Berlin. Familienministerin Katarina Barley will auch nach der Bundestagswahl im Amt bleiben. Dann will sie das Kindergeld deutlich erhöhen.

Vor drei Wochen ist Katarina Barley vom Willy-Brandt-Haus ins Familienministerium umgezogen – als Nachfolgerin von Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern wird. Pünktlich zum SPD-Parteitag am Sonntag in Dortmund stellt Barley ihr erstes Großprojekt vor.

Eine neue Umfrage sieht die SPD nur noch bei 24 Prozent – und eine schwarz-gelbe Mehrheit. Sind Sie erleichtert, dass Sie nicht mehr Generalsekretärin sind?

Katarina Barley: Schauen Sie sich die Wahlen in den vergangenen Monaten an: Umfragen hatten letztlich null Aussagekraft. Ich war gerne Generalsekretärin, aber ich freue mich auch, dass ich nicht mehr ständig auf irgendwelche Wasserstandsmeldungen reagieren muss.

Wo haben Sie Fehler gemacht?

Barley: Wo Menschen zusammenarbeiten, passieren immer Fehler – das ist normal. Da mache ich für mich selbst keine Ausnahme. Es gab ein, zwei handwerkliche Pannen, die unter meiner Verantwortung passiert sind.

Klar ist jedenfalls: Der Schulz-Effekt ist verpufft.

Barley: Nein. Die SPD hat Tausende Mitglieder hinzugewonnen, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat ist. Darunter ganz viele junge Leute. Das hat die Partei verändert und ist für mich ein viel stärkeres Signal, als es von Umfragen ausgeht.

Was versprechen Sie sich vom Parteitag an diesem Sonntag in Dortmund?

Barley: Wir haben ein richtig gutes Programm erarbeitet, gerade in der Familienpolitik. Die Einführung eines Kinderbonus im Steuerrecht wäre wirklich ein großer Wurf und eine riesige Hilfe für die Familien. Wir sind da meilenweit vor unseren politischen Mitbewerbern, allen voran der CDU. Sozialdemokraten sind immer diskussionsfreudig, aber ich erwarte, dass von Dortmund ein großes Signal der Geschlossenheit ausgeht.

Für eine Mehrheit bräuchten Sie auch die Linkspartei. Ist die inzwischen regierungsfähig?

Barley: Es gibt vernünftige und weniger vernünftige Linke. Wir beantworten die Koalitionsfrage, wenn sie sich stellt.

Bis zur Bundestagswahl sind es noch 13 Wochen. Was wollen Sie als Familienministerin bewegen?

Barley: Ich möchte nach der Wahl Familienministerin bleiben, daher plane ich für die nächsten vier Jahre. Wir müssen dafür sorgen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie selbstverständlich wird. Das hat bei mir oberste Priorität. Gleichzeitig will ich dafür sorgen, dass die sozialen Berufe aufgewertet werden. Davon profitieren in erster Linie Frauen. Diese Woche haben wir da mit der Reform der Pflegeberufe einen ersten wichtigen Schritt getan. Besonders am Herzen liegt mir aber die Bekämpfung der Kinderarmut. In Deutschland ist jedes fünfte Kind armutsgefährdet – das ist doch für ein reiches Land wie dieses ein Armutszeugnis. Alle Kinder sollen bei uns gut aufwachsen und ihre Chancen nutzen können.

Was genau planen Sie?

Barley: Ich will als Familienministerin vor allem Eltern in den Blick nehmen, deren Einkommen so klein ist, dass sie immer mit dem Armutsrisiko kämpfen, nur weil sie Kinder haben. Das darf nicht passieren. In der nächsten Legislaturperiode will ich eine Reform des Kindergeldes angehen. Familien mit niedrigen Einkommen sollen deutlich mehr Kindergeld erhalten.

Geht das konkreter?

Barley: Bisher gibt es zwei unterschiedliche Leistungen: das Kindergeld, also 192 Euro im Monat für das erste Kind – und einen Kinderzuschlag für ärmere Familien von bis zu 170 Euro, den aber kaum jemand kennt. Nur ein Drittel derer, die Anspruch auf den Kinderzuschlag haben, stellen einen entsprechenden Antrag. Diese beiden Leistungen muss man zusammenführen. Mein langfristiges Ziel als Familienministerin ist, den Zuschlag auf bis zu 201 Euro im Monat aufzuwerten – und mit dem Kindergeld zu verbinden.

