Washington. Die Aussage von Ex-FBI-Chef James Comey kann Trump in Schwierigkeiten bringen. Doch für eine Amtsenthebung reicht es (noch) nicht.

Wem wird Amerika in der schleichend zur Staatskrise ausufernden Russland-Affäre mehr glauben? Präsident Donald Trump – oder dem von ihm am 9. Mai gefeuerten Chef der Bundespolizei FBI? Diese Frage steht im Mittelpunkt des nationalen Selbstgesprächs, nachdem James Comey am Donnerstag im Blitzlichtgewitter eine Kongress-Anhörung verließ, wie sie Washington seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.

Nie zuvor hat ein oberster Bundespolizist einen amtierenden Präsidenten öffentlich der Lüge bezichtigt. Am Donnerstag war es soweit. Und der Konter blieb nicht lange aus. Trump ließ am Abend über einen Anwalt fast alle Vorwürfe als falsch zurückweisen. Jetzt steht Aussage gegen Aussage. Aber der Reihe nach. Zuerst der Ex-FBI-Chef:

  • Comey war von Beginn an misstrauisch. Er hatte angesichts „der Persönlichkeit“ Trumps die Sorge, dass der Präsident nach Gesprächen mit ihm Lügen verbreitet. Darum hat er von den neun Kontakten seit Januar schriftliche Notizen angefertigt.
  • Comey fühlte sich durch die von Trump genannten Entlassungsgründe diffamiert. Das Weiße Haus hatte behauptet, der 56-Jährige habe einen schlechten Job gemacht und sei im FBI unbeliebt. „Dies waren Lügen, schlicht und einfach“, sagte Comey.
  • Comey hat „keinerlei Zweifel“, dass russische Akteure mit dem Wissen des Kreml die Präsidentschaftswahl zulasten Hillary Clintons beeinflussen wollten.
  • Comey betont, dass Trump ihn nicht pauschal zur Einstellung der Russland-Ermittlungen aufgefordert hat.
  • Comey hat die von Trump unter vier Augen geäußerte Hoffnung, die Detail-Ermittlungen gegen die Schlüsselfigur Michael Flynn (ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater) ruhen zu lassen, als „Anweisung“ verstanden. Dagegen nicht auf der Stelle protestiert zu haben, erklärt Comey so: „Ich war sprachlos.“
  • Comey will Trumps „sehr beunruhigendes“ Vorgehen nicht als „Behinderung der Justiz“ werten. Er entzog sich sämtlichen Nachfragen mit dem Hinweis, dies müsse dem vom Justizministerium eingesetzten Sonderermittler Robert Mueller und dem Kongress vorbehalten bleiben.
  • Comey bestätigte, dass Trump von ihm „Loyalität“ eingefordert hat. Er hatte nach mehreren Kontakten mit Trump das „Bauchgefühl“, dass Trump eine Gegenleistung dafür erwartet hat, dass er an der Spitze des FBI bleiben durfte. Sprich: das Ende der Ermittlungen gegen Flynn. Und eine öffentliche Erklärung, dass Trump persönlich nicht im Fokus der Russland Ermittlungen steht.
  • Comey bestätigte, dass er Trump dies dreimal versichert habe. Nur intern. Der Grund: Wenn sich im Lauf der Ermittlungen ein neuer Sachverhalt ergeben hätte, wäre er öffentlich zur Korrektur verpflichtet gewesen.
  • Comey gestand, über einen Freund die Medien über Trumps Ansinnen in Sachen Flynn informiert zu haben. Ziel: Einsetzung eines Sonderermittlers.
  • Was Comey nicht-öffentlichen Teil des Geheimdienstausschusses sagte, ist bisher nicht bekannt.

Und Trump? Anders als erwartet, hielt sich der Präsident mit seinen üblichen 140-Zeichen-Kontern per Twitter zunächst zurück. Das Weiße Haus, am Tag zuvor durch eine fein kalibrierte Erklärung Comeys mit allen subjektiv empfundenen Schandtaten Trumps vorgewarnt, blieb lange Zeit stumm. Dann ließ eine Sprecherin trotzig verlauten: „Der Präsident ist kein Lügner.“ Allein auf die Frage zu kommen, ob er einer sei, sei „beleidigend“.

Als Comey noch auf dem heißen Stuhl im öffentlich Teil seiner Vernehmung saß, redete Trump vor Mitgliedern der religiös-konservativen „Faith and Freedom Coalition“ in Washington. Dort deutete der Unternehmer den Dreh an, den er und sein Team den massiven Vorwürfen Comeys demnächst entgegensetzen wird.

