Berlin. Beispiellose Würdigung für Helmut Kohl: Nach dem europäischen Staatsakt soll der Leichnam per Schiff über den Rhein gefahren werden.

Der Abschied von Altkanzler Helmut Kohl nimmt konkrete Formen an: Nach einem europäischen Staatsakt zu Ehren des außergewöhnlichen Staatsmannes soll sein Leichnam mit einem Schiff von Straßburg über den Rhein in das etwa 100 Kilometer nördlich gelegene rheinland-pfälzische Speyer gebracht werden. Dort ist im Dom eine öffentliche Totenmesse geplant, wie die „Bild am Sonntag“ berichtete.

Für den am Freitag verstorbenen Kohl hatte der fast tausend Jahre alte Kaiserdom zeit seines Lebens eine große Bedeutung: Hier suchte er als 13-Jähriger im Zweiten Weltkrieg Schutz vor den Fliegerangriffen, hierhin zog er sich oft zurück, hier war im Jahr 2001 auch die Totenmesse für seine erste Frau Hannelore gehalten worden. „Das ist mein Heimatdom“, hat Kohl einmal über seine besondere Beziehung zu Speyer gesagt. Nach der Messe soll dann der engste Familien- und Freundeskreis in der Kapelle im Adenauerpark in Speyer Abschied vom Altkanzler nehmen.

Tausende standen bei Adenauer am Ufer

Die Trauerfeierlichkeiten ähneln denen für den im April 1967 verstorbenen ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer. Auch er war mit dem Schiff über den Rhein an seine letzte Ruhestätte gebracht worden. Damals säumten Tausende Menschen das Rhein-Ufer, Hunderttausende sahen am Fernseher zu, als ein Schnellboot den Sarg nach Rhöndorf transportierte.

Eine Ehre bleibt aber vorerst Helmut Kohl vorbehalten: Als erster Politiker der Europäischen Union wird zu seinem Gedenken ein europäischer Staatsakt organisiert. Die Trauerfeier soll mit der EU-Spitze und den Weggefährten Kohls im Europaparlament in Straßburg stattfinden, wie eine Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Sonntag bestätigte. Juncker, der mit Kohl befreundet war, hatte sich für diese bislang einmalige Ehrung eingesetzt, offenbar war Kohl zu Lebzeiten in die Überlegungen eingeweiht worden.

Der Kommissionspräsident verwies darauf, dass Kohl 1998 die europäische Ehrenbürgerschaft verliehen worden sei – eine Auszeichnung, die außer ihm bisher nur dem verstorbenen europäischen Gründervater Jean Monnet und dem früheren Kommissionspräsidenten Jacques Delors zuteilgeworden ist.

Kanzlerin Merkel trägt sich ins Kondolenzbuch ein

Der genaue Termin für den Staatsakt steht noch nicht fest, er soll aber noch im Juni stattfinden. Der Plan stieß am Sonntag auf große Zustimmung sowohl in Berlin als auch bei führenden EU-Politikern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel trug sich am Sonntag im Kanzleramt in ein Kondolenzbuch ein: „Mit Helmut Kohl verlieren wir einen großen Demokraten und großen Europäer“, schrieb Merkel. Wie kaum ein anderer habe er sich um die Wiedererlangung der Einheit Deutschlands und die europäische Einigung verdient gemacht, die Deutschen verdankten ihm viel. „Ich verneige mich vor seinem Angedenken“, lautet Merkels Schlusssatz.

Es gibt bereit Gedenkstiftungen für die früheren Kanzler

Im Foyer der Regierungszentrale liegt ein weiteres, öffentliches Kondolenzbuch aus, in das sich Bürger eintragen können, außerdem in der CDU-Zentrale und im Berliner Roten Rathaus. Der Deutsche Fußball-Bund teilte mit, dass die Nationalmannschaft am Montag beim Confed Cup in Russland mit Trauerflor auflaufen wird.

Unterdessen begann eine Diskussion darüber, wie das Erbe des früheren Bundeskanzlers ehrenvoll bewahrt werden kann. Die Kulturstaatsministerin des Bundes, Monika Grütters, plädierte für eine Gedenkstiftung. Grütters, die auch Berliner CDU-Landesvorsitzende ist, kündigte an, sie wolle sich für eine solche „Helmut-Kohl-Stiftung“ einsetzen. Bislang gibt es überparteiliche Gedenkstiftungen für die früheren Kanzler Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt. Erste Politiker forderten, Straßen und Plätze nach Kohl zu benennen. Eine erste „Doktor-Helmut-Kohl-Straße“ gibt es im Fischerdorf Loddin auf der Insel Usedom.