Berlin. Zur „moralischen Stärkung“ für den G20-Gipfel im Juli traf sich Angela Merkel mit Papst Franziskus im Vatikan. Das Gespräch verlief „ermutigend“.

Vielleicht liegt es an Gastgeschenken wie der Gesamtausgabe von Friedrich Hölderlin, den CDs mit Aufnahmen von Wilhelm Furtwängler oder, wie jetzt, den argentinischen Leckereien. Oder einfach an persönlicher Sympathie. Angela Merkel jedenfalls hat einen echten Draht zum Papst. Am Sonnabend war die Bundeskanzlerin zum vierten Mal zur Privataudienz bei dem aus Argentinien stammenden Franziskus. So viele offizielle Begegnungen hatte kein anderer Regierunchef.

Es sei „insgesamt“ für sie „ein sehr ermutigendes Gespräch“ gewesen, sagte Merkel anschließend. Mit ihrem Besuch beim Papst wollte sie moralische Stärkung für den G20-Gipfel im Juli in Hamburg bekommen. Die Agenda des Treffens „geht davon aus, dass wir eine Welt sind, in der wir multilateral zusammenarbeiten wollen“, sagte Merkel. „Eine Welt, in der wir keine Mauern aufbauen wollen, sondern Mauern einreißen wollen und in der alle gewinnen sollen an Wohlstand, an Reichtum, an Ehre und Würde des Menschen.“

Gemeinsame Spitze gegen Trumps Politik

Das hatte auch der Papst schon einmal so ähnlich formuliert. Beide seien sich einig gewesen, dass die internationale Gemeinschaft Klimawandel, Armut, Hunger und Terrorismus bekämpfen müsse, hieß es dann auch in einer gemeinsamen Erklärung. Das ging gegen die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump, die schon im Mai den G7-Gipfel in Italien belastet hatte.

Die protestantische Pfarrerstochter und das Oberhaupt der katholischen Kirche – das ist eine Verbindung, die offenbar funktioniert. Jedenfalls ist es Merkel gelungen, ein enges Verhältnis zum 80-jährigen Franziskus aufzubauen. Merkel war im Mai 2013 – zwei Monate nach der Wahl von Franziskus – nach der argentinischen Präsidentin und dem Schweizer Staatsoberhaupt der dritte politische Gast des neuen Papstes.

Vatikan zeigt sich Merkel-freundlich

Sie durfte damals über den Petersplatz zum Apostolischen Palast fahren, vorbei an Tausenden Gläubigen, die auf das Angelusgebet warteten. Eine freundliche Geste des Vatikans war das, zumal Merkel damals – wie heute auch – im Wahlkampf stand und der Kirchenstaat sich dabei normalerweise neutral verhält.

Schon bei ihrem zweiten Treffen im Februar 2015 hatte Merkel beim Papst Unterstützung für ein wichtiges Gipfeltreffen gesucht, damals hatte Deutschland den Vorsitz der G7-Staaten. Besonders gut in Erinnerung dürfte die CDU-Vorsitzende die Verleihung des Karlspreises an Franziskus im Vatikan haben. Damals, im Mai 2016, lobte das Oberhaupt der katholischen Kirche Merkels Flüchtlingspolitik, während sie sich zu Hause gegen massive Kritik auch aus den eigenen Reihen wehren musste.

Merkel hatte Ratzinger kritisiert

Doch Merkels Verhältnis zum Vatikan ist keineswegs ungetrübt. 2009 hatte die Kanzlerin ausgerechnet den deutschen Papst Benedikt XVI. ungewöhnlich deutlich kritisiert. Dieser hatte damals die Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius zurückgenommen, darunter auch die des Holocaust-Leugners Richard Williamson. Durch diese Entscheidung des Papstes sei der Eindruck entstanden, dass es eine Leugnung des Holocausts geben könnte, hatte Merkel damals gesagt.

In Teilen der Union war das nicht gut angekommen. Der deutsche Papst und die deutsche Kanzlerin trafen sich nie im Vatikan. Merkel reiste nur einmal in die Sommerresidenz Castel Gandolfo, sonst traf man sich bei Besuchen Benedikts in Deutschland. Von Traditionalisten in der Union wird Merkel häufig vorgeworfen, das C in der CDU, also die christliche Ausrichtung zu vernachlässigen. Auf der anderen Seite werfen ihr Gegner vor, sich gerade wegen ihrer christlichen Prägung so stark für Flüchtlinge eingesetzt zu haben.

Merkel findet ihren Glauben selbst „nicht vorbildlich“

Merkel selbst beschrieb ihren Glauben einmal als „nicht gerade vorbildlich“, denn sie „tendiere dazu, an guten Tagen weniger zu glauben als an schlechten Tagen“. Dennoch wird sie mit dem Papst eine Linie finden: Der Gottesbezug im Grundgesetz, auch das sagte sie einmal, solle verhindern, „dass sich die Politik in Allmachts- und Absolutheitsansprüchen verliert“. Der Papst dürfte das sicherlich genauso sehen.

Eine Messlatte für die Qualität einer Audienz im Vatikan ist klassischerweise die Dauer des Gesprächs. 2013 bekam Merkel 45 Minuten mit dem Papst, 2015 waren es 50 Minuten und auch gestern dauerte das Gespräch mehr als 40 Minuten. Zum Vergleich: Donald Trump, über den Franziskus Anfang 2016 gesagt hatte, er sei „kein Christ“, bekam keine 30 Minuten mit dem Kirchenoberhaupt.