Trump spricht von „Belagerung“

„Wir“, sagte Trump an die Adresse seiner Anhänger, sind einer „Belagerung“ ausgesetzt. Der Washingtoner Sumpf, worunter Trump das Partei-Establishment versteht, ziehe mit einer Verleumdungen gegen ihn zu Felde. „Sie werden lügen, sie werden uns behindern, sie werden ihren Hass und ihre Vorurteile verbreiten“, rief er.

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    Der Feind ist klar: die Demokraten, die ihre Wahlniederlage nicht verwinden könnten. Und die liberalen Medien, die sich zur Aufgabe gemacht hätten, ihn aus dem Amt zu schreiben. Trump will nicht aufgeben. „Wir werden kämpfen und gewinnen“, rief er ins Publikum. Auf James Comey und dessen Anklage ging er mit keinem Wort ein.

    Trumps Anwalt widerspricht Comey vehement

    Das tat der für Trump bereits früher in Immobilien-Streitigkeiten tätig gewesene Star-Anwalt Marc Kasowitz. Er ließ erklären, dass sein Mandant niemals „Loyalität“ von Comey verlangt habe. Auch habe er zu keiner Zeit gegenüber James Comey „angeordnet oder vorgeschlagen“, gegen irgendwen im Rahmen der Russland-Affäre nicht zu ermitteln – das gelte auch, und dieser Aspekt steht hundertprozentig im Gegensatz zu Comeys Äußerungen – für Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn.

    Kasowitz bekräftigte, dass Trump sich durch die schriftliche Erklärung Comeys „bestätigt sieht“: Der Präsident war nicht persönlich von Ermittlungen in der Russland-Affäre betroffen.

    Paul Ryan: Das ist einfach neu für Trump

    Etwas weniger selektiv ging Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhaus, mit Comeys Anklage um. Ohne Details zu würdigen, schrieb er die geschilderten Konflikte Trumps politischer Unerfahrenheit zu. Der Immobilien-Milliardär kenne die Gepflogenheiten noch nicht. „Das ist einfach neu für den Präsidenten.“

    Womit die Frage bereits beantwortet war, wie sich die Republikaner zu der in Washington grassierenden I-Frage stellen. I wie Impeachment. Amtsenthebung. Die Entfernung des Präsidenten aus Verantwortung und Oval Office.

    Bisher wurde noch nie ein Präsident des Amtes enthoben

    Richard Nixon kam im Watergate-Skandal 1974 dem drohenden Rauswurf durch Rücktritt zuvor. Bill Clinton (1998, Monica Lewinsky-Affäre) und Andrew Johnson (1868, Streit über den Wiederaufbau des Südens nach dem Bürgerkrieg) retteten sich, weil die entscheidende Spruchkammer in diesem spektakulären Kündigungsverfahren zwischen Amerika und seinem ersten Angestellten nicht die nötigen Stimmen aufbrachte.

    Konkret: Das Repräsentantenhaus hatte in beiden Fällen zwar mit der notwendigen absoluten Mehrheit das Impeachment-Verfahren in Gang gesetzt. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im 100-köpfigen Senat, der hier wie ein Gericht wirkt, blieb dagegen nach monatelangen Ermittlungen aus. Ein Szenario, das in die heutige Zeit übertragbar ist.

    Selbst Demokraten glauben nicht an schnelle Amtsenthebung

    Weil die Konservativen in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit haben, rechnen selbst die Demokraten nicht damit, dass es „kurzfristig eine politische Todesstrafe für Donald Trump geben wird“. Die Hoffnung der Opposition ruhen auf 2018. Halbzeitwahlen im Kongress. Sollten die Demokraten dann den Kongress zurückerobern könnte ein Impeachment-Verfahren in Gang gesetzt werden.

    Zunächst würden sich beide Parteien aber damit abfinden müssen, dass der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller, Ex-FBI-Chef, seine Arbeit tut. Bis heute gibt es Indizien und Vermutungen über illegale Absprachen zwischen Russland und Trumps Team vor der Wahl 2016. Aber keine gerichtsfesten Beweise.

    Arbeit des Sonderermittlers kann Jahre dauern

    Bis Mueller seinen Abschlussbericht beieinander hat, können Jahre vergehen. Und ob das Fazit dann eine absichtsvolle Beteiligung Trumps an den unterstellten Machenschaften belegen wird, ist fraglich. Aber entscheidend. Amtsenthebung ist an „Verrat, Bestechlichkeit und andere schwere Verbrechen und Vergehen“ geknüpft. Dazu gehört auch der Tatbestand der Justiz-Behinderung.

    Was für die Demokraten so gut wie erwiesen ist, stellen die Republikaner in Abrede. Ein rauchender Colt („smoking gun“), der den Präsident eindeutig als „Täter“ überführt, sei in der Trump-Comey-Fehde nirgends zu finden, sagen sie. Solange diese Denkschule bei den Republikanern dominiert, solange bleibt das Thema Amtsenthebung Wunschdenken.