London. May und Corbyn haben ihre Stimmen abgegeben. Bekommt die Premierministerin die erwartete Mehrheit? Es dürfte am Ende knapp ausgehen.

Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen haben die mehr als 40.000 Wahllokale in England, Schottland, Wales und Nordirland seit 8 Uhr MESZ geöffnet. Nach dem Terroranschlag auf der London Bridge mit mehreren Toten am Samstag befindet sich besonders die Hauptstadt unter erhöhter Polizeibeobachtung.

Jess Stubenbord (26) aus London wählte am Morgen Labour. „Jeremy Corbyn überzeugt mich“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin Techniker und möchte auf jeden Fall das Gesundheitssystem behalten. Das ist für mich momentan das Wichtigste.“

May will mit vorgezogener Wahl Mehrheit sichern

Simon Kitching (55) entschied sich dagegen für die Tories. „Eigentlich gibt es keine Wahl. Es gibt nur eine Möglichkeit und das ist definitiv nicht Corbyn. Er kann das nicht“, sagte Kitching der dpa. „Nur Theresa May ist momentan stark genug, dieses Land zu führen... Und sie wird auch den Terror eindämmen können. Ich bin mir sicher, mit ihr wird es uns gut gehen – auch nach dem Brexit. Wir werden uns damit arrangieren.“

Premierministerin Theresa May möchte mit der vorgezogenen Unterhauswahl eine größere Mehrheit für ihre Tories und damit mehr Rückendeckung für die Verhandlungen mit Brüssel über einen EU-Austritt (Brexit) bekommen. Die Konservative gab am Morgen in ihrem Wahlkreis in Maidenhead westlich von London ihre Stimme ab.

Vorsprung der Konservativen schmolz dahin

Der Chef der Labour Party, Jeremy Corbyn, vor einem Wahllokal in Islingtonin.
Der Chef der Labour Party, Jeremy Corbyn, vor einem Wahllokal in Islingtonin. © Getty Images | Leon Neal

Der Labour-Chef Jeremy Corbyn wählte in seinem Londoner Wahlkreis Islington North. Der Altlinke Corbyn spricht vor allem junge Menschen an. Er will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern, die Bahn verstaatlichen und das marode Gesundheitssystem auf Vordermann bringen. Er gilt aber als führungsschwach. Für wen sich die Wähler entscheiden werden, ist noch unklar.

Umfragen zufolge könnte die Konservative ihr Ziel einer komfortablen Mehrheit im britischen Parlament verfehlen. Als May die Neuwahl ausrief, lagen die Konservativen zeitweise noch mehr als 20 Prozentpunkte vor Labour. Fehler Mays ließen den Vorsprung aber bis auf wenige Prozentpunkte schmelzen. Nach der jüngsten Befragung der Meinungsforscher des Instituts Survation liegen die Tories mit 41 Prozent gar nur noch einen Punkt vor Labour mit 40.

Corbyn verspricht 10.000 zusätzliche Polizisten

Für die Sitzverteilung im Unterhaus ist aber wegen des Mehrheitswahlrechts nicht nur das generelle Stimmenverhältnis entscheidend, sondern auch die regionale Verteilung der Stimmen. In jedem Wahlkreis gewinnt der dort an erster Stelle liegende Abgeordnete; die übrigen Stimmen entfallen und werden auch landesweit nicht berücksichtigt.

Premierministerin Theresa May mit ihrem Ehemann Philip.
Premierministerin Theresa May mit ihrem Ehemann Philip. © REUTERS | EDDIE KEOGH

May verweigerte gemeinsame TV-Duelle mit Corbyn, wirkte bei Wahlkampfauftritten verkrampft. Nach drei Terroranschlägen in Großbritannien in drei Monaten warfen ihr Kritiker zudem vor, während ihrer Zeit als Innenministerin für den Abbau von über 20.000 Stellen bei der Polizei mitverantwortlich gewesen zu sein. Auf starke Kritik der Opposition stießen ihre Äußerungen, im Kampf gegen den Terror notfalls Menschenrechte einzuschränken. Corbyn verspricht im Wahlprogramm 10.000 zusätzliche Polizisten.

Wahllokale schließen um 23 Uhr

Der rechtspopulistischen Partei Ukip droht der Kollaps bei der Wahl. Im Parlament waren die EU-Gegner zuletzt nicht mehr vertreten. Im März war ihr einziger Abgeordneter aus der Partei ausgetreten. „Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen“, sagte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow.

Die Briten können bis 23 Uhr MESZ ihre Stimme abgeben. Eine auf Wählerbefragungen basierende Prognose folgt direkt nach Schließung der Wahllokale. Die Auszählung der Stimmbezirke dauert die ganze Nacht. Zwar dürfte sich nachts ein belastbarer Trend abzeichnen, das Endergebnis der Wahl wird aber erst am Nachmittag vorliegen. (dpa/les)

Mays 4-Punkte-Plan gegen den Terror

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