Rio de Janeiro. Am 7. Juli soll Brasiliens Staatschef zum G20-Gipfel nach Hamburg kommen. Doch es ist fraglich , ob Michel Temer dann noch im Amt ist.

Der brasilianische Präsident muss um sein Amt bangen. Als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des fünftgrößten Landes der Welt wurde Michel Temer während seiner Amtszeit wegen Korruptionsverdachts angeklagt. Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot reichte die Klage beim Obersten Gerichtshof in Brasilia ein.

Ob es zum Verfahren kommt, hängt von zwei Hürden ab: Zunächst müssten zwei Drittel der Volksvertreter im Parlament für die Aufhebung der Immunität stimmen – das wären mindestens 342 der 513 Abgeordneten. Nach jetzigem Stand ist das unwahrscheinlich. Anschließend müsste der Gerichtshof für ein Verfahren stimmen; dann wäre Temer zunächst für 180 Tage seiner Aufgaben entbunden, berichtete das Portal „O Globo“.

Präsident war nach Amtsenthebung der Vorgängerin ins Amt gekommen

Temer hatte 2016 die Macht nach der Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff übernommen. Der bei seinen Landsleuten äußerst unbeliebte Konservative steht seit Wochen selbst am Pranger – die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf sieben Prozent gesunken.