Diese neue Leistung muss man einmal beantragen und dann ohne viel Bürokratiekram weiter bekommen können. Eine Familie mit geringem Einkommen würde dann für das erste Kind bis zu 393 Euro im Monat erhalten – das errechnete Existenzminimum für das Kind. Insgesamt geht es da um zwei Millionen Kinder in Deutschland.

Was kostet das neue Kindergeld – und wie wollen Sie es finanzieren?

Barley: Wir rechnen mit rund zwei Milliarden Euro im Jahr, die aus dem Bundeshaushalt kommen.

Ist es klug, einfach mehr Geld zu verteilen? Sie können nicht bei allen Eltern sicher sein, dass es den Kindern zugutekommt.

Barley: Im Gegenteil. Mir ist wichtig, die zu erreichen, die es brauchen und die sich anstrengen, aber für die es schwer ist, sich und die Kinder aus eigener Kraft gut über die Runden zu bringen. Ich will, dass viele Eltern, Hunderttausende Kinder und auch viele Alleinerziehende endlich ohne Hartz IV auskommen. Das muss ein Regierungsschwerpunkt in den nächsten vier Jahren werden – dafür werde ich kämpfen.

Alleinerziehend – dieses Thema ist für Sie keine Theorie. Sie sind geschieden und haben zwei Söhne. Wie schaffen Sie das?

Barley: Wir teilen uns die Erziehung. Ich pendle ja zwischen Rheinland-Pfalz und Berlin. Mein älterer Sohn ist gerade aus dem Haus, mein jüngerer 13 Jahre alt. Wenn ich in der Hauptstadt bin, wird er von meinem Ex-Mann betreut. Als ich noch einfache Abgeordnete war, habe ich nur die Sitzungswochen in Berlin verbracht. Dann wurde ich Generalsekretärin, und mein Ex-Mann hat sich bereit erklärt, mehr Erziehungszeiten zu übernehmen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wir verstehen uns gut, daher ist das überhaupt kein Problem.

Werben Sie für das Wechselmodell?

Barley: Für meine Kinder war es immer gut, Zeit mit beiden Elternteilen zu verbringen. Ich will hier aber überhaupt keine Empfehlungen geben. Das ist ein hochemotionales Thema, das sich für jede Familie anders stellt.

Die SPD-Bundestagsfraktion will Gerichten die Möglichkeit geben, Erziehung im Wechsel auch gegen den Willen eines Elternteils anzuordnen. Unterstützen Sie das?

Barley: Das ist eine der schwierigsten Fragen im Familienrecht. Ich will da erst mal den Dialog mit Fachleuten und Verbänden suchen. Wir haben dazu im Juli eine Konferenz. Für mich ist wichtig, dass Familien in Trennungsphasen mehr Unterstützung bekommen. Das ist eine belastende Situation für alle, vor allem für die Kinder – selbst wenn das eine sehr gütliche Trennung ist wie meine.

Familie wird vielfältiger. Die Grünen sagen: Ohne die „Ehe für alle“, also auch für homosexuelle Paare, unterschreiben sie keinen Koalitionsvertrag. Legt sich die SPD genauso fest?

Barley: Martin Schulz hat klargemacht, dass es mit ihm als Bundeskanzler die „Ehe für alle“ geben wird – und zwar innerhalb der ersten 100 Tage! Für Sozialdemokraten ist die völlige Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Lebenspartnerschaften ein unglaublich wichtiges Anliegen. Es ist vollkommen unverständlich, dass die Union das Projekt blockiert.

„Ehe für alle“ – sind Sie glücklich mit dem Begriff?

Barley: Ich halte ihn jedenfalls für passender als „Homo-Ehe“. Bei der „Ehe für alle“ habe ich auch nicht die merkwürdigen Assoziationen der saarländischen Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer. Niemand will, dass Geschwister heiraten. Ich begreife den Widerstand der Konservativen überhaupt nicht. Die „Ehe für alle“ nimmt doch niemandem etwas weg!