3.4.1930-16.6.2017“ ist darauf zu lesen. Auf dem Grab liegt der nur mit roten Rosen gesteckte Trauerkranz der Witwe Maike Kohl-Richter. Auf einem weißen Band steht: „In Liebe“. Auf dem zweiten: „Deine Maike“. Die weiteren Kränze sind an den Seiten des Grabes des Altkanzlers niedergelegt.
Mit drei Stunden Verspätung öffnet am Sonntag kurz nach 15 Uhr das Tor zum Friedhof. Rund 200 Menschen gehen langsam zum Grab Helmut Kohls. Stumm blicken sie auf das schlichte Holzkreuz mit dem Namen und den Eckdaten dieses großen Lebens. Fotoapparate klicken. „Wir sind heute hier für einen großen Politiker“, sagt eine ältere Frau.
Ein weiteres Symbol für einen großen Europäer
Das Grab befindet sich auf dem Friedhof des Domkapitels und liegt in der Nähe der Friedenskirche St. Bernhard – die Kirche wurde in den Jahren 1953/54 von Franzosen und Deutschen gemeinsam errichtet, als Zeugnis für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. Ein weiteres Symbol für den großen Europäer.
Der Trauerakt von Helmut Kohl in Bildern
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Das Wochenende der Trauerfeierlichkeiten ist vorüber. Die Stadt Speyer, das Bistum und die Polizei ziehen am Sonntag eine positive Bilanz der Trauerfeierlichkeiten in der pfälzischen Stadt. Es habe keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben, teilt Einsatzleiter Eberhard Weber mit. Mehr als 1600 Polizeikräfte waren zur Sicherung des Requiems im Dom von Speyer im Einsatz. An der Anlegestelle am Rheinufer, an der Straße zum Dom und vor der Kathedrale nahmen mehr als 2500 Menschen Abschied von dem Verstorbenen.
Die enge Beziehung von Kohl zu Speyer
Den gläubigen Katholiken Helmut Kohl selbst verband mit Speyer eine lange Geschichte – persönlich, weil er im Dom schon als Kind Zuflucht vor den Bomben des Zweiten Weltkriegs suchte. Als Staatsmann, weil er häufig Staatsgäste nach Speyer bat. 1998 ehrte die Bundeswehr den scheidenden Kanzler hier mit dem Großen Zapfenstreich, spielte unter anderem Beethovens „Ode an die Freude“, die Europahymne.
Der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, würdigte diese enge Beziehung am Samstag bereits in seiner Predigt während des Requiems. Helmut Kohl sei „immer auch als Beter“ in diese Kirche gekommen. „Es war nicht nur der Atem menschlicher Geschichte, sondern auch der große Atem des Gebetes unzähliger Menschen und Generationen, der für ihn in diesem Haus existenziell spürbar war.“
Die Söhne Kohls sind nicht nach Speyer gekommen
Unter den 900 geladenen Zuhörern in dem Gottesdienst waren hohe Gäste aus aller Welt: der französische Präsident Emmanuel Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie der ungarische Präsident Viktor Orban und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton.
Auch politische Weggefährten und Kritiker wie Heiner Geißler oder Kurt Biedenkopf waren gekommen. Bischof Wiesemann deutete auch die Probleme rund um Kohls Erbe in der Predigt an: Gott habe um Kohls „Ecken und Kanten“ gewusst, sagte er. „Wir nehmen Abschied von einem Menschen mit allem, was Menschsein in Kraft und in Schwäche bedeutet.“
Kohls Söhne waren nicht anwesend
Zur Trauerfeier im Speyrer Dom nicht gekommen waren die beiden Söhne Kohls, Peter und Walter. Sie hatten sich eine Beisetzung im Familiengrab in Ludwigshafen gewünscht, wo bereits Kohls erste Ehefrau Hannelore begraben ist. Wiesemann sagte: „Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die nur Gott lösen, erlösen kann.“
Die Auswahl der Lieder während des Requiems reflektierte den europäischen Gedanken, der sich durch Kohls Leben zog, mit Liedern des Franzosen Duruflé, des Österreichers Mozart und des Russen Rachmaninov. Im Speyerer Domgarten wurde die Totenmesse auf Großleinwänden übertragen, daheim verfolgten 2,5 Millionen TV-Zuschauer die Beisetzung.
Kohl war ein emotionaler Mensch, sagen die, die ihn kannten. Der Abschied von ihm war es auch.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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