Die wichtigen Köpfe des G20-Gipfels

Die Mächtigen der Welt zu Gast in Hamburg: Auf Einladung Angela Merkels reisen Staats- und Regierungschefs zum G20-Gipfel in die Stadt an der Elbe. Das Treffen ist ein Forum zur internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen. Das sind – neben der Bundeskanzlerin – die wichtigsten Teilnehmer.
Die Mächtigen der Welt zu Gast in Hamburg: Auf Einladung Angela Merkels reisen Staats- und Regierungschefs zum G20-Gipfel in die Stadt an der Elbe. Das Treffen ist ein Forum zur internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen. Das sind – neben der Bundeskanzlerin – die wichtigsten Teilnehmer. © dpa | Kay Nietfeld
Donald Trump wird mit Spannung erwartet. Nachdem der US-Präsident den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hatte, sprach Merkel von einem „herben Rückschlag“. Trotzdem will sie Trump beim Termin in Hamburg nicht isolieren.
Donald Trump wird mit Spannung erwartet. Nachdem der US-Präsident den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hatte, sprach Merkel von einem „herben Rückschlag“. Trotzdem will sie Trump beim Termin in Hamburg nicht isolieren. © REUTERS | REUTERS / CARLOS BARRIA
Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt gehört Japan nicht nur zur Gruppe der 20, sondern auch zu den G7 (Gruppe der Sieben – die zu ihrem Gründungszeitpunkt bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt). Nach Hamburg reist Ministerpräsident Shinzo Abe.
Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt gehört Japan nicht nur zur Gruppe der 20, sondern auch zu den G7 (Gruppe der Sieben – die zu ihrem Gründungszeitpunkt bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt). Nach Hamburg reist Ministerpräsident Shinzo Abe. © REUTERS | REUTERS / REMO CASILLI
Emmanuel Macron ist das erste Mal bei einem G20-Gipfel dabei. Der neue französische Präsident steht fest an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel, der amtierenden Präsidentin der „Gruppe der 20“.
Emmanuel Macron ist das erste Mal bei einem G20-Gipfel dabei. Der neue französische Präsident steht fest an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel, der amtierenden Präsidentin der „Gruppe der 20“. © dpa | Etienne Laurent
Brexit hin oder her: Beim G20-Gipfel ist auch die britische Premierministerin Theresa May dabei – das Vereinigte Königreich gehört zu G7 und damit auch zu G20.
Brexit hin oder her: Beim G20-Gipfel ist auch die britische Premierministerin Theresa May dabei – das Vereinigte Königreich gehört zu G7 und damit auch zu G20. © Getty Images | Dan Kitwood
Der andere Regierungschef aus Nordamerika: Kanadas Premier Justin Trudeau tritt für Freihandel, globalen Klimaschutz und multilaterale Organisationen ein.
Der andere Regierungschef aus Nordamerika: Kanadas Premier Justin Trudeau tritt für Freihandel, globalen Klimaschutz und multilaterale Organisationen ein. © dpa | Michael Kappeler
Ministerpräsident Paolo Gentiloni reist für Italien zum Gipfel, sein Land gehört auch zu den G7-Staaten.
Ministerpräsident Paolo Gentiloni reist für Italien zum Gipfel, sein Land gehört auch zu den G7-Staaten. © REUTERS | REUTERS / REMO CASILLI
Ein weiterer wichtiger G20-Teilnehmer: Der russische Präsident Wladimir Putin. Seitdem Russland wegen der Krim-Annexion aus der G8 geworfen wurde, sind die G20-Gipfel die einzigen Konferenzen, bei denen Putin auf den Westen trifft. Es ist seine erste Begegnung mit US-Präsident Trump.
Ein weiterer wichtiger G20-Teilnehmer: Der russische Präsident Wladimir Putin. Seitdem Russland wegen der Krim-Annexion aus der G8 geworfen wurde, sind die G20-Gipfel die einzigen Konferenzen, bei denen Putin auf den Westen trifft. Es ist seine erste Begegnung mit US-Präsident Trump. © dpa | Alexander Zemlianichenko
China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde und Mitglied der G20. Staatsführer Xi Jinping sieht die Nation als neue Weltmacht.
China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde und Mitglied der G20. Staatsführer Xi Jinping sieht die Nation als neue Weltmacht. © Getty Images | Pool
Neben den 19 Nationalstaaten gehört die Europäische Union zur „Gruppe der 20“. Sie wird beim Gipfel von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (l.) und Ratspräsident Donald Tusk vertreten.
Neben den 19 Nationalstaaten gehört die Europäische Union zur „Gruppe der 20“. Sie wird beim Gipfel von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (l.) und Ratspräsident Donald Tusk vertreten. © REUTERS | INTS KALNINS
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würde gern am Rande des Gipfels zu seinen Landsleuten in Deutschland sprechen. Doch einen Auftritt hat die Bundesregierung untersagt. Die deutsch-türkischen Beziehungen bewegen sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Und auch gegenüber anderen europäischen Partnern bringt sich der türkische Präsident zunehmend ins Abseits.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würde gern am Rande des Gipfels zu seinen Landsleuten in Deutschland sprechen. Doch einen Auftritt hat die Bundesregierung untersagt. Die deutsch-türkischen Beziehungen bewegen sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Und auch gegenüber anderen europäischen Partnern bringt sich der türkische Präsident zunehmend ins Abseits. © dpa | Lintao Zhang
Die „Gruppe der 20“ steht für 64 Prozent der Weltbevölkerung und 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Da darf Indien nicht fehlen. Ministerpräsident Narendra Modi setzt auf eine stärkere wirtschaftliche Orientierung nach Südasien.
Die „Gruppe der 20“ steht für 64 Prozent der Weltbevölkerung und 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Da darf Indien nicht fehlen. Ministerpräsident Narendra Modi setzt auf eine stärkere wirtschaftliche Orientierung nach Südasien. © REUTERS | AMIT DAVE
Ein Schwergewicht unter den G20-Staaten ist auch Brasilien mit seinen etwa 208 Millionen Einwohnern. Erst sagte der unter Korruptionsverdacht stehende Präsident Michel Temer für den Gipfel ab, doch das wirft erst recht ein Schlaglicht auf das Chaos in der Regierung. Nun will er doch fliegen.
Ein Schwergewicht unter den G20-Staaten ist auch Brasilien mit seinen etwa 208 Millionen Einwohnern. Erst sagte der unter Korruptionsverdacht stehende Präsident Michel Temer für den Gipfel ab, doch das wirft erst recht ein Schlaglicht auf das Chaos in der Regierung. Nun will er doch fliegen. © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Mit etwa 127 Millionen Einwohnern ist Mexiko nach Brasilien das zweitgrößte Land Lateinamerikas. Staatspräsident Enrique Peña Nieto vertritt das Land in Hamburg.
Mit etwa 127 Millionen Einwohnern ist Mexiko nach Brasilien das zweitgrößte Land Lateinamerikas. Staatspräsident Enrique Peña Nieto vertritt das Land in Hamburg. © REUTERS | REUTERS / EDGARD GARRIDO
Argentinien ist das dritte lateinamerikanische Land unter den G20, in Hamburg vertreten durch Präsident Mauricio Macri.
Argentinien ist das dritte lateinamerikanische Land unter den G20, in Hamburg vertreten durch Präsident Mauricio Macri. © REUTERS | REUTERS / RODRIGO GARRIDO
Auch Australien gehört zu den G20. Für Premier Malcom Turnbull ist Cyberterrorismus das wichtigste Thema des Gipfels. Der Kampf gegen Terrorismus im Internet erfordere ein international abgestimmtes Vorgehen, erklärte Turnbull.
Auch Australien gehört zu den G20. Für Premier Malcom Turnbull ist Cyberterrorismus das wichtigste Thema des Gipfels. Der Kampf gegen Terrorismus im Internet erfordere ein international abgestimmtes Vorgehen, erklärte Turnbull. © dpa | Mick Tsikas
Südafrika ist der einzige afrikanische der G20-Staaten, in Hamburg vertreten durch Präsident Jacob Zuma.
Südafrika ist der einzige afrikanische der G20-Staaten, in Hamburg vertreten durch Präsident Jacob Zuma. © REUTERS | REUTERS / SIPHIWE SIBEKO
Indonesien ist mit etwa 255 Millionen Einwohner der viertgrößte Staat der Erde und das größte muslimisch geprägte Land. Beim Gipfel wird es vertreten von Präsident Joko Widodo.
Indonesien ist mit etwa 255 Millionen Einwohner der viertgrößte Staat der Erde und das größte muslimisch geprägte Land. Beim Gipfel wird es vertreten von Präsident Joko Widodo. © REUTERS | REUTERS / DARREN WHITESIDE
Moon Jae-In ist erst im Mai zum Präsidenten von Südkorea gewählt worden, er vertritt einen Kurs des Ausgleichs mit Nordkorea und sein 50-Millionen-Einwohner-Land in Hamburg.
Moon Jae-In ist erst im Mai zum Präsidenten von Südkorea gewählt worden, er vertritt einen Kurs des Ausgleichs mit Nordkorea und sein 50-Millionen-Einwohner-Land in Hamburg. © imago/AFLO | Lee Jae-Won
Saudi-Arabiens König Salman hat seine Teilnahme am G20-Gipfel kurzfristig abgesagt, offiziell aufgrund der Katar-Krise. Stattdessen soll Finanzminister Mohammed al-Dschadan nach Hamburg kommen.
Saudi-Arabiens König Salman hat seine Teilnahme am G20-Gipfel kurzfristig abgesagt, offiziell aufgrund der Katar-Krise. Stattdessen soll Finanzminister Mohammed al-Dschadan nach Hamburg kommen. © REUTERS | REUTERS / HANDOUT
Nochmal zum Mitschreiben, von oben, v.l.n.r.: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, Indiens Ministerpräsident Narendra Modi. Zweite Reihe: US-Präsident Donald Trump, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, Russlands Präsident Wladimir Putin, die britische Premierministerin Theresa May, Chinas Präsident Xi Jinping. Dritte Reihe: Australiens Premierminister Malcolm Turnbull, Italiens Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, Südafrikas Präsident Jacob Zuma, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, Saudi-Arabiens Staatsminister Ibrahim al-Assaf. Letzte Reihe: Indonesiens Präsident Joko Widodo, Argentiniens Präsident Mauricio Macri, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto und Südkoreas Präsident Moon Jae In.
Nochmal zum Mitschreiben, von oben, v.l.n.r.: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, Indiens Ministerpräsident Narendra Modi. Zweite Reihe: US-Präsident Donald Trump, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, Russlands Präsident Wladimir Putin, die britische Premierministerin Theresa May, Chinas Präsident Xi Jinping. Dritte Reihe: Australiens Premierminister Malcolm Turnbull, Italiens Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, Südafrikas Präsident Jacob Zuma, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, Saudi-Arabiens Staatsminister Ibrahim al-Assaf. Letzte Reihe: Indonesiens Präsident Joko Widodo, Argentiniens Präsident Mauricio Macri, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto und Südkoreas Präsident Moon Jae In. © dpa
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Temer soll jahrelang Schmiergelder für seine Partei PMDB von dem Unternehmer Joesley Batista kassiert haben – der mit dem Präsidenten gebrochen hat und eigenen Angaben zufolge dem Korruptionssystem den Kampf angesagt hat. Der Besitzer des größten Fleischkonzerns der Welt, JBS, hatte Temer angezeigt und unter anderem einen heimlichen Mitschnitt eines Gesprächs zwischen den beiden der Justiz übergeben. Dieser legt den Verdacht nahe, dass ein in Haft sitzender Mitwisser von Schmiergeldgeschäften, Ex-Parlamentspräsident Eduardo Cunha, mit Geldzahlungen von Enthüllungen abgehalten werden sollte.

