Kairo. Ägyptens Präsident Sisi geht ungebremst gegen jede Opposition vor. Beim Besuch in Berlin braucht er keine Kritik mehr zu befürchten.

Als gelernter Ägypter weiß Abdel Fattah al-Sisi natürlich, was sich gehört, wenn man dem ganz großen Pascha begegnet. „Sie sind eine einzigartige Persönlichkeit, die fähig ist, das Unmögliche möglich zu machen“, umschmeichelte der Mann vom Nil auf dem Gipfel in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad den Mann aus dem Weißen Haus, der zuvor seinen ersten Schwerttanz hingelegt hatte. Donald Trump tat der orientalische Kotau sichtlich gut. „Ich mag Ihre Schuhe, Wahnsinn, solche Schuhe“, retournierte er aufgekratzt.

Seit dem Besuch des US-Präsidenten vor drei Wochen herrscht Jubelstimmung unter den arabischen Potentaten. Endlich können sie frei agieren – unbehelligt von lästigen Mahnungen wie zu Zeiten von Barack Obama. So auch Ägyptens Präsident Sisi. Diplomatischen Gegenwind braucht der starke Mann von Kairo nicht mehr zu befürchten, wenn er am Montag zum zweiten Mal in seiner Amtszeit nach Berlin reist, wo er an der G20-Afrika-Partnerschaftskonferenz teilnimmt. Für den amerikanischen Präsidenten ist er ein Pfundskerl. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgt für das Wahljahr vor allem ein Anliegen – Ägyptens Hilfe bei der Eindämmung des Flüchtlingsstroms.

Viele politische Gefangene sitzen seit Jahren ohne Anklage im Gefängnis

Und so unterzeichnete Sisi – kaum zurück aus Saudi-Arabien – das lange wegen deutscher und europäischer Kritik zurückgehaltene NGO-Gesetz. Es gibt seinen Sicherheitsdiensten künftig bei allen Aktivitäten gemeinnütziger Nichtregierungsorganisationen (NGO) das letzte Wort, Verstöße werden mit Gefängnis oder drastischen Geldstrafen geahndet. Bürgerrechtler wie Gamal Eid vom „Arabischen Netzwerk für Menschenrechtsinformationen“ sprechen von einem Todesstoß für die Zivilgesellschaft. Auch die beim Märzbesuch von Kanzlerin Merkel in Kairo verkündete Erfolgsmeldung, die deutschen Stiftungen könnten demnächst wieder am Nil arbeiten, dürfte damit Makulatur sein.

Denn der Sicherheitsapparat führt ein immer schrankenloseres Willkür­regime. Seit der islamistische Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 abgesetzt wurde, gehen die Behörden mit drakonischen Maßnahmen gegen jede Form der Opposition vor. Die Zahl der politischen Gefangenen hat die 60.000 überschritten, viele sitzen seit Jahren ohne Anklage oder Prozess. Allein 7400 Zivilisten wurden seit Oktober 2014 vor Militärgerichte gezerrt, bilanzierte „Human Rights Watch“ am Wochenende in seinem neuesten Bericht, der grauenhafte Details über die Folterpraxis in Militärgefängnissen enthält. Pressefreiheit existiert nicht mehr, auf dem Index von „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Ägypten auf Platz 161 von 180. Kürzlich wurden 21 Online-Nachrichtenportale gesperrt, darunter die Internetzeitung „Mada Masr“, die durch unbequeme und gut recherchierte Artikel auf sich aufmerksam machte.

Das Land am Nil ist auch Stabilitätsanker

Nach Informationen der Heinrich-Böll-Stiftung machen ins Exil geflohene ägyptische Aktivisten inzwischen einen Bogen um Berlin, weil sie Angst haben, von der dortigen Botschaft ausspioniert zu werden. Auch andere diplomatische Vertretungen Ägyptens wie in Rom, Istanbul oder London agieren offenbar als verlängerte Arme der Staatssicherheit. „Was machen alle diese Leute im Ausland“, polterte unlängst der Pro-Sisi-Abgeordnete Mostafa Bakri und forderte, man solle sämtliche Kritiker heimbringen und zwar im Sarg.

Trotzdem lobte die Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe, Karin Maag, die der CDU angehört, das Land am Nil als Stabilitätsanker in der von Krisen und Kriegen heimgesuchten Nahost-Region. Die meisten Ägypter und auch ihre Volksvertreter plädieren nach ihren Worten für ein starkes Präsidialregime oder hätten sich mit der Restauration abgefunden.

„Viele Ägypter sind zufrieden und wünschen sich, dass der Präsident möglichst ungestört seine Wirtschafts- und Sozialpolitik umsetzen kann“, bilanzierte Maag nach ihrem Besuch im März. Man müsse vieles akzeptieren, was nicht lupenrein demokratisch sei, „aber ich muss anerkennen, dass sich jemand Mühe gibt – wie das Parlament oder auch der Staatspräsident.“