Temer-Vertrauter bereits des Amtes enthoben

Janot beschuldigt Temer, Schmiergeldzahlungen akzeptiert und im Gegenzug zugunsten des JBS-Konzerns bei der Wettbewerbsbehörde interveniert zu haben. Als Beweis dafür legte er Fotos vor, auf denen zu sehen sein soll, wie Temers Vertrauter Rocha Loures von einem JBS-Direktor einen Geldkoffer mit umgerechnet knapp 150.000 Euro entgegennimmt. Der Abgeordnete wurde des Amtes enthoben – und ebenfalls angeklagt.

Der Staatschef weigert sich bislang zurückzutreten, weil dies aus seiner Sicht einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Vor Bekanntwerden der Anklage versicherte Temer, seine Regierung werde nicht über die Vorwürfe stürzen. „Nichts wird uns zerstören - weder mich noch meine Minister“, sagte er bei einer Zeremonie am Regierungssitz.

Demonstrationen gegen Staatsspitze

Wegen des erbitterten Machtkampfs, der 2016 zur Absetzung Rousseffs führte, war Temer schon äußerst unbeliebt ins Amt gestartet. Seit Wochen gibt es im ganzen Land Demonstrationen, bei denen Temers Rücktritt gefordert wurde.

Angesichts von einem Wirtschaftseinbruch um 7,4 Prozent seit 2015 und fast 14 Millionen Arbeitslosen gab es zuletzt leichte Besserung, aber geplante Arbeitsmarkt- und Strukturreformen drohen durch die Regierungskrise blockiert oder verschleppt zu